Dinslaken. Jedes sechste Kind in Dinslaken ist von Kinderarmut betroffen. Diese und weitere Zahlen waren Thema bei einem Diskussionsabend der Diakonie.

In Dinslaken sind überdurchschnittlich viele Kinder arm. 16,5 Prozent der Kinder hier sind von Kinderarmut betroffen, leben also in einem Haushalt, der Sozialleistungen bezieht. Dieser Wert war eine der beunruhigenden Botschaften bei einem Online-Diskussionsabend der Evangelischen Akademie im Rheinland und der Diakonie Dinslaken zum Thema „Ungleiches NRW: Vor welchen Herausforderungen stehen Kommunen wie Dinslaken?“ an der Bürgermeisterin Michaela Eislöffel und Diakonie-Geschäftsführerin Alexandra Schwedtmann teilnahmen.

Im Rahmen der Studie „Ungleiches Nordrhein-Westfalen“der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden Kommunen in NRW anhand von Kriterien wie Kinderarmut, Arbeitsplätze, Mieten oder kommunale Verschuldung hinsichtlich künftigen Herausforderungen untersucht. Prof. Dr. Stefan Fina, Inhaber der Professur „Analyse und Monitoring urbaner Räume“ an der RWTH Aachen und Mitautor der Studie, stellte die dabei erfassten Daten für Dinslaken vor.

So steht Dinslaken im NRW-Vergleich da

Soziales: Mit 16,5 Prozent Kinderarmut liegt Dinslaken über dem NRW-Schnitt (11.2 Prozent). Ein „virulentes Problem“ seien zudem die Netto-Kaltmieten. Mit 7,06 Euro pro Quadratmeter liegt Dinslaken über dem NRW-Schnitt (6,80 Euro). Eine „hohe Wohnkostenbelastung“ sei nicht nur ein „Treiber der Armutsgefährdung“, so Fina, sondern auch für „Verdrängung in Lagen innerhalb der Stadt, die dann stigmatisiert und Belastungen wie Lärm- oder Umweltbelastungen ausgesetzt werden.“

Kommunale Finanzen: Wichtiger Indikator für die Handlungsfähigkeit von Kommunen seien die Gewerbesteuern. Hier liegt Dinslaken mit Einkünften in Höhe von 350 Euro pro Einwohner im unteren Bereich der Skala, in der zweitniedrigsten Klasse in NRW. Wesel etwa nimmt 717 Euro Gewerbesteuern pro Kopf ein und liegt damit in der besten Klasse. Bei der Verschuldung kommunaler Haushalte liegt Dinslaken nach der Studie mit 1647 Euro Schulden pro Einwohner unter dem NRW-Schnitt (2108 Euro pro Kopf).

Arbeitsplätze: Der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigten ist mit 12,5 Prozent etwas höher als der NRW-Schnitt (12,1 Prozent), die Beschäftigungsquote von Frauen (52,4 Prozent) hingegen etwas niedriger als im Land (55,9 Prozent). Mit einem Anteil von 12,5 Prozent hat Dinslaken mehr Pendler mit einem Weg über 50 Kilometer als NRW im Durchschnitt (9,9 Prozent). Ganz schlecht steht die Stadt bei der Breitbandversorgung da: 1,1 Prozent der Haushalte in Dinslaken verfügen über mehr als 1Gbit/Sekunde, in NRW sind es 30,8 Prozent.

Es gelte also, die Integration in Dinslaken zu verbessern – etwa durch Bildungs- und Arbeitsmarkt-Initiativen für sozial schwächere Gruppen und Zugewanderte – den städtischen Haushalt zu konsolidieren, den Standort für Arbeitsplatzangebote – speziell für Frauen – attraktiver zu machen, Unternehmertum zu stützen, so Fina.

Das sagen Stadt und Diakonie

Das aber ist leichter gesagt als getan. Die Gewerbesteuereinnahmen seien seit Jahren Thema, so Bürgermeisterin Michaela Eislöffel. „Aber wir haben nur eingeschränkt Flächen zur Verfügung“, es gebe zudem Widerstand in der Bevölkerung, diese zu entwickeln sagte Eislöffel wohl mit Blick auf Barmingholten. Kinderarmut sei „ein großes Thema“ und konzentriere sich auf drei Bereiche – laut Bildungsbericht Dinslaken 2021 Lohberg, Innenstadt und Blumenviertel. Für viele Kinder sei es jeden Tag eine Herausforderung, pünktlich in der Schule zu erscheinen.

„Wir sind eines der reichsten Länder der Welt“, sagte Alexandra Schwedtmann, trotzdem wächst in Dinslaken jedes sechste Kind in Armut auf: „Ich kann das kaum aushalten.“ Regelmäßige Wunschbaum- oder Tornister-Verschenkaktionen seien „tolle Ideen“ aber nur „Pflaster, die geklebt werden“. Es müsse sich „grundsätzlich an vielen Stellen etwas ändern“. So müsse etwa die soziale Arbeit und Beratung verstetigt werden – statt sich um die Menschen zu kümmern, seien ihre Mitarbeiter vielfach damit beschäftigt, nach einem Jahr Projektzeit neue Förderanträge zu schreiben. Soziale Arbeit funktioniere nur über Netzwerke, Beziehungen und Vertrauen. Aber „wenn ein Projekt ein Jahr geht, habe ich gerade das Vertrauen aufgebaut, da ist das Projekt schon wieder zuende“, so Schwedtmann: „In Lohberg sagen die Leute: Lohnt es, sich den Namen des Pädagogen zu merken oder kommt sowieso schon in einem Jahr der nächste?“

Die Diakonie habe deswegen ein „Aktionsjahr gegen Kinderarmut“ ins Leben gerufen. Dafür bräuchte man auch die Kommune als Partner. „Wir sitzen ja in einem Boot. Es kann doch keiner wollen, dass so viele Kinder in Dinslaken arm sind“, so Alexandra Schwedtmann.