Voerde. Kjell aus Voerde ist schwer krank. Eine Spendenaktion soll unter anderem Medikamente finanzieren, die ihm seine letzte Lebensphase erleichtern.

Kjell liebt Pandabären über alles. Sein Zimmer zu Hause ist „komplett im Panda-Look“ gestaltet, erzählt seine Klassenlehrerin Miriam Lohrmann. Woher sie das weiß? Der 14-jährige Voerder wird seit geraumer Zeit nur noch an bestimmten Tagen in der Woche und dann auch nur zu Hause unterrichtet. Aufrecht sitzen kann der Jugendliche nämlich schon lange nicht mehr. Die Position sei für ihn mit extremen Schmerzen verbunden, denn: Kjell leidet an Muskeldystrophie Duchenne, ein Gendefekt, der Muskelschwund als Symptom mit sich bringt. Durch den fortschreitenden Krankheitsverlauf kann Kjell mittlerweile nur noch Kopf und Hände bewegen. „Die Lebenserwartung der Erkrankten liegt bei ungefähr 30 Jahren. Manche sterben aber auch bereits im Jugendalter“, weiß Lena Ballhaus zu berichten. Sie teilt sich mit Lohrmann die Klassenleitung der Klasse 7 an der Oberhausener Christoph-Schlingensief-Schule mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung.

Bis zu einer OP im Herbst vergangenen Jahres habe der 14-Jährige regelmäßig den Unterricht besucht. „Es war vorher schon klar, dass die OP ein großes Risiko mit sich bringt. Im Endeffekt hat sie auch nicht den Effekt gebracht, den wir alle erhofft haben“, sagt Ballhaus. Sitzen in seinem Rolli sei für den 14-Jährigen schon vor der Operation nur noch für eine kurze Zeit möglich gewesen. Im Klassenraum liegt deswegen auch eine Matte, auf die Kjell dann, mithilfe einer Krankenschwester, die ihn begleitete, hingelegt werden konnte. Die Matte liegt immer noch an derselben Stelle im Klassenraum. Doch Kjell wird sie wahrscheinlich nie wieder nutzen.

Spendenaktion über Gofundme für Kjell aus Voerde

„Kjell ist, so sagen seine Ärzte, in seiner letzten Lebensphase angekommen“, schreiben Jessica Kebe und Katrin Tenbuß-Rütz. Die beiden Frauen sind im Elternrat der Klasse und haben nun eine Spendenaktion über Gofundme für Kjell und seine Familie gestartet. „Seit mehreren Wochen benötigt Kjell spezielle Medikamente, die aktuell nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Außerdem arbeiten seine Eltern zur Zeit weniger, um soviel Zeit wie möglich bei Kjell im Krankenhaus sein zu können“, heißt es in dem Spendenaufruf. Auch die langen Fahrten in die Uniklinik nach Essen würden die Familie zusätzlich belasten. Seit einigen Tagen muss er in dem Krankenhaus auf einer Spezialstation versorgt werden, denn zu seiner Erkrankung hat er zudem noch eine Lungenentzündung bekommen. Einer seiner Lungenflügel kann kaum noch belüftet werden. „Wir wollen den Eltern durch die finanzielle Unterstützung wenigstens eine kleine Sorge nehmen“, begründet Jessica Kebe im Gespräch mit der NRZ ihre Motivation, die Spendenaktion zu starten.

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Bereits nach kurzer Zeit haben die Organisatorinnen schon mehr als 5.600 Euro über Gofundme generiert. „Das ist Wahnsinn, einfach großartig“, zieht Kebe ein erstes Zwischenfazit. Sie freue sich über jede weitere Spende für die Familie. Wie lange Kjell nämlich noch genau leben wird, wisse niemand. „Kjell hat ganz viel Angst, denn er weiß, dass sein Zustand kritisch ist“, sagen seine Lehrerinnen, die auch jetzt noch im engen Austausch mit ihrem Schüler und seinen Eltern stehen. Zwar zeige der Jugendliche eine Lernbehinderung, jedoch sei er „kognitiv voll da“, so Ballhaus. Kjell sei noch ruhiger geworden, als er es zuvor schon war. „Er hat noch nie viel gesprochen, ist sehr besonnen, aber trotzdem lustig und immer für einen Spruch zu haben“, beschreibt die 28-jährige Miriam Lohrmann den 14-jährigen Jungen.

