Dinslaken. Tests sind seit Montag für die meisten Bürger kostenpflichtig. Am Dinslakener Gesundheitszentrum Lang blieben viele Erwachsene der Station fern.
In hellblauem Schutzkittel und mit FFP2-Maske im Gesicht begrüßt Pharmaziestudentin Maike Koch Mutter Joanna und ihren Sohn Fabian. „Möchtest du lieber einen Lolli-Test?“, fragt die Studentin. Der Achtjährige nickt. „Dann bitte kräftig aus dem Hals husten und den Mund öffnen.“ Routiniert lässt der Grundschüler das Stäbchen im Mund kreisen. „Unter die Zunge, über die Zunge, links und rechts“, erklärt ihm die Testerin. Nach wenigen Sekunden hat es Fabian geschafft. Das Ergebnis bekommt seine Mutter per Mail.
Der Achtjährige kennt das Prozedere bereits von den regelmäßigen Testungen im Unterricht. Das Besondere: Weil am Freitag die Herbstferien begonnen haben, muss sich Fabian seinen Nachweis in der schulfreien Zeit bei einer Teststelle abholen. Seine Mutter hat ihn deshalb am Montag zur Coronatest-Station am Gesundheitszentrum Lang in Dinslaken gefahren. „Wir wollen ins Gasometer und morgen schwimmen gehen“, erzählt Joanna. Zahlen braucht sie für ihren Sohn nichts. Erwachsene müssen für die Kosten hingegen seit Montag bundesweit selbst aufkommen.
Gratis-Tests: Viele Bürgerinnen und Bürger nutzten den letzten Tag
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„Heute Vormittag lassen sich überwiegend Kinder testen“, erzählt Christian Kühl. Der 33-Jährige ist im Auftrag der Dinslakener Malteser Apotheke für die Leitung der beiden Teststellen am Gesundheitszentrum Lang und am Neutorplatz zuständig. „Dass kaum Erwachsene kommen, wundert mich aber nicht.“ Am Sonntag habe es einen regelrechten Ansturm auf die letzten kostenlosen Tests gegeben. „Das war wirklich heftig“, berichtet Kühl. „Wir mussten die Leute sogar nach der regulären Öffnungszeit teilweise nach Hause schicken.“ Ob die Bürger bereit seien, Geld für ihren Test zu zahlen, lasse sich frühestens Mittwoch beobachten.
Deike Lemberg fährt mit ihrem Mann und den drei Kindern im schwarzen Van vor. Die Mutter kurbelt die Fenster herunter und öffnet die hintere Tür. Ihre beiden Töchter (5 und 7) und der neunjährige Sohn werden direkt im Auto getestet. Ihr Sohn entscheidet sich für den Schnelltest durch die Nase, die Geschwister greifen lieber zum Lolli-Test. „Wir sind mit den Kindern oft im Zoo - die kennen das“, sagt Deike. Dass die Nachweise für die meisten Bürger nun nicht mehr kostenlos sind, könne sie verstehen. „Ich glaube aber, dass dann mehr Fälle nicht bekannt werden, weil Leute aus prekären Verhältnissen sich die Tests nicht leisten können.“
Sinkende Nachfrage: Malteser Apotheke musste ihr Angebot anpassen
Eine sinkende Nachfrage beobachten die Betreiber bereits seit Wochen. In der Hochphase seien am Neutorplatz und Gesundheitszentrum jeweils drei Mitarbeiter gleichzeitig im Einsatz gewesen, so Kühl. „Jetzt haben wir hier nur noch eine und am Neutorplatz zwei Personen, die die Tests durchführen.“ Zudem wurde das Angebot angepasst: Statt einer Station im Gesundheitszentrum und einer auf dem benachbarten Parkplatz hat seit Montag nur noch der „Drive-In“ vor dem Gebäude geöffnet. Und auch die Öffnungszeiten wurden reduziert.
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Nur so könne die Malteser Apotheke den Preis von zehn Euro pro Test aufrechterhalten. „Uns ist wichtig, den günstigsten Preis anzubieten, der möglich ist“, so der Leiter der Teststationen. Die meisten Leute hätten dafür auch Verständnis. „Wir hatten heute Morgen einen Mann hier, der völlig empört war und ohne Test wieder weggefahren ist“, sagt Kühl. Das sei aber die absolute Ausnahme. Einen Großteil der Kunden würden seine Mitarbeiter sogar bereits mit Namen kennen. „Wir sind mit vielen per Du.“ Auch die Stimmung innerhalb seines Teams sei trotz aller Widrigkeiten durchweg positiv.
Kritik an kostenpflichtigen Tests: Sozial Schwache werden benachteiligt
Ein älterer Herr fährt mit seiner Ehefrau vor. „Wir sind beide geimpft, aber meine Frau braucht einen Test für die Reha. Sie hatte Anfang der Woche eine Knie-OP“, erzählt der 67-Jährige. Ob er die zehn Euro erstattet bekommt, wisse er nicht. Aus seiner Sicht seien die kostenpflichtigen Nachweise eine „Bevormundung“. Ähnlich sieht das eine ungeimpfte Mutter, die lieber anonym bleiben möchte: „Ich muss den Test für mich und meine ältere Tochter bezahlen. Das sind bei einem Zoobesuch gleich 20 Euro mehr“, beklagt die Frau. „Da überlegt man es sich schon zweimal, ob man etwas unternimmt.“
Kühl kann die Kritik einiger Kunden verstehen. Dass durch die kostenpflichtigen Tests vor allem sozial schwache Familien benachteiligt werden, sei ärgerlich. „Wir können bei dem Preis aber nicht nach Gehalt unterscheiden. Das ist nicht händelbar“, so der Leiter. „Außerdem haben mittlerweile fast alle Bevölkerungsgruppen ein Impfangebot erhalten. Das ist ein zweischneidiges Schwert.“ Während Kühl spricht, fährt das nächste Fahrzeug vor. „Wir hatten jetzt 30 Testwillige in drei Stunden“, zieht der 33-Jährige eine vorläufige Bilanz. „Wenn das so bleibt, ist alles in Ordnung.“
>>> Verband fordert Gratis-Tests für Wohnungslose
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. fordert kostenlose und leicht zugängliche Schnelltests für Wohnungslose. Durch die Pandemie habe sich die prekäre Lebenslage wohnungsloser Bürgerinnen und Bürger „dramatisch verschlechtert“, so die Geschäftsführerin Werena Rosenke. Um die Gesundheitsrisiken nicht zu erhöhen, benötigten Wohnungslose reibungslosen Zutritt zu Einrichtungen und Unterkünften. Zudem brauche es bundesweit einheitliche und verlässliche Bestimmungen.