Essen. Bei der Wahl der Karnevals-Verkleidung kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen – eigentlich. Denn längst nicht jedes Kostüm ist zeitgemäß.
Wer sich als Kind noch bedenkenlos als „Indianer“ verkleidet hat, würde heute vermutlich zögern – oder etwa nicht? Immerhin gilt selbst die bloße Bezeichnung für die Ureinwohner Amerikas mittlerweile als verpönt. „Was darf man heutzutage überhaupt noch sagen?“, heißt es dann oft. Während manche an dieser Stelle die so gerne ins Feld geführte „Political Correctness“ eher belächeln, richten sich andere nach ihr.
Wo aber enden die Grenzen der Kreativität und des guten Geschmacks? Erlaubt ist vieles, Verkleidungs-Verbote gibt es wenige. Rein gesetzlich sind zum Beispiel Nazi-Kostüme in Deutschland verboten. Sie verstoßen gegen mehrere Gesetze, etwa das Verbot von verfassungsfeindlichen Symbolen (geregelt in § 86a StGB). Das öffentliche Zeigen von Symbolen nationalsozialistischer Organisationen, wie dem Hakenkreuz, der SS-Rune oder ähnlichen Zeichen, ist in Deutschland strafbar. Diese Symbole stehen für eine menschenverachtende Ideologie und dürfen daher nicht verwendet werden – auch nicht in Kostümen.
Geld- oder Haftstrafe für Tragen von Nazi-Kostümen
Das Verbot soll verhindern, dass nationalsozialistische Ideologien verbreitet oder verharmlost werden. Verstöße gegen dieses Verbot, das übrigens nicht nur für Karneval oder Halloween gilt, können mit Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden.
Ein klarer Fall. Andere Kostüme hingegen verstoßen „nur“ gegen den guten Geschmack, über den sich bekanntlich streiten lässt. Bereits 2017 hat das Kölner Forum gegen Rassismus und Diskriminierung mit der öffentlichen Plakatkampagne „Ich bin kein Kostüm!“ auf unangebrachte Verkleidungen aufmerksam gemacht, die kulturelle Grenzen überschreiten. Was aber macht manche Verkleidungen heutzutage so problematisch?
Minderheiten („Indianer“)
Im Zusammenhang mit dem „Indianer“-Kostüm gibt es gleich mehrere Punkte, die es so umstritten machen. Die Bezeichnung als solche gilt schon als problematisch, hinzukommen das Bagatellisieren von historischer Unterdrückung, kulturelle Aneignung und das Bedienen von Stereotypen und Klischees.
Indianer-Kostüme bedienen oft vereinfachte und herabwürdigende Darstellungen, die auf historischen Missverständnissen und medialen Verzerrungen beruhen. Außerdem wird das Tragen von Elementen indigener Kulturen als Kostüm als respektlos empfunden, da es heilige oder zeremonielle Gewänder aus ihrem Kontext reißt und das ist für viele Indigene verletzend. Viele ihrer Vorfahren wurden über Jahrhunderte hinweg unterdrückt und daran gehindert, ihre eigene Kultur auszuleben. Sie nun zur Belustigung als Kostüm zu tragen, kommt einer Beleidigung gleich.
Gilt das auch bei Kindern, die sich gerne als „Indianer“ verkleiden möchten - etwa, weil sie die Serie „Yakari“ so mögen und dem Sioux-Indianer nacheifern? Der Rassismus-Forscher Karim Fereidooni klärt auf und Eltern schildern ihre Sicht auf die Debatte - hier geht's zum Artikel.
„Kulturelle“ Kostüme
Die verletzende Darstellung ganzer Volksgruppen oder Ethnien, die auf billigen Stereotypen beruhen, hört beim „Indianer-Kostüm nicht auf. Weitere Beispiele sind etwa die Verkleidung als Afrikaner (in Fellröcken mit Ketten aus Knochen und Afro-Perücken), als Mexikaner (mit Sombrero und Poncho) oder auch schlicht als Chinese (mit spitzem Hut und Kimono). Viele der Elemente dieser Kostüme entsprechen nicht der Realität der Kulturen und nähren falsche Vorstellungen.
