Voerde. Voerde wird nach einem Beschluss des Landtages künftig mit linksrheinischen Kommunen eine Einheit bilden. Grüne sehen dies als Schachzug der CDU.
Ein Beschluss des NRW-Landtages von Ende Januar ruft die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Voerde auf den Plan. Die Stimmen, die dort bei der Landtagswahl im nächsten Jahr abgegeben werden, fallen dann einem anderen, bis dato ausschließlich mit linksrheinischen Kommunen besetzten Wahlkreis zu: Voerde wird nach einem durch die Landtagsfraktionen von CDU und FDP herbeigeführten Beschluss nicht mehr dem Wahlkreis Wesel III mit aktuell auch Hamminkeln, Schermbeck, Hünxe und Wesel auf der rechten Rheinseite zugeordnet sein, sondern dem Wahlkreis Wesel II, dem heute Alpen, Xanten, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Sonsbeck und Vluyn angehören. Ganz Neukirchen-Vluyn wird künftig mit Moers einen Wahlkreis bilden.
Grünen verweisen auch auf Abschneiden der CDU in Voerde bei der Landtagswahl 2017
Die Voerder Grünen wähnen hinter der Neuzuordnung von Voerde einen Schachzug der Christdemokraten, durch den die Wiederwahl ihrer Abgeordneten Charlotte Quik im Wahlkreis Wesel III „praktisch gesichert“ sei. Grünen-Fraktionschef Stefan Meiners und Hans-Peter Weiß, der für die Partei als sachkundiger Bürger tätig ist, argumentieren mit Quiks vergleichsweise schlechtem Abschneiden in Voerde bei der Landtagswahl 2017. Hatte die Christdemokratin sich am Ende knapp gegen Norbert Meesters (SPD) durchsetzen können, war in Voerde das Votum mit rund 2400 Stimmen Vorsprung klar zugunsten des sozialdemokratischen Kandidaten ausgefallen. Mit dem Neuzuschnitt des Wahlkreises würden „die vielen Tausend Gegenstimmen aus Voerde“ nicht mehr gegen sie zählen, merken Meiners und Weiß an. Noch deutlicher vor dem damaligen CDU-Bewerber Norbert Neß lag SPD-Kandidat Meesters in Voerde bei der Landtagswahl 2012, die er für sich entschied. Die Sozialdemokraten ließen die CDU auch bei den Zweitstimmen klar hinter sich.
Für Meiners und Weiß ist der von CDU und FDP getragene Beschluss des Landtages, die Kommune an das linke Rheinufer zu verlegen, ob der Wahlergebnisse „einfache Mathematik“. Und: In Voerdes neuem Wahlbezirk sei die NRW-CDU „ohnehin chancenlos“, was offenbar auch der dort direkt gewählte SPD-Abgeordnete René Schneider so sieht. Noch am Tag der Entscheidung teilte er mit, dass er „künftig auch die Stadt Voerde im NRW-Landtag“ vertrete. Das wiederum wollte Charlotte Quik so nicht stehen lassen. Sie erwiderte, bis „zur Wahl im Mai 2022 auf Landesebene die Ansprechpartnerin für alle Bürgerinnen und Bürger aus Voerde“ zu sein und auch darüber hinaus „immer ein offenes Ohr für Voerde“ haben zu wollen.
CDU-Abgeordnete verweist auf Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes
Sie persönlich habe nicht für die Neuzuordnung Voerdes zum Wahlkreis Wesel II gestimmt, „da die Fraktionen während der Plenarsitzungen wegen der Coronapandemie nur in ,Drittel-Stärke’ tagen und sie an dem Tag „nicht im Landtag anwesend war“. Die Entscheidung ihrer Fraktion könne sie aber voll mittragen, betont Quik. Zum Hintergrund erklärt die Abgeordnete, dass der Landtag mit der Entscheidung, einige Landtagswahlkreise neu einzuteilen, den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes folge.
