Ratingen/Essen. Der Hangrutsch bei Hösel stellt Bahn-Pendler vor eine Nervenprobe. Die Deutsche Bahn kündigt eine Verbesserung an. Doch die dauert noch.
- Die S-Bahnlinie S6 ist seit einem halben Jahr zwischen Ratingen und Essen wegen eines Hangrutschs gekappt.
- Wenigstens der Halt Ratingen-Ost soll noch in diesem Jahr etwas besseren Anschluss bekommen, sagt die Deutsche Bahn.
- Dazu muss die Deutsche Bahn Personal für ein Stellwerk mit Vorkriegstechnik ausbilden.
- Bahn-Pendler in Heiligenhaus und Velbert haben jedoch kaum Aussicht auf Besserung.
Ein halbes Jahr seit der Sperrung der Bahnstrecke der S-Bahnlinie S6 durch einen Hangrutsch bei Ratingen-Hösel, kündigt die Deutsche Bahn eine Verbesserung an: S-Bahnzüge sollen demnächst auch an den Wochenenden von Düsseldorf aus bis Ratingen-Ost fahren und dort wenden. Noch aber müssen sich S6-Nutzer gedulden. Die DB hat den Herbst im Blick - immerhin: in diesem Jahr.
Bis dato fahren S-Bahnen von montags bis freitags nur zwischen 4.30 und 20 Uhr bis Ratingen-Ost. Angestrebt sei, dass der Halt Ratingen-Ost künftig wieder durchgehend an sieben Tagen der Woche aus Richtung Düsseldorf per S-Bahn erreichbar sein wird. Das jedoch werde „voraussichtlich erst im Laufe des nächsten Jahres möglich sein“, sagt ein Bahnsprecher auf Anfrage.
S6-Sperrung: Bahn muss Personal für Stellwerk erst noch ausbilden
Grund ist Personalmangel im Stellwerk Ratingen-Ost. Das 1962 in Betrieb genommene Stellwerk, über den der Bahnverkehr auf der Strecke im Bereich Ratingen und Hösel gesteuert werden muss, ist technisch auf Vorkriegs-Niveau; gemeint ist nicht der Ukraine-, sondern der Zweite Weltkrieg.
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Zuletzt war das Stellwerk seit 2014 nur bei Baustellenbetrieb an der Strecke besetzt, weil es für den normalen S-Bahn-Betrieb im Bereich zwischen Ratingen und Essen nicht mehr gebraucht wird. Doch der Hangrutsch bei Hösel macht alles anders: Damit jetzt S-Bahnen am Bahnhof Ratingen-Ost halten und wenden können, muss das noch mechanisch betriebene Stellwerk wieder arbeiten.
Stellwerk in Ratingen-Ost läuft noch mit Vorkriegstechnik
„Für eine durchgängige Besetzung dieses Stellwerks stehen aktuell noch nicht ausreichend ausgebildete und geprüfte Mitarbeiter zur Verfügung“, teilt die Bahn mit. „Es konnten aber bereits einige neue Kräfte gewonnen und die entsprechenden Ausbildungen gestartet werden“, erklärte der Bahn-Sprecher. Weitere Details nennt er nicht.
Die Qualifikation zum Bedienen von Vorkriegstechnik klingt anachronistisch, ist aber laut DB unter den gegebenen Umständen notwendig. Zugverkehrssteuerer bei der DB, so die Berufsbezeichung, werden seit geraumer Zeit nur noch an elektronischen Stellwerken ausgebildet. Aus Stellenangeboten auf dem Job-Portal Stepstone geht hervor, dass es sich um eine zweijährige Ausbildung handelt, nach der man sich nach einem halben Jahr Praxiseinsatz auf einem Stellwerk zum „Fachwirt für den Bahnbetrieb“ weiter qualifizieren kann, was laut DB weitere zwei Jahre in Anspruch nimmt.
Pro Bahn NRW ärgert sich: Hösel bis auf Weiteres ohne S-Bahn-Anschluss
Für den Fahrgastverband Pro Bahn NRW ist es höchst ärgerlich, dass der für Heiligenhaus und Velbert wichtige Knotenpunkt Ratingen-Hösel seit Mitte Januar durch den Hangrutsch komplett vom Bahnverkehr abgeschnitten ist. Die betroffenen Anlieger-Kommunen und Bundestagsabgeordnete hatten Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Frühjahr einen Protestbrief geschickt. Direkt bewirkt hatte er nichts.
Die DB beharrt nach wie vor darauf, dass sich S-Bahnen nicht bis Hösel weiter führen lassen, um Pendlern dort den Bahn-Anschluss in Richtung Düsseldorf zu ermöglichen: Zwar sei die Strecke intakt und befahrbar, „die Weichenverbindungen und Signale, die für ein Wenden der Züge erforderlich wären, sind in Ratingen-Hösel aber nicht vorhanden. Um die Fahrten der Züge und die Wende in Ratingen-Hösel zu ermöglichen, wären somit umfangreiche Anpassungen und Erweiterungen an der Infrastruktur erforderlich.