Ein weiteres Beispiel ist etwa die Verkleidung als Geisha oder Pocahontas. Hier kommt neben der kulturellen Aneignung und dem Bedienen von Stereotypen die Exotisierung und Objektivierung hinzu.
Blackfacing
Das Blackfacing, also das Anmalen weißer Menschen mit dunkler Farbe im Gesicht, um sich als Schwarze darzustellen, hat eine weitreichende Geschichte. Blackfacing hat seinen Ursprung in rassistischen Praktiken des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den USA, wo es in „Minstrel Shows“ verwendet wurde, um schwarze Menschen zu karikieren und als minderwertig darzustellen. Weiße Darsteller schminkten sich damals mit gebranntem Kork und karikierten afroamerikanische Menschen, ihre Kultur und ihr Verhalten auf respektlose Weise.
Blackfacing reproduziert rassistische Fantasien und Stereotype, die aus der Zeit des europäischen Kolonialismus stammen und ist für People of Color ein Symbol für das Trauma des Rassismus und der Versklavung. Es kann als extrem beleidigend empfunden werden, auch wenn es als Hommage gedacht ist. Ein prominentes Beispiel: Thomas Gottschalk berichtete 2021 in der WDR-Talk „Die letzte Instanz“ von einer Kostümparty in Los Angeles, bei der er als Jimi Hendrix verkleidet das erste Mal erfahren habe, „wie sich ein Schwarzer fühlt“. Ein riesiger Shitstorm folgte.
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Serien-Killer
Zugegeben, dieser Trend ist schon länger her: Im September 2022 erschien auf Netflix die Serie „Dahmer - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“. Ein großer Erfolg, der sich auf den Karneval 2022/2023 auswirkte. Etliche Jecken verkleideten sich als der Serien-Killer: markante Brille, Häftlings-Overall oder kariertes Hemd und vielleicht sogar eine blonde Perücke.
Was für viele wie eine einfache, witzige Kostümidee wirkt, ist für die Familien und Angehörige der Opfer ein Schlag ins Gesicht. Für Überlebende und Angehörige der Opfer kann eine solche Verkleidung traumatische Erinnerungen hervorrufen und als Verherrlichung von Gewalt gesehen werden.
Trans-Menschen
Auch hier gilt: Die Lebensrealität einer Randgruppe ist kein Kostüm. Für viele Trans-Personen ist mit ihrer Geschlechtsidentität ein langer Leidensweg verbunden. Mit Verkleidungen, die das Trans-Sein ins Lächerliche ziehen, degradiert man diese Personengruppe.
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Fatsuit
Ein Fatsuit ist eine Art Anzug, mit dem man seine Körperform verändern kann. Was eigentlich für Theater- und Filmproduktionen entwickelt wurde und zuletzt im oscarprämierte „The Whale“ eindrucksvoll eingesetzt wurde, um Hauptdarsteller Brendan Fraser als extrem übergewichtig darzustellen, kann auch als Karnevalskostüm zweckentfremdet werden.
Ob jetzt mit einem Fatsuit oder einem Kissen unterm Shirt: Das Verkleiden als übergewichtige Person ist respektlos denen gegenüber, die zu viel wiegen. In den Medien und der Gesellschaft werden übergewichtige Menschen ohnehin oft diskriminiert und lächerlich gemacht, solche Verkleidungen verstärken diese Stereotype nur weiter.
Sexistische Verkleidungen
Wenns die Temperaturen zulassen, kann eine Verkleidung auch gerne mal luftiger ausfallen. Wenn es aber in Richtung Sexismus geht, sollte man aufpassen. Klischees wie die „sexy Krankenschwester“ oder die Polizistin im knappen Dress werten die Arbeit der Berufsgruppen ab und machen die Frau zum Objekt.
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