Dinslaken. Die „Partei“ kritisiert in einem Video fremdenfeindliche Kommentare auf Facebook. Das Video zeigt auch bekannte Persönlichkeiten der Stadt.
Hat Dinslaken ein Rassismus-Problem? Diese Frage thematisiert die Partei „Die Partei“ in einem Video. Der siebenminütige Beitrag mit dem Titel „Das Grauen in den Sozialen Medien in Dinslaken“ wurde der Partei nach eigenen Angaben von einem anonym bleiben wollenden Künstler mit der Bitte um Veröffentlichung „zugespielt“. Darin werden Personen aus Dinslaken – unter anderem Bürgermeisterin Michaela Eislöffel, die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss oder Comedian Roland Donner – gezeigt und „Rassismus“ in Dinslakener Facebookgruppen angeprangert.
Das zeigt das Video
„Die folgenden Bilder können verstörend wirken. Sie spiegeln jedoch die bittere Realität wider“ warnt ein Intro. Danach folgen Aufnahmen aus Dinslaken, ein „Gartenverein Immergrün“, ein – kaum verpixelter – Ausschnitt aus einem Video der Bürgermeisterin (Thema: Corona) sowie ein ebenfalls leicht verpixelter Videoausschnitt, der im Vorfeld des Auftritts von Sabine Weiss vor fünf Jahren bei der Talkrunde „Das Maaß ist voll“ entstanden ist: Die parlamentarische Staatssekretärin fährt in einem Cabrio mit Roland Donner und dem Duo „Thekentratsch“ vor. Eine inszenierte Szene. Im anschließenden „Kapitel 1 - Rassismus“ werden die Mitglieder der größeren Dinslakener Facebookgruppen zusammengezählt mit der Schlussfolgerung: „Insgesamt umfassen diese 4 Gruppen 45.084 Mitglieder. Das wären 64,20 % der Einwohner:innen.“
Im Kleingedruckten folgt der Hinweis, dass es möglicherweise Mehrfachmitgliedschaften aber eben auch „noch mehr Dinslakener Gruppen auf Facebook“ gebe. Die „Recherche“ des Künstlers, der von sich im Plural schreibt, umfasse die vier größten Facebookgruppen in Dinslaken („Dinslaken aktuell“, „Wenn Du in Dinslaken aufgewachsen bist“, „Dinslaken Aktuell Unzenziert“, „Du kommst aus Hiesfeld, wenn“) sowie die Social-Media-Präsenz der NRZ Dinslaken und der Stadt Dinslaken. Es folgen – ohne weitere Quellen- oder Zeitangabe – Screenshots fremden- und flüchtlingsfeindlicher Kommentare, die nach Angaben des anonymen Künstlers aus den genannten Facebookgruppen stammen. Die Posts sind laut Zeitstempel der jeweiligen Screenshots zwischen einem Tag und fünf Jahren alt.
Den Kommentaren werden – ebenfalls ohne Quellenangaben – Kriegsbilder aus Syrien gegenübergestellt: entsetzliche Aufnahmen von verängstigten, flüchtenden, verschütteten, hungernden und toten Kindern, von weinenden, trauernden Eltern. Die Schlussfolgerung in dem Video zeigt den Slogan „Dinslaken. Die tolerante Stadt“ und den Aufruf: „Lasst uns bitte in Zukunft dafür sorgen, dass es nicht nur ein Slogan bleibt“ – gefolgt von Artikel 3 (Gleichheitsgrundsatz) des Grundgesetzes.
Das sagen Partei und „Künstler“
Die Partei hat alle Fraktionen im Stadtrat sowie Bürgermeisterin Michaela Eislöffel angeschrieben und einen Link des Videos geschickt. Auf ihrer Facebookseite bittet sie, den Film zu teilen, „um so ein gemeinsames Zeichen gegen den vorherrschenden Hass im Netz zu setzen.“ Vielleicht erreiche der Film auch die Nachbarstadt Voerde, so die Partei, wo jüngst der Antrag, die Stadt zum „Sicheren Hafen“ für Flüchtlinge zu erklären, keine Ratsmehrheit fand.