Auf die Frage, inwiefern der Neuzuschnitt des Wahlkreises Wesel III ob der geografischen Einheit, die Hamminkeln, Hünxe, Schermbeck, Voerde und Wesel bilden, und der sich daraus mitunter ergebenden thematischen Nähe überhaupt Sinn macht, antwortet Quik mit einer Gegenfrage: „Macht es Sinn, die Kreisstadt Wesel zu trennen, damit Voerde mit zum Beispiel Schermbeck und Hamminkeln in einem Wahlkreis bleibt? Voerde bleibt doch als Ganzes erhalten. Durch den Neuzuschnitt bleibt die Kreisstadt Wesel einem Wahlkreis zugeteilt und wird nicht zerschnitten. Im Zuge der Neuordnung können nun auch die kreisangehörigen Städte Rheinberg und Neukirchen-Vluyn einem Wahlkreis zugeordnet werden und sind nicht mehr auseinandergerissen.“ Den Vorwurf der Grünen, die Neuzuordnung Voerdes sei politischem Kalkül der CDU geschuldet, weist die Abgeordnete zurück: „Alle Umfragen seit der Landtagswahl 2017 sehen den Wahlkreis Wesel III auch in der bisherigen Zusammensetzung bei der CDU, die letzte erst vor wenigen Tagen.“
Grüne in Voerde sprechen von „manipulierender“ Entscheidung
Die Grünen in Voerde fürchten, dass die Menschen dort die Leidtragenden des Neuzuschnitts sein werden. Diese dürften „deutlich weniger Unterstützung durch die Landespolitik nach der Wahl 2022“ erwarten – „insbesondere für Voerder Kern-Themen“ wie die Folgenutzung des alten Kraftwerksareals. „Die linke Rheinseite hat ganz andere Probleme als wir“, betont Stefan Meiners. „Deswegen werden wir uns weiterhin nach Kräften bemühen, dass diese manipulierende Entscheidung der selbst ernannten ,NRW-Koalition’ revidiert wird. Wenn noch möglich, auch vor der Landtagswahl 2022“, kündigt die Fraktion der Voerder Grünen in ihrer Mitteilung an.
Die grüne Landtagsfraktion hat sich übrigens nicht nur bei der Einzelabstimmung über den von CDU und FDP vorgeschlagenen Neuzuschnitt der beiden Wahlkreise Wesel II und III, sondern auch bei der Gesamtabstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes enthalten.
>>Info: Der vorgeschlagene und der beschlossene Neuzuschnitt
Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes für das Land NRW ist nicht mehr die Zahl der Einwohner, sondern die der Wahlberechtigten das Kriterium bei der Einteilung der 128 Landtags-Wahlkreise in NRW. Zudem greift beim Zuschnitt der einzelnen Wahlkreise eine neue, niedrigere Obergrenze. Deren Größe darf von der durchschnittlichen Wahlberechtigtenzahl aller Wahlkreise um maximal 15 Prozent nach unten oder oben abweichen. Der Wahlkreis Wesel III habe aufgrund des Gerichtsurteils angepasst werden müssen. Dieser „wäre mit Hamminkeln, Hünxe, Schermbeck, Voerde und Wesel ,zu groß’ gewesen“, erläutert die CDU-Landtagsabgeordnete Charlotte Quik.
Gemäß dem Gesetzentwurf der Landesregierung wäre Voerde allerdings im rechtsrheinischen Wahlkreis Wesel III verblieben und stattdessen das auf der linken Rheinseite liegende Büderich – ein Ortsteil von Wesel – dem Wahlkreis Wesel II zugeordnet worden. Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP jedoch brachten einen Änderungsantrag ein, der jetzt eben zum Tragen kommt: Die Stadt Wesel verbleibt komplett im Wahlkreis Wesel III und die Stadt Voerde wird dem linksrheinischen Wahlkreis Wesel II zugeordnet.
Zu ihrem Vorstoß, der viele weitere Änderungsvorschläge zum Neuzuschnitt von Wahlkreisen beinhaltete, beantragten die Fraktionen von CDU und FDP im Landtag eine Abstimmung Punkt für Punkt. Das Ergebnis führt die CDU-Abgeordnete Quik ins Feld: In der Einzelabstimmung hätten „gegen den Neuzuschnitt der Wahlkreise im Kreis Wesel weder Grüne noch SPD gestimmt, nur die AfD“. Sozialdemokraten und Grüne hatten sich in dem Punkt enthalten.