Dinslaken. Im ausverkauften Fantatival-Konzert zog es den Kölner Reggae-Star vom ersten Lied an auf Tuchfühlung zu seinen Fans – und das im Nieselregen.
Es war gut, dass Gentleman nicht nur mit hervorragenden Musikern, sondern auch mit gleich drei Sängerinnen im Fantastival auftrat. Denn sonst wäre die Bühne im Burgtheater am Donnerstag ziemlich leer geblieben. Gentleman zog den Graben vor. Immer eng an der Absperrung entlang, immer im direkten Kontakt mit den Fans. Bis er es irgendwann nicht mehr aushielt und über das Gitter kletterte. Hoch auf die Treppe zwischen Block A und Block B, umringt von den Fans und diese sogar umarmend. Nach zwei Jahren Wartens wegen der Coronapandemie nahm Gentleman das Bad in der Menge im Nieselregen: „Ohne Scheiß, es tut halt so gut nach der langen Zeit.“
Dank an Fans und Freilicht AG
„Dinslaken“, keiner hat mitgezählt, wie oft er den Städtenamen in die Menge rief. Manchmal steigerte er es: „Dinslaken und ihr aus Duisburg“, „Ruhrgebiet“, „Kölle“. Da kommt er selber her, der evangelisch-lutherische Pastorensohn, den es noch als Teenager zum ersten Mal nach Jamaika zog und der von dort den Reggae mit nach Deutschland brachte wie kein anderer zuvor. 2020 veröffentlichte die „Blaue Stunde“ sein erstes Album auf Deutsch. Das war das Jahr, in dem er auch zum zweiten Mal im Fantastival auftreten sollte. Am Donnerstag wurde er nicht müde, sich nicht nur bei den Fans zu bedanken, die schon vor zwei Jahren für das ausverkaufte Burgtheater gesorgt haben und so lange ihre Tickets „am Kühlschrank hängen hatten“, sondern immer wieder bei den Ehrenamtlichen der Freilicht AG, bei der von der Pandemie besonders getroffenen Veranstaltungsbranche. Techniker, Caterer, Security. Gentleman hätte sie an dem Abend gefühlt alle umarmen können, es blieb bei dem Fan im Publikum, dessen Bart er besonders spektakulär fand.
Gentleman schafft den Spagat, Roots Reggae, also den traditionellen Reggae von Bob Marley, mit Texten über seine „Plautze“, die der 48-Jährige entwickelt hat, und über „Staubsauger“ zu kombinieren. Letzteres fand er sogar gewagt. Aber er hat sich etwas dabei gedacht: Staubsauger sind dafür da, den ganzen Dreck zu beseitigen. Eine Metapher also. Gentleman bleibt auch textlich in der Tradition von Bob Marley. Seine Songs sind Statements.
Und die Show in Dinslaken war es ebenso. Ein Fest der Liebe. Klingt kitschig, war es aber nicht. Es war authentisch und um sentimental zu werden, waren die Basslinien viel zu schwer, die Beats zu afro-karibisch und das Spiel von Saxofonistin Johanna zu druckvoll. Tamika Otto (Gentlemans Eheliebste), Nely Allarabaye Daja und Melane Nkounkolo hatten kurz vor 21 Uhr die Möglichkeit, sich als Gesangssolistinnen vorzustellen – bevor Gentleman seinen großen Auftritt im Graben hatte.
Eine starke Stimme gab es auch vorab: King LX (sprich: King Alex) ist ein fantastischer Soulsänger aus Hamburg – die zwei Pandemie-Jahre, in denen neue Acts nicht aufgebaut werden konnten, führt derzeit dazu, dass als Support echte Geheimtipps auf den Bühnen stehen. Gentleman holte ihn später noch für ein Duett auf die Bühne.
Von „Superior“ bis zum brandneuen „What Dem A Gon Do“: Die Fans sangen, tanzten, wischten mit ihren Händen den Nieselregen beiseite, damit sich das karibische Feeling im Burgtheater ausbreiten konnte. „Dinslaken, danke!“ – Danke ebenso, Gentleman.