Dinslaken. Axel Wolff, 2. Vorsitzender der Werbegemeinschaft, über die Entwicklung des Handels in Dinslaken – und was aus Händlersicht getan werden müsste.
Die Innenstadt ist im Wandel – selbst in guten Handelslagen stehen Ladenlokale leer. Unsere Serie „Handel im Wandel“ beschäftigt sich mit der Entwicklung der City. Zum Auftakt haben wir mit Wirtschaftsförderin Svenja Krämer über Handlungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung gesprochen. Im Interview mit Axel Wolff (2. Vorsitzender der Werbegemeinschaft Dinslaken) geht es um die Interessen und Aktivitäten der dort organisierten Händler.
Was sind die Aufgaben der Werbegemeinschaft?
Die Werbegemeinschaft Dinslaken kümmert sich etwa um die Weihnachtsbeleuchtung und -schmuck in der Innenstadt. Eine schön geschmückte Innenstadt und auch der verbesserte Weihnachtsmarkt tragen dazu bei, dass Menschen gerne die Innenstadt besuchen. Außerdem beteiligen wir uns – auch finanziell – an diversen Veranstaltungen und Aktionen in der Innenstadt. Natürlich ist die Werbegemeinschaft sehr klein, das sind alles nur Freiwillige, die da ihren Dienst tun.
Die Werbegemeinschaft hat nur noch 40 Mitglieder
Früher hat sich nahezu jedes Geschäft automatisch der Werbegemeinschaft angeschlossen. Ist das heute noch so?
Wir haben 40 Mitglieder, früher waren es einmal 130, da waren alle Geschäftsleute in Dinslaken involviert. Viele treten aus oder nicht ein, weil die Mitgliedschaft Geld (50 Euro im Monat) kostet, und nicht jeder ist bereit, für eine Sache, die er nicht sofort sieht, Geld zu bezahlen. Die Werbegemeinschaft Dinslaken braucht dringend neue Mitglieder, um die Maßnahmen, die wir zum Wohle der Stadt oder zum Wohle des Einzelhandels unternehmen, zu unterstützen. Die Nichtmitglieder, zum Beispiel Filialen von Ketten, profitieren davon und ich finde es ungerecht, dass sie sich nicht beteiligen. Die Werbegemeinschaft ist wichtig. Viele Dinge, die wir mit unterstützen, würden sonst so nicht funktionieren.
Wo steht die Werbegemeinschaft Dinslaken in zehn Jahren?
Das möchte ich gar nicht wissen.
Es gibt neben der Werbegemeinschaft auch kleinere Zusammenschlüsse von Händlern – Altstadt, Neustraße, die Neutor-Galerie hat eine eigene Werbegemeinschaft und es gibt noch das Stadtmarketing. Wäre es nicht besser, alle zögen an einem Strang?
Es teilt sich immer mehr auf, jeder will nur seine Interessen verwirklichen, und das ist das große Problem. Natürlich finde ich gut, dass es in der Altstadt oder in Hiesfeld eine eigene Werbegemeinschaft gibt. Aber überregional wollen wir ja für Dinslaken werben und nicht für den einzelnen Stadtteil oder Händler. Man sollte mehr Zusammenhalt in Dinslaken zeigen. Mir persönlich wäre am liebsten, dass man Stadtmarketing (Axel Wolff ist selbst Mitglied, Anm. d Red.) und Werbegemeinschaften zusammenlegt und als geballte Kraft versucht, für Dinslaken – also nicht nur für Stadtteile sondern für Gesamt-Dinslaken – etwas auf die Beine zu stellen. Ich hoffe auch, dass der neue Manager der Neutor-Galerie Mitglied unserer Werbegemeinschaft wird, so dass er auch unsere Aktivitäten sieht und man besser zusammenarbeiten kann. Insgesamt gibt es zu viele Strukturen, wir müssten das alles unter einem Dach haben und dann gemeinsam stark nach vorne agieren. Auch Din-Event und Wirtschaftsförderung könnten besser zusammenarbeiten.
Großstadt-Flair rund um den Neutor-Platz
Wie bewerten Sie die Entwicklung der Innenstadt in den vergangenen Jahren?
