An Rhein und Ruhr. In diesem Jahr haben die Bauern weniger Probleme, Erntehelfer aus Osteuropa zu bekommen. Aber in der Pandemie gilt es, viele Regeln zu beachten.
Routiniert schlägt Vasile Cimpean die Folien zurück, sticht mit dem schmalen, langen Spargelmesser nahe des Köpfchens in den Damm, schneidet die Spargelstange an, zieht sie heraus und legt sie in die rote Plastikbox auf dem kleinen Schubwagen. Cimpean ist Profi, der Mann aus Aiud in Siebenbürgen arbeitet jetzt bereits im zwölften Jahr auf den Feldern des Hünxer Spargelbauerns Dirk Buchmann. Trotz Corona läuft es in diesem Jahr gut. Besser als im vergangenen Jahr, als die Ernte schlecht ausfiel und deutsche Helfer einspringen mussten, weil wegen der Pandemie zu wenig osteuropäische Saisonarbeiter kamen.
2020 war ein schwieriges Jahr für die Spargelbauern an Rhein und Ruhr. Die Ernte brach um 20 Prozent ein, berichtet Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer beim Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer. Nicht nur wegen der Dürre, sondern auch, weil es ab Ende März zwischenzeitlich einen Einreisestopp für die Saisonarbeiter aus Osteuropa gab. Selbst als sie mit einer Sondergenehmigung einreisen durften, hielten die Probleme an. „Viele Polen wurden von Horrorszenarien in den polnischen Medien über die Corona-Situation in Deutschland abgeschreckt, etliche Rumänen hatten Angst, sich im Flugzeug anzustecken“, erinnert sich Muß.
Spargelernte am Niederrhein: Ein Knochenjob auf dem Feld
Für die Spargelbauern kam das einer Katastrophe gleich. Sie sind wie viele andere Landwirte auf die Helfer aus Osteuropa angewiesen. Die Arbeit auf den Feldern ist ein Knochenjob, einheimische Arbeiter sind schwer bis unmöglich zu finden. So lief auch die Rekrutierung inländischer Erntehelfer im vergangenen Jahr enttäuschend.
Zwar hätten sich zunächst Tausende Freiwillige nach entsprechenden Aufrufen für einen Ernteeinsatz gemeldet, so Muß. „Allerdings gab es bei den Freiwilligen häufig zeitliche oder gesundheitliche Einschränkungen, die eine Erntetätigkeit unmöglich machten.“ Einige Hundert hätten die Arbeit aufgenommen, jedoch hätten etliche die Arbeit kurzfristig wieder beendet, weil „ihnen die Arbeit zu anstrengend oder zu eintönig war“.
Erntehelfer sind bis zu 60 Stunden wöchentlich auf dem Feld
Spargelbauer Buchmann hatte bessere Erfahrungen gemacht. „Uns haben inländische Helfer über die Zeit ohne die Osteuropäer geholfen.“ Sie hätten 18 Deutsche im Einsatz gehabt, die in halben Schichten mit jeweils fünf Stunden einige Wochen durchgehalten hätten.
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Cimpean und seine Kollegen stehen bis zu 60 Stunden in der Woche auf den Feldern. Um seinen Rücken zu schonen, hat der 46-Jährige sich einen Bauchgurt angelegt, wie man sie von Gewichthebern kennt. Probleme? „Minimal“, sagt er und lächelt. 9,50 pro Stunde sind für ihn viel Geld, auch wenn er 200 Euro monatlich für die Unterkunft zahlt.
Corona-Maßnahmen: Testen, testen, testen
Aktuell hat Dirk Buchmann 35 Helfer im Einsatz, die meisten stammen wie Cimpean aus Rumänien, einige aus Polen. Auch diese Spargel-Saison steht im Schatten von Corona. Buchmann muss für sie die digitale Einreiseanmeldung ausfüllen, sie brauchen einen negativen Test. Nach ihrer Ankunft lässt sie Buchmann nochmals von einer Mitarbeiterin testen, die hauptberuflich in einer Arztpraxis arbeitet, nach drei Tagen folgt der nächste Schnelltest.
Pro Woche lässt Buchmann die Truppe einmal testen, auf freiwilliger Basis. „Es machen aber alle mit“, beteuert er. Die Unterkünfte werden jeden Tag desinfiziert. Dafür ist Reiner Krauthoff zuständig, der Hygienebeauftragte. „Wir haben auch eine Quarantäne-Station eingerichtet, für den Fall, was Gott verhüte, dass sich mal ein Mitarbeiter infiziert.“
In den vergangenen Jahren ging die Zahl der osteuropäischen Erntehelfer auch deshalb zurück, weil die wirtschaftliche Situation in ihrer Heimat besser geworden ist. Es lohnte sich für viele einfach nicht mehr. Jetzt scheint es eine Trendwende zu geben. „Möglicherweise hängt das mit dem Brexit zusammen“, mutmaßt Muß. Der Zugang zum Arbeitsmarkt in Großbritannien ist schwieriger geworden.
Vermutlich auch deshalb interessieren sich nur wenige Landwirte für ein Programm, über das die Arbeitsagentur bis zu 5000 Erntehelfer aus Georgien anwerben wollte. Gerade einmal 80 Stellen für Georgier hätten Bauern in NRW angemeldet, berichtet der Sprecher der Regionaldirektion.
Im vergangenen Jahr hatte Spargelbauer Dirk Buchmann häufig Besuch von den Behörden. Arbeitsschutz, Gesundheitsamt, Zoll. „Wir hatten innerhalb von zwei Wochen sechs Kontrollen. Da stand ich kurz vor einem Burnout.“ In diesem Jahr gab es seit dem Start der Spargelsaison Anfang April noch keine Kontrollen. Noch, sagt Buchmann, gebe es keine „volle Arbeit“ für seine Leute, das Wetter ist zu unstetig. Wenn es in den kommenden Tagen etwas wärmer wird, wird sich das ändern.
Auf dem Feld ist Vasile Cimpean entspannt. Angst vor Corona? Er grinst, klopft sich auf den Oberarm. „Ich habe zwei Spritzen bekommen.“ Er ist mit Biontech geimpft.
Hintergrund: Über 50.000 Erntehelfer kommen nach NRW
Im vergangenen Jahr meldeten sich rund 30 Betriebe beim Provinzialverband, in denen Erntehelfer positiv auf das Corona-Virus getestet worden waren. Meist, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Peter Muß, seien das Menschen gewesen, die neu aus Osteuropa eingereist waren. Vor allem also Einzelfälle. „Zwischen dem, was in den Schlachthöfen und unseren Betrieben geschehen ist, lagen Welten.“
Jedes Jahr kommen zwischen 50.000 und 60.000 osteuropäische Erntehelfer nach NRW. Etwa 60 Prozent stammen aus Rumänien, 30 Prozent aus Polen, zehn Prozent aus Bulgarien.