Mülheim. Das „Rausch 1“-Festival des Theaters an der Ruhr in Mülheim ist gestartet: mit Theater, Musik und Videos. Wie Tag eins im Raffelbergpark verlief