Was der Bürgermeister da auf die Beine gestellt hat, finde ich schon toll. Gerade um die Neutor-Galerie herum sind die Straßen in einem tollen Zustand, man kann schon fast von Großstadt-Flair sprechen. Andere Städte sind mittlerweile neidisch auf Dinslaken. Da muss ich der Stadt ein großes Lob aussprechen. Auf der anderen Seite können wir die Stadt nicht für den Leerstand verantwortlich machen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung?
Der Leerstand in Dinslaken ist eine Katastrophe – in anderen Städten ist das auch so. Svenja Krämer und Antje van Craeyenest tun eine Menge dafür, dass dieser Leerstand behoben wird. Trotzdem ist es schwer, die Händler nach Dinslaken zu holen. Das ist auch eine Folge der hohen Mieten, die viele Vermieter immer noch fordern. Die Stadt Dinslaken hat regelmäßige runde Tische, das finde ich sehr gut.
Haben Sie als Werbegemeinschaft Handlungsmöglichkeiten gegen Leerstände?
Eigentlich nicht. Wir können auf der Homepage darauf hinweisen, dass Dinslaken ein schönes Städtchen ist, dass man hier eine schöne Einkaufsstadt hat und dass es sich lohnt, als Einzelhändler nach Dinslaken zu kommen. Das wäre mal eine Kampagne, die wir starten können: ‘Kommt nach Dinslaken. Dinslaken ist eine geile Stadt.’ Wir haben eine funktionierende Altstadt mit einem Burgtheater, eine Neustadt, die durch eine Einkaufsstraße verbunden ist, besser geht es doch gar nicht. Eigentlich lebt Dinslaken. Nur – wie überall – gehen die Leute wegen des Online-Handels nicht mehr in die Stadt. Die Online-Händler hinterlassen verbrannte Erde. Der Einzelhandel wird dadurch abgeschafft und damit auch Ausbildungsplätze oder Praktikumsplätze.
Konkurrenz aus dem Internet
Wie können Sie sich als Händler dann gegen den Online-Handel behaupten?
Uns bleibt als Händler vor Ort keine andere Wahl, als auch auf dieses Schiff aufzuspringen und im Onlinebereich zu verkaufen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Andererseits sehe ich auch die Problematik, dass das Fernabsatzgesetz gestattet, Dinge innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen zurückzuschicken. Das gab es im Einzelhandel nicht, und das macht uns kaputt. Es gibt ja Artikel, bei denen nicht zu erkennen ist, ob sie benutzt wurden oder nicht. Oder kostenfreie Rücksendungen – das geht im größten Maße auf Kosten der Händler und lässt sich gar nicht rechnen. Wäre ich Gesetzgeber würde ich das streichen, weil sich viele dann die Rücksendung überlegen.
Hat der Online-Handel Auswirkungen auf das Verhalten der Kunden vor Ort?
Auf jeden Fall. Die Kunden fordern Dinge, die wir umsetzen müssen und Preise, die sie online gesehen haben. Das zieht sich als roter Faden durch alle Branchen. Der Fachhandel wird sterben. Es sei denn, er stellt sich im Internet so breit auf, dass er überlebt. Die Neutor-Galerie wurde vor knapp fünf Jahren eröffnet – ist sie aus Händlersicht eher Konkurrenz oder Gewinn? Die Neutor-Galerie ist natürlich Konkurrenz. Aber wenn sie nicht gekommen wäre, wäre das eine noch größere Katastrophe. Die Galerie zieht auf jeden Fall Leute nach Dinslaken, das tut allen Geschäften gut. Die Gestaltung des gesamten Bereichs um den Neutorplatz ist wirklich gut gelungen und kommt bei den Menschen gut an, das höre ich immer wieder.
Ist das Centro eine Konkurrenz?
Man hat das am Anfang als große Bedrohung gesehen, aber ich glaube eher, dass das Centro positiv ist. Viele Menschen, etwa aus den Niederlanden, kommen in unsere Region und entdecken dabei auch andere Städte. Aber was Textilien anbetrifft, nimmt uns das Centro natürlich einiges weg.
Gastronomie ansiedeln - und einen Herrenausstatter
Neben 1a-Lagen wie der Neustraße gibt es auch 1b-Lagen, in denen noch mehr Leerstände zu verzeichnen sind. Auch die Bahnstraße, an der sich Ihr eigenes Geschäft, Foto Wolff, befindet, ist eine B-Lage. Hat sich die Situation dort durch den Umbau der Straße verbessert?
Wenn man als Einzelhändler bestehen will, muss man eine gute Lage haben. Die Nebenlagen haben immer größere Schwierigkeiten, sich zu behaupten. Durch die neue Parkplatzsituation, die nette Gestaltung und neue Geschäfte hat sich die Bahnstraße verbessert und ist immer belebt.
Was würden Sie sich für die Innenstadt wünschen?
Dass man sich bemüht, noch mehr Gastronomie anzusiedeln, dass die Innenstadt dadurch belebter wird. Die Einkaufszonen sollen nicht irgendwann aussehen wie Geisterstädte und durch Gastronomie wie das Café Barese und den neuen Dets Burgerladen kann man die Leute in die Stadt locken, auch abends.
Welche Rolle spielen Veranstaltungen für den Handel?
Die sind ganz wichtig. Zuletzt hat man das bei der Beach-Party der Neutor-Galerie gesehen. Da waren tausende von Menschen in der Innenstadt die vielleicht sonst nicht nach Dinslaken gekommen wären. Die Veranstaltungen tragen dazu bei, dass viele, die außerhalb wohnen, in Wesel, Voerde, Walsum oder Oberhausen, immer mehr auf Dinslaken aufmerksam werden. Wie wichtig sind verkaufsoffene Sonntage für die Innenstadt? Die sind immer noch wichtig, zumindest in den Premiumlagen – die Seitenstraßen profitieren nicht davon – weil sie eben doch Leute, die nicht in Dinslaken leben, nach Dinslaken locken. Man müsste nur versuchen, das Ganze durch ergänzende Programme noch attraktiver zu machen. Dazu könnte Din-Event beitragen.
Darum gibt es keine einheitlichen Öffnungszeiten
Sind Parkgebühren bei Ihren Kunden ein Thema?
Es wird viel gemeckert. Wobei wir ja in Dinslaken – auch mit der Brötchentaste – eigentlich gegenüber anderen Städten wie etwa Düsseldorf eine entspannte Situation haben. Tiefgaragen werden zum Teil noch nicht einmal genutzt.
Welche Branche vermissen Sie in Dinslaken?
Einen Herrenausstatter! Ich habe bei meiner Größe von 1,90 Metern große Schwierigkeiten, Kleidung in meiner Größe zu kaufen. Überhaupt Fachgeschäfte: Es gab früher einen gut strukturierten Einzelhandel, der nach und nach verloren gegangen ist. Wir haben viele Fachgeschäfte verloren.
Warum schaffen es die Händler in der Innenstadt nicht, die Öffnungszeiten zu vereinheitlichen?
Vor allem aufgrund der Filialisten klappt das nicht. Die haben ihre eigenen Vorstellungen zu Öffnungszeiten, die der Einzelhandel manchmal nicht stemmen kann. Einheitliche Öffnungszeiten hinzubekommen wäre natürlich toll.
Wie sieht die Innenstadt in zehn Jahren aus?
Die Innenstadt wird nur noch Filialisten haben. Es wird keinen Unterschied mehr geben, ob Sie nach Dinslaken, Bocholt, Recklinghausen oder Gelsenkirchen fahren: Die Innenstädte werden alle gleich aussehen. Das wird langweilig für den Verbraucher. Nur noch Filialbetriebe werden die Mieten bezahlen und ihre Preise durchsetzen können, das führt dazu, dass die kleinen Einzelhändler so nach und nach verschwinden werden.
Möchten Sie noch etwas loswerden?
Ich finde, wir Dinslakener sollten uns mehr auf die Schulter klopfen und nach außen hin darstellen, dass Dinslaken eine fantastische Wohnstadt geworden ist und eine schöne Einkaufsstraße hat. Das wünschte ich mir von der Stadt, dass sie mit mehr Selbstbewusstsein sagt: Auf unsere Stadt können wir stolz sein. Es ist eine schöne Stadt am Niederrhein, die lebenswert ist.