Essen. Wie schnell gerät man in die Falle von Love Scammern? Das wollte unser Reporter Leon Pollok herausfinden – und hat den Selbstversuch gewagt.
„Hallo, wie geht es dir? Ich bin froh, ein Match mit Ihnen gemacht zu haben, nichts würde mich glücklicher machen, als Sie kennenzulernen“, ploppt die Nachricht in der Dating-App auf. Eine halbe Stunde vorher: Ich plane ein Experiment. Wie leicht gerate ich in die Fänge von Liebesbetrügern im Internet? Sogenannte Love Scammer spielen ihren Opfern die große Liebe vor. Tatsächlich geht es ihnen aber nur um ihr Geld. Am Ende steht nicht selten der finanzielle Ruin. Wie gehen die Betrüger vor? Und wie erkennt man den Betrug?
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Um das herauszufinden, melde ich mich bei Lovoo an, einer der beliebtesten Datingplattformen in Deutschland. Dafür brauche ich zuerst eine Fake-Identität. Und so wird aus mir, Leon, 24 Jahre alt, Renate, 62 Jahre alt, aus Essen. Ich erstelle mir eine Fake-E-Mail-Adresse und generiere mithilfe von künstlicher Intelligenz ein Profilbild, das eine ältere Frau mit Brille, Ohrringen, grauen Haaren und einem freundlichen Lächeln zeigt. Das perfekte Opfer, denke ich, denn vor allem ältere Menschen geraten oft ins Visier der Betrüger.
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Als Renate schreibe ich ein paar sympathisch aussehende Männer auf Lovoo an: „Hallo, wie geht es dir? Liebe Grüße Renate“. Michael Dubois antwortet mir sofort. Auf seinem Profilfoto trägt er ein grünes Shirt und scheint in einer Bar oder einem Restaurant zu sitzen. Seine braunen Haare sind nach hinten gekämmt, sein Bart gepflegt, die Zähne gerade und weiß.
„Hallo, wie geht es dir? Ich bin froh, ein Match mit Ihnen gehabt zu haben, nichts würde mich glücklicher machen, als Sie kennenzulernen. Herzliche Grüße, Michael.“ Dass man sich auf Datingplattformen siezt, ist eher ungewöhnlich. Andererseits kommt Michael laut seinem Profil auch nicht aus Deutschland, sondern aus Caderousse in Frankreich. Möglicherweise arbeitet er mit einem Übersetzungsprogramm, denke ich.
Wir kommen ins Gespräch. „Ich freue mich, dich kennenzulernen“, schreibe ich ihm. Und: „Was machst du?“ Er sei Agrarimporteur und arbeite für große Schokoladenunternehmen wie Lindt oder Ferrero. Ob ich Schokolade mag, fragt er. Natürlich! Wer nicht? Ich erzähle ihm meine „Geschichte“: Mein Mann sei gestorben, wir hätten früher ein Juweliergeschäft gehabt. Seitdem sei ich auf der Suche nach der großen Liebe.
Er antwortet wieder innerhalb von Sekunden. Es tue ihm leid, was mir widerfahren ist. Auch er lebe allein, sei seit fünf Jahren geschieden. Er habe eine siebenjährige Tochter, jedes zweite Wochenende würde er sie sehen. Und dann wird Michael Dubois lyrisch: „Mir ist durchaus bewusst, dass zwischen uns eine große Distanz liegt, aber ich weiß auch, dass die Liebe keine Distanz hat und ich für mein Glück bereit wäre, Berge zu versetzen, um mein Glück zu erreichen.“ Moment mal: Wir kennen uns doch erst seit fünf Minuten!
Selbstversuch auf Lovoo: Nach fünf Minuten meldet sich der erste Liebesbetrüger
Mithilfe der Google Bildersuche nehme ich sein Profilbild genauer unter die Lupe. Das Programm zeigt mir an, wann und wo das Foto im Internet schon benutzt wurde. Das Ergebnis lässt den Betrug von einer auf die andere Sekunde auffliegen: Der Mann, der auf dem Lovoo-Profilbild von Michael Dubois zu sehen ist, heißt eigentlich Ivan Hidalgo und ist ein bekannter spanischer Schauspieler. Er hat das Foto vor einiger Zeit auf seinem Instagram-Profil hochgeladen. Es hat also keine fünf Minuten gedauert, bis der erste Liebesbetrüger sich gemeldet hat.
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Wir konfrontieren die Dating-App Lovoo mit unserem Experiment. Warum können Love Scammer auf der Plattform so leicht ihr Unwesen treiben? Profile würden maschinell geprüft, teilt uns ein Sprecher mit, dabei komme auch künstliche Intelligenz zum Einsatz. Außerdem habe Lovoo eine eigene IT-Abteilung zur Bekämpfung von Fake, Spam und Scam. Zudem gebe es ein spezielles Authentifizierungsverfahren, bei dem man sich selbst mit einem handgeschriebenen Zettel abfotografieren soll. Wird die Authentifizierung verweigert, behalte sich Lovoo vor, das Profil zu sperren.
Tipps der Polizei: So schützen Sie sich vor „Love Scammern“
Trotz dieser Sicherheitsmaßnahmen sind online etliche Liebesbetrüger unterwegs, das Geschäft boomt. Eine Sonderauswertung der Polizei zeigt: 2023 konnte in NRW in 500 Fällen ein Bezug zur „Love Scammer“-Masche hergestellt werden. Dabei sei ein Schaden von mehr als sechs Millionen Euro entstanden. Um sich selbst zu schützen, sollte man laut Polizei auf diese Anzeichen eines Betrugs achten:
- Die Profile antworten innerhalb von Sekunden und sind permanent online.
- Schon nach kurzer Zeit geht es um die große Liebe.
- Die Profile schreiben in sehr verschnörkeltem Deutsch, die Sprache klingt unnatürlich.
- Das Profilfoto des Kontakts lässt sich im Internet anderen Personen zuordnen.
- Der Kontakt interessiert sich sehr schnell für die ganze Lebensgeschichte, insbesondere für die finanzielle Situation.
- Die Profile fordern schnell dazu auf, von einer Dating-App auf private Chats umzusteigen.
- Spätestens wenn die Aufforderung kommt, der Person Geld zu überweisen, sollte der Kontakt abgebrochen werden.
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