Oberhausener Lehrerinnen: „Das alles ist unglaublich hart und traurig, auch für uns“

Vor allem mit seinem besten Freund hat Kjell immer Spaß. „Dabei sind die beiden total konträr“, sagen die Lehrerinnen. Während sie Kjell eben eher zurückhaltend und schüchtern charakterisieren, sei sein bester Freund „laut und wild“. Trotzdem verbindet die beiden Jugendlichen ein „extrem inniges Verhältnis“. Wie der Junge es auffassen wird, wenn Kjell bald nicht mehr da ist, bereite den beiden Lehrerinnen schon jetzt Sorgen. „Er versteht durch seine geistige Behinderung jedoch die Tragweite des Ganzen noch nicht so richtig, ist aber ein sehr emotionaler Mensch“, sagt Lohrmann. Um ihn und natürlich auch die anderen Klassenkameraden auf das Schlimmste vorzubereiten, gibt es derzeit eine Unterrichtsreihe zum Thema Sterben, Tod und Trauer. „Das alles ist unglaublich hart und traurig, auch für uns“, geben Ballhaus und Lohrmann zu.

Es sei leider nicht das erste Mal, dass ein Kind der Schule an seiner Krankheit stirbt, jedoch: „Es ist das erste Mal, dass wir einen Schüler unserer Klasse verlieren“, sagen die beiden 28 und 30 Jahre alten Lehrerinnen. Um so lange wie möglich den Kontakt zu Kjell zu halten und ihm das Gefühl zu vermitteln, nicht alleine und der Klasse weiterhin zugehörig zu sein, telefonieren die Mitschüler mit ihm regelmäßig per Videoanruf oder beziehen ihn in Abstimmungen ein, „und wenn es nur ist, welche Pizza beim Übernachtungsabend in der Schule gegessen wird“.

Ausflug mit der ganzen Klasse in den Duisburger Zoo

Das letzte Mal gesehen haben sich Kjell und seine Mitschüler im Mai, beim Ausflug in den Zoo nach Duisburg. „Das haben wir Kjell über den Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser zum Geburtstag geschenkt“, erinnert sich Lehrerin Lohrmann. Gemeinsam hätten die Kinder und Klassenlehrerinnen mit Kjell und seiner Familie bei ihm zu Hause gefeiert. „Er hat nicht viel gesagt, man hat ihm aber angesehen, dass er das alles still genossen hat“, so die 28-Jährige.

„Er hat noch nie viel gesprochen, ist sehr besonnen, aber trotzdem lustig und immer für einen Spruch zu haben“

sagen seine Lehrerinnen Lena Ballhaus und Miriam Lohrmann über den schwerkranken Kjell

Richtig „glücklich“ sei er jedoch beim Zoo-Besuch gewesen. „Kjell war zuvor noch nie im Zoo und wir wollten unbedingt, dass er einmal Pandabären live sieht und dort gibt es ja zumindest die Roten Pandas“, lauteten die Beweggründe der Lehrerinnen, den Ausflug mithilfe der Malteser zu organisieren. Der Herzenswunsch-Krankenwagen erfüllt nämlich die Wünsche von unheilbar kranken Menschen. Der Ausflug sei ein berührendes Erlebnis gewesen, für die Lehrerinnen, die Klassenkameraden – aber vor allem für den Pandabären-Liebhaber Kjell.

Wer die Spendenaktion des Elternrates unterstützen möchte, kann über die Plattform Gofundme spenden.