Dinslaken. „Mehr Tango geht nicht“: Cordula Sauter ehrte im Dachstudio den großen Komponisten des Tango Nuevo, dessen Geburtstag sich zum 100. Mal jährte.
Im März diesen Jahres wäre der Ausnahmekomponist Astor Piazzolla 100 Jahre alt geworden. Das nahm Akkordeonistin Cordula Sauter zum Anlass, sein Leben auf der Bühne des Dachstudios Dinslakens zu erzählen und seine Werke vorzutragen.
Sie eröffnet mit einem Musikstück Piazzollas. Gefühlvoll spielt sie leise und sanft ein Stück des Komponisten, der den Tango Nuevo etablierte, und legt damit den Grundstein für einen stimmungsvollen Abend. Dann erzählt die Musikerin und Schauspielerin: Astor Piazzola wird 1921 in Argentinien als Kind von Eltern italienischer Herkunft geboren. Auf Grund der schlechten Wirtschaftslage zieht die Familie nach New York. Dort entdeckt Piazzolla seine Liebe zur Musik durch das Klavierspiel in der Nachbarschaft und den Tango, den er auf den Schellackplatten seines Vaters hört. Dieser schenkt ihm als Achtjähriger sein erstes Bandoneon, ein Handzuginstrument. Der Vater fördert ihn, weil er an sein Talent glaubt, und so lernt Astor Piazzolla Klavier und Bandoneon zu spielen. 1937 dann geht die Familie zurück nach Argentinien, wo Piazzolla 1939 ins Orchester von Aníbal Troilo aufgenommen wird, in dem er den Spitznamen „Grünschnabel“ erhält. Piazzolla nimmt Klavier- und Kompositionsunterricht und gründet mit 25 Jahren sein eigenes Orchester. Mit 33 Jahren schreibt er die „Sinfonietta“, erhält dafür den nationalen Kritikerpreis und ein Stipendium für Europa.
Zum Studium nach Paris
Mit seiner Frau Dedé geht er nach Paris, um bei Nadia Boulanger Komposition zu studieren. Als er ihr nach einigen eigenen Partituren einen Tango vorspielt, sagt sie: „Du Idiot! Merkst du nicht, dass dies der echte Piazzolla ist, nicht jener andere?“. Diesen Rat nimmt er an und gründet bei seiner Rückkehr nach Argentinien 1955 das Ensemble Octeto Buenos Aires, mit dem er den Tango neu interpretiert. Allerdings unterscheidet sich dieser so sehr vom ursprünglichen Tango, dass er mit dem Tango Nuevo Argentinien gegen sich hat und als Gewalttäter, Gestörter und Mörder beschimpft wird. Erst als er in Europa Erfolge feiert, wird er auch in seinem Heimatland anerkannt. Mitte der 1980er Jahre.
Cordula Sauter erzählt die Geschichte lebhaft. Je nach Situation ist sie energisch, mitfühlend oder hat ein Lächeln auf den Lippen. Ihre angenehme Sprechstimme und der sprachliche Ausdruck machen es dem Zuhörer leicht, ihren Worten zu folgen und ihr wirklich zuzuhören. Auch die eingebauten Dialoge, wenn sich zum Beispiel Piazzolla für das Orchester von Aníbal Troilo bewirbt oder wenn er mit seinem Sohn spricht, lassen die Erzählungen lebendig werden. Dies bewirkt auch das Vorspiel auf dem Akkordeon.
Die Musikstücke sind ein Wechselspiel aus ruhiger und bewegter Musik und ziehen das Publikum in den Ort des Geschehens. Cordula Sauter spielt jedes Stück mit Hingabe. Besonders das Stück „Adios Nonino“, das Piazzolla zu Ehren seines verstorbenen Vater komponierte, sticht dabei heraus.
Zum Schluss weiß wahrscheinlich jeder der Anwesenden, was es bedeutet, wenn Astor Piazzolla sagt: „Mehr Tango geht nicht. Er ist das moderne Buenos Aires.“ Der Komponist verstarb 1992 in Folge eines Schlaganfalls in Buenos Aires.