DB sieht keine Möglichkeit für einen „Schnellbus“ als S6-Ersatz
ProBahn NRW-Sprecher Ebbers hält das für eine Ausrede der Bahn. „Theoretisch ist es möglich, dass dort alle 40 Minuten eine S-Bahn hält und wenden kann.“ Dies sei organisatorisch zwar komplex, weil die Bahn bei der Rückfahrt das Gleis nicht wechseln kann, meint Ebbers. Aber Bahn-Organisatorisch gibt es Szenarien, die auch diese Möglichkeit beinhalten würden.
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So müssen S6-Nutzer bis auf Weiteres mit Bussen als Ersatz vorliebnehmen und laut Pro Bahn gut und gerne 40 Minuten mehr Zeit je Strecke in Kauf nehmen. Auf Foren findet sich reichlich Nutzer-Kritik, dass es nicht schneller geht. Doch die DB sieht sich in der Zwickmühle: Ein „Schnellbus“ zwischen Essen Hauptbahnhof und Düsseldorf-Unterrath sei „nicht sinnvoll“. Grund: Sie könnten zwar Halte wie Essen-Süd und -Stadtwald auslassen, müssten aber die meist frequentierten Bahnhöfen in Werden, Kettwig, Hösel und Ratingen-Ost anfahren. Das bringe je Strecke höchstens neun Minuten bezogen auf Ratingen-Ost und gerade mal vier Minuten bezogen auf Düsseldorf-Unterrath, rechnet die Bahn vor.
S6-Sperrung: Zu lange Übergangszeiten zwischen S-Bahn und Bus
Die manche Pendler nervenden Übergangszeiten der Ersatzbusse zwischen Ratingen-Ost und Essen-Kettwig Bahnhof seien laut Bahn nicht „unnötig lang“; die kalkulierten 12 bis 13 Minuten seien „ein Puffer für kleinere Verspätungen“ während des 20-Minuten-Takts. Abends und an den Wochenenden im 30-Minuten-Takt hingegen seien 17 bzw. 21 Minuten Bus-Wartepause „tatsächlich sehr lang“, räumt die Bahn ein. Verkürze man die Zeit zwischen S-Bahn-Ankunft und Ersatzbus-Abfahrt jedoch, „gebe es am Endpunkt keinen Mehrwert für Fahrgäste“, sagt der Bahnsprecher, „weil man ja trotzdem keine frühere S-Bahn erreicht.“
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Dass das noch bis mindestens Mitte 2026 so weiter gehen soll, man mag es nicht glauben. Doch am Zeitplan der notwendigen Instandsetzungs-Arbeiten kann laut DB kaum gedreht werden. Um die Bahnstrecke am Tunnel zwischen Kettwig und Hösel nachhaltig zu sichern, muss unter anderem eine massive Spundwand in den Hang getrieben werden. Dies gilt planungsrechtlich als Neubau, nicht als Sanierung.
Planungsverfahren: Bahn hat eigene „Ressourcen massiv verstärkt“
Die Deutsche Bahn betont, man mache Tempo so schnell es gehe. Nur braucht das notwendige Planungsverfahren leider viel Zeit: „Die internen Ressourcen wurden zuletzt noch einmal massiv verstärkt“, sagt der Bahnsprecher. Inzwischen seien 26 Experten und -innen von DB und externen Partnerunternehmen einbezogen, „um Planungs- und Umsetzungszeit so weit wie möglich zu verkürzen“, sagt der Sprecher. „Allerdings gibt es auch Planungsteile – beispielsweise die Planung begleitende Messungen der weiteren Bewegungen im Hang – die nicht beschleunigt werden können, aber für eine belastbare Planung unerlässliche Bestandteile sind.“
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Wenn alles gut geht, könne man im Herbst dieses Jahres die Planungen für die neuen Schutz- und Stützbauwerke abschließen. Dann könne beim zuständigen Eisenbahnbundesamt (EBA) das Genehmigungsverfahren starten. Die Dauer dort? Mehrere Monate. Für den Bau der u.a. 100 Meter langen Beton-Spundwand und den Wiederaufbau der Gleise im Bereich des Hangrutsches rechnete die Bahn zuletzt mit einem halben Jahr Dauer.
Mitte 2026 könnte die S6 demnach frühestens wieder ohne Sperrung zwischen Essen und Düsseldorf verkehren. Beim Fahrgastverband ProBahn NRW verweist Sprecher Lothar Ebbers auf das EBA und möglichen Widerstand betroffener Grundstücksbesitzer im Bereich des Hang-Schadens. Sollte es Einwände geben gegen die geplanten Baumaßnahmen, kann es mit der Freigabe der Strecke „auch Ende 2026 werden.“
(dae)