Dinslaken. Das Konzert des DSDS-Gewinners war eine Mischung aus Mitmach-Show, Meet-and-Greet und Rudelsingen. Das war der berührendste Moment des Abends.
Es ist kurz vor 22 Uhr, das Thermometer zeigt 24 Grad an, es wird gesungen, getanzt und der eine oder andere Cocktail getrunken. Ein Gefühl wie Urlaub im Süden, nur dass man sich den Flieger spart. Pietro Lombardi hat sich im dritten Konzert in drei Jahren Sommerkultur in Folge seine Sommerhits von „Cinderella“ bis „Bella Donna“ aufgehoben und im Burgtheater herrscht jene Atmosphäre, die den Ort so unverwechselbar macht.
Daran, die Stimmung anzuheizen, wurde da bereits seit über zwei Stunden gearbeitet. Man muss es so sagen, denn ein Konzert von Pietro Lombardi ist, auch wenn es eine Liveband auf der Bühne gibt, vor allem eine große Animations-Show. Eine Mischung aus Meet-and-Greet, Karaoke für einige und Rudelsingen für alle. Da interessiert es dann auch keinen, dass die Klangfülle in den meisten Refrains dadurch erzielt wird, dass die im Studio eingespielten Gesangsspuren auch auf der Bühne als Samples eingespielt werden. Was Pietro Lombardi als DSDS-Gewinner und Orri Jackson, der für ihn Background singt, wohl kaum nötig hätten.
Das berührende Highlight des Abends ist „Kämpferherz“, gesungen mitten im Block C von Lombardi und Julian, der sich aus dem Publikum meldete, um das Lied seiner Tante Iris zu widmen. Lombardi holt noch den kleinen Lenny dazu, dann lässt er Julian ein zweites Mikro geben. Dieser hat eine bemerkenswerte deutsche Soulstimme – und „Kämpferherz“ berührt.
Bei Orri Jackson gehen die Smartphones in die Höhe
Pietro Lombardi ist der Star – und als wäre das Konzert eine TV-Show, macht Orri Jackson für ihn eine gute Viertelstunde den Einheizer. Aber vielleicht geht es eigentlich vielmehr darum, Jacksons Stimme zu promoten. Wenn der gebürtige Bonner „Mein Stern“ covert, stimmen die Mädchen im Burgtheater in den großen Chor ein – und die Smartphones gehen in die Höhe, um Jacksons Auftritt aufzuzeichnen. Seine weiche Stimme bleibt den ganzen Abend präsent – auch wenn er bei Pietro Lombardi in der zweiten Reihe steht.
Der hat, als er unter dem großen Jubel seiner Fans sein Set mit „Phänomenal“ eröffnet, erst einmal ein Problem: Backstage habe er Mineralwasser mit Kohlensäure erwischt, erklärt er. Das „spricht“ nun mit ihm – und er hat Schwierigkeiten zu singen.
Aber so etwas ist nur menschlich. Und ums Menschlichsein geht es bei einem Pietro-Lombardi-Konzert – die Nähe zu den Fans ist das wichtigste. Den Namen des achtjährigen Liam, dem er zuerst ein Lied widmet, sollen alle im Burgtheater mitsingen, es folgt das Geburtstagsständchen für Maja, die zehn Jahre alt geworden ist. „Maja?“ Lombardi stimmt das Titellied von „Biene Maja“ an, die Fans im Burgtheater erweisen sich auch hier als textsicher.
Julia Meladins Popmusik mit Aussage
Noch bevor Orri Jackson pünktlich um 20 Uhr die Fans für Pietro Lombardi aufwärmte, hatte Julia Meladin die Gelegenheit, sich einem größeren Publikum vorzustellen. Die 21-Jährige singt über die „toten Herzen“ einer zerbrochenen Beziehung, gegen Bewertungssysteme („Zehn von zehn“) in den sozialen Medien oder von der „Gänsehaut“, die sich einstellt, wenn man sich neu verliebt – obwohl man nach einer schlechten Erfahrung dem Gefühl doch abgeschworen hat. So beweist Julia Meladin mit ihren Popsongs Eigenständigkeit und fiel am Samstag mit ihren nachdenklichen Texten aus dem Rahmen.
Überhaupt sind Pietro Lombardi und seine Musiker sehr offen für Songs anderer Künstler – hier bleibt der Sänger ganz in der DSDS-Tradition. Auch wenn ihn das Lieblingslied einer Zuschauerin in die Bredouille bringt. Weil sie älter als 32 ist, wählte sie ein Lied von Johnny Logan aus. Den Text von „Hold me now“ muss Lombardi googlen –aber der Text allein hilft ja auch nicht weiter. Doch auch hier kann sich Lombardi nicht nur auf seine Band, sondern auch auf seine Zielgruppe verlassen: Die kann alle Hits mitsingen, egal, wie alt diese sind.
Und so gibt es „Zugabe“-Rufe auch für die beiden, die beim Mini-DSDS mitspielen. Ob „Atemlos“ oder „Viva Colonia“ – der Burgtheater-Chor steht. Zwischendurch gibt es noch das Autogramm für den weiblichen Hardcore-Fan, der per Schild darum bittet, um sich den Pietro-Schriftzug als Tattoo stechen zu lassen. Und zum Schluss verlässt Lombardi das Publikum durch den Wandelgang. Mehr Fannähe ist selbst im heimeligen Burgtheater kaum möglich.