Dinslaken. Im Interview verrät Dinslakens Bügermeisterin Michaela Eislöffel, warum die ersten 100 Tage im Amt ganz anders verlaufen sind, als erwartet.
Die Kommunalwahl im vergangenen Jahr hat die politische Landschaft in Dinslaken kräftig aufgewirbelt: Mit Michaela Eislöffel (parteilos) ist nicht nur eine neue Bürgermeisterin im Amt sondern auch die Zusammensetzung des Stadtrats hat sich verändert.
Die SPD stellt nicht mehr den Bürgermeister – Michaela Eislöffel wurde im Wahlkampf von Grünen und CDU unterstützt. Die Grünen selbst sind deutlich gewachsen, die AWG hat nun Fraktionsstatus. Am Dienstag, 9. Februar, ist die Bürgermeisterin offiziell 100 Tage im Amt, am Donnerstag vor 100 Tagen hat sich der Stadtrat konstituiert. Wir haben Michaela Eislöffel und die Parteien um eine Bilanz gebeten und starten mit der Zwischenbilanz der Bürgermeisterin.
Wie bewerten Sie die ersten 100 Tage als neue Bürgermeisterin, wie bewerten Sie die ersten 100 Tage Arbeit des Stadtrats?
Michaela Eislöffel „Meine persönliche 100-Tage-Bilanz sieht ganz anders aus, als ich dies zu Beginn meiner Kandidatur erhofft und erwartet hatte. Damals war die Corona-Pandemie noch kein Thema, heute bestimmt sie den Alltag und als Bürgermeisterin übernehme ich die Verantwortung, wie die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger am besten durch die Krise kommen.
Dies ist nicht die Zeit, um wichtige politische Weichenstellungen vorzunehmen, wie man es eigentlich in einer klassischen 100-Tage-Bilanz erwartet. Wir leben in Telefon- und Videokonferenzen, es finden keine Veranstaltungen statt, das öffentliche Leben läuft auf Sparflamme. Das macht es mir gerade ein bisschen schwer.
„Alte Entscheidungen müssen auch mal hinterfragt werden“
Dennoch bleibt die politische Diskussion ja nicht stehen. Wichtige Entscheidungen für die Zukunft sind zu treffen, alte Entscheidungen müssen auch mal hinterfragt werden, ob sie noch in die Zeit passen. Mit Blick auf die Zusammensetzung des neuen Rates wird es zu viel mehr inhaltlichen Diskussionen kommen. Das ist jetzt bereits absehbar, das halte ich aber auch für einen notwendigen Schritt hin zu stärkerer Transparenz und der Übernahme von Verantwortung. Damit haben die Bürgerinnen und Bürger ihre Stadtverordneten beauftragt, ohne einzelnen Parteien eine feste Mehrheit zuzusprechen.
„Ich erlebe den Rat bislang als sehr diskussionsfreudig“
Ich erlebe den Rat bislang als sehr diskussionsfreudig. Er wird inhaltlich neue Schwerpunkte im Bereich der nachhaltigen Entwicklung, der Mobilität, der Digitalisierung und der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ins Spiel bringen.
Aber auch der Rat und seine Ausschüsse müssen pandemiebedingt andere Wege finden, die wichtigen Entscheidungen gut vorzubereiten und zu fällen. Allerdings sind in diesem Jahr auch Bundestagswahlen und ich habe den Eindruck, dass so manche Diskussion in den ersten 100 Tagen des neuen Stadtrats schon vom Kampf um die Stimmen für die anstehenden Wahlen geprägt war.
Welche Erfolge gibt es aus Ihrer Sicht?
Michaela Eislöffel „Die Bahn signalisiert Gesprächsbereitschaft beim Neubau des Bahnhofsgebäudes. Verwaltung, Bevölkerung, Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände stehen zusammen, wenn es um die Pandemie-Bekämpfung geht. Die Entscheidung zum Industrie- und Gewerbegebiet in Barmingholten gibt die Gelegenheit, das Geschehen noch einmal neu zu bewerten.
Aktuell gibt es einen konstruktiven Dialog mit Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern in Bezug auf Transporte zum Impfzentrum nach Wesel. Zuversichtlich gehe ich davon aus, dass auch diese wichtige Unterstützung unserer älteren Mitmenschen im Zusammenwirken mit unserer Stadtgesellschaft gut gelingen wird.“
Was hätte besser laufen können?
Michaela Eislöffel „Die coronabedingte Einschränkung der politischen Arbeit hatte ich bereits erwähnt, hier hätten eine bessere technische Ausstattung, aber auch weitergehende rechtliche Möglichkeiten sicher bessere Arbeitsbedingungen eröffnet. Der Kontakt und die Kommunikation zu den Fraktionen und einzelnen Ratsmitgliedern könnte noch besser laufen. Hier gibt es noch viel zu viele Einbahnstraßen und möglicherweise auch taktische Überlegungen.“
Was erhoffen Sie sich für den Rest der Wahlperiode?
Michaela Eislöffel „In erster Linie einen gemeinsamen Weg zwischen Rat, Verwaltung und Bevölkerung. Einen Weg, der von Transparenz und offener sachlicher Argumentation bestimmt wird und der das bestehende Misstrauen nach und nach zurückdrängt. Wir alle haben das Wohl unserer Stadt im Auge. Bei aller berechtigen Interessenvertretung müssen wir uns aber an die demokratischen Spielregeln halten und das Allgemeinwohl in den Mittelpunkt stellen.
„Mein Ziel ist es, Dinslaken für seine Menschen lebenswert und für die Region zu einem attraktiven Standort zu machen“
Und dann hoffe ich, dass wir recht bald wieder zur persönlichen Begegnung von Mensch zu Mensch zurückfinden können. Dies ist die Grundlage für die Lebensqualität in unserer Stadt. Dies ist aber auch die Basis, dass Wirtschaft, Handel und Dienstleistungen wieder in Gang kommen. Mein Ziel ist es, Dinslaken für seine Menschen lebenswert und für die Region zu einem attraktiven Standort zu machen.“
Fragen: Anja Hasenjürgen
>>Hintergrund
Neben der Bürgermeisterin haben wir auch sämtliche Ratsfraktionen um eine 100-Tage-Bilanz gebeten. Die Stellungnahmen werden wir in den folgenden Tagen veröffentlichen.
Michaela Eislöffel ist parteilos und wurde im Wahlkampf von den Grünen und der CDU unterstützt. Bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 landete sie mit 37,22 Prozent der Stimmen knapp hinter dem damaligen Amtsinhaber Michael Heidinger (SPD/41,41 Prozent). Die Stichwahl am 27. September gewann sie mit 55,1 Prozent der Stimmen vor Michael Heidinger (44,9).
Der Stadtrat setzt sich seit der Wahl so zusammen: SPD 17 Sitze, CDU 14, Grüne 12, UBV 6, FDP 4, Linke 4, Partei 3, AWG 2.