Das Video wird im Netz kontrovers diskutiert. Die Partei hat auf eine entsprechende Anfrage der NRZ keine Stellung bezogen. Der anonyme Künstler lässt auf der Facebookseite der Partei erklären, dass es sich bei dem Film um das „erste Kapitel einer geplanten Dokumentationsreihe“ handele. „Hierzu haben wir im Intro Bilder gewählt, die dem Zuschauer einen Eindruck von Dinslaken vermitteln. Dieses Intro wird auch in den folgenden Kapiteln wiederkehren.“ Ziel sei, „einen Dialog anzustreben und dieses allgegenwärtige Problem nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Scheinbar haben wir in den letzten 76 Jahren seit Kriegsende vergessen, welch schreckliches Leid Kriege mit sich bringen. Deshalb haben wir uns entschieden, diese Kommentare mit solch harten Szenen in Zusammenhang zu bringen“, so der oder die Künstler. Man habe keine Facebookgruppen angreifen wollen, reagierte er auf entsprechende Kritik. Er selbst wolle aus Angst vor „rechten Gruppen“ anonym bleiben.
Reaktionen aus Politik, Netz und von dargestellten Personen
Sabine Weiss, frühere Dinslakener Bürgermeisterin und nun parlamentarische Staatssekretärin der CDU, war nicht über ihren „Auftritt“ in dem Video der „Partei“ informiert worden. Selbstverständlich wende auch sie sich gegen Rassismus. Aber sie wende sich auch gegen die implizite Unterstellung, dass große Teile der Dinslakener Gesellschaft rassistisch seien. Das spiele nur Rechten in die Karten. Im übrigen halte sie es für fragwürdig, das Leid in Syrien dazu zu nutzen, „um Parteiwerbung zu machen.“
Comedian Roland Donner sieht sich ebenfalls in einen falschen Kontext gesetzt. „Eine Frechheit“, sagt er. Das Video schade seiner Person und dem Format „Das Maaß ist voll“. Eine Wiederholung des Intros werde er nicht akzeptieren und fordert die Partei auf, dies zu ändern.
Reaktionen aus der Politik
Keine andere Partei hat das Video weiterverbreitet. Alle Parteien wenden sich in ihren Stellungnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und teilen damit die Intention des Films. „Leider stellt der Film aber einen Kontext zu Dinslaken und Dinslakener Gesichtern her, der nicht zutrifft. Das ist die falsche Botschaft des Films.“ Rassismus im Netz sei „kein Dinslakener Phänomen. Es gibt in Dinslaken unzählige Beispiele für großes soziales Engagement und praktizierter Nächstenliebe“, so Heinz Wansing (CDU).
Der Film instrumentalisiere das „unermessliche Leid der Menschen in Syrien auf voyeuristische Art und Weise“, so Reinhard Wolf (SPD). Zudem enthalte es den „unterschwelligen Vorwurf an die Admins der Facebook- Gruppen, sie würden bewusst rassistisches Gedankengut stillschweigend dulden, indem sie derartige Kommentare nicht löschen.“ Das sei nicht der Fall.
Dinslaken werde dargestellt, als wäre der Slogan ‘Die tolerante Stadt’ „nur eine Worthülse“, findet Ingo Kramarek, Ratsherr der UBV und Admin der Facebookgruppe „Dinslaken aktuell“. Aber „Dinslaken ist eine tolerante Stadt! Das hat die Stadt schon oft genug bewiesen. Nur die Menschen, die sich in dieser Art und Weise über soziale Medien mitteilen müssen, sind es nicht.
Gerald Schädlich (FDP) spricht von „Effekthascherei“, die Linken haben die Partei nach den Quellen für das Video gefragt – und keine Antwort erhalten. Die Grünen teilen das „Engagement gegen rassistischen Hass in den sozialen Medien“ aber distanzieren sich „vom gewählten Format“, so Chris Reimann. Stadt Dinslaken und Bürgermeisterin wollen sich zu dem Video nicht äußern.
Reaktionen aus dem Netz
Die Administratoren der großen Facebook-Gruppen teilen ebenfalls die Absicht, ein Statement gegen Rassismus zu setzen. „Allerdings finden wir es nicht hinzunehmen, dass nicht nur unsere Gruppe, sondern auch bekannte Dinslakener Persönlichkeiten in dem Video vorkommen und somit mit rassistischen Kommentaren in Verbindung gebracht werden“, so die Admins von „Wenn Du in Dinslaken aufgewachsen bist“. Auch sie selbst würden „in einen rassistischen Kontext gestellt“. Ein in dem Video genanntes Zitat konnten sie einer Diskussion über das Sicherheitspersonal der Din-Tage zuordnen. Die 138 Gegenkommentare zu dem fremdenfeindlichen Post seien nicht berücksichtigt worden.
Administratoren der „Du kommst aus Hiesfeld“-Gruppe konnten einen Kommentar ebenfalls zuordnen. Es ging um die Frage, ob in eine leerstehende Kneipe nun ein Friseur oder eine Shishabar einziehe. Auch sie fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.