Dinslaken. Felix Lobrecht, Kawus Kalantar, Daniel Wolfson und Kinan Al machten auf ihrer „Stand up 44“-Tour Halt im Burgtheater Dinslaken.
Wenigstens mal einer, der gnadenlos ehrlich ist. Noch bevor er den ersten seiner Co-Acts der diesjährigen „Stand up 44“-Tour angesagt hat, disst Felix Lobrecht erstmal Dinslaken. Weil in einer Stadt, deren Wikipedia-Eintrag schon in der zweiten Zeile auf Ereignisse des 14. Jahrhunderts zurückgreifen müsse, absolut nichts los sein könne.
Und das knappe Drittel Dinslakener im jugendlichen Publikum am Donnerstag im Burgtheater scheint im Recht zu geben. Lobrecht fragt, was gut sei an Dinslaken, irgendjemand schreit: „der Wendler“. Immerhin auf Platz zwei kommt der Ententeich („wegen der Kneipe daneben“) und dann die Kirmes („einmal im Jahr“), aber dieses Jahr nicht. Also liefert Lobrecht selbst die beste Antwort: „immerhin: geile Location hier.“ Na also., geht doch.
Von Neukölln nach Köln
Aber wie sollte Dinslaken auch mit dem Ort konkurrieren, von dem Lobrecht und seine Mitstreiter aus ihre Karrieren starteten? Berlin, die Stadt, die Daniel Wolfson mit einem einzigen Bild charakterisiert: „Da steht der Automat mit sterilen Spritzen für die Junkies und irgend so ein Typ benutzt ihn als Urinal.“
Felix Lobrecht – er schaffte es von Neukölln nach Köln zu EinsLive und gewann 2018 die Krone als bester Comedian –, Kawus Kalantar, Daniel Wolfson und Kinan Al, wissen, wovon sie in ihren Programmen reden. Es sind der Alltagsrassismus und der Alltagssexismus, das Streben nach einer Anerkennung, die in Wirklichkeit die vorgegaukelte Illusion von Marketingstrategen ist und der Gruppenzwang in der Clique. Die Sprache ist rau, teilweise brutal, der Humor – gerade bei Lobrecht – zynisch.
Das kommt an, weil die „Narren“, ob Comedians oder Kabarettisten, der Welt den Spiegel vorhalten. Wenn’s nicht so lustig wäre, wär’s traurig. So aber werden die Themen gehört. Von vielen. Die Veranstaltung im Burgtheater war nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda in den sozialen Medien binnen einer Stunde ausverkauft. Ein „Superspreading-Event“ argwöhnt Lobrecht, „aber gegen Coronademos seid ihr alle“. Und so ganz sicher ist man sich nicht, ob er es wirklich locker nimmt, dass einige im Publikum Masken offenbar unattraktiver als ihre geschminkten Lippen finden...
Die Gage wird fair geteilt
Vier Comedians. Einer ist das Zugpferd, das sein Futter, sprich die Gage, fair durch vier teilt, die anderen werden durch das Konzept deutschlandweit bekannt. Kawus Kalantar zum Beispiel, der sich selbst mehr freut, wenn er erkannt wird, als derjenige, der ihn erkennt.
Wie es ihn trifft, wenn der Obdachlose, der an der Straßenkreuzung bettelt, einen Bogen um seinen uralten verbeulten Wagen macht. Dessen Mutter Sorge hat, dass er mit den Chancen, die sich ihm nun in der Comedyszene bieten, „Schande über den Islam“ bringen könnte, der sich aber vielmehr wegen seines Hochbetts in der WG schämt.
Russisches Abendessen für den Spielkamerad
Diese ewigen Klischees wegen der Herkunft der Eltern: David Wolfsons Vater steht dazu, dass sein Deutsch schlecht ist, er schickt die SMS an seinen Sohn durch den Google-Translator. Problematischer wird es, wenn der Spielkamerad vom Sohnemann russisches Abendessen erwartet: Muttern streicht die „urdeutschen Spaghetti Bolognese“ und fährt stattdessen eine Folklore-Show auf. Kinan Al, der aus Syrien stammt und eigentlich in Berlin Medizin studieren sollte, hat noch ein ganz anderes Minderheitenproblem: Er bringt soviel Leibesfülle mit, dass es für ihn keinen „deutschen Pass der Kleidung“ gibt. Die entsprechende Outdoor-Marke halte „atmungsaktive Jacken nicht geeignet für fette Asthmatiker“.
Status-Symbole? Alles nur am Schreibtisch ausgedacht von Strategen, die selbst ihrem Wunschdenken erliegen. Denen empfiehlt Felix Lobrecht Werbung für deutsche Edelkarossen in Shisha-Bars: „Da sind doch die Clan-Mitglieder, die die Karren letztendlich kaufen.“
Das Publikum lacht sich schlapp, je härter die Sprüche, desto mehr. „Alle Männer sind ekelig“, klärt Lobrecht die Mädels im Publikum auf, ob er so tough ist, wie er sich gerne gibt, darf man bezweifeln. Die hässliche Fratze, die aus dem Narrenspiegel blickt, ist in der Regel nicht die des Narren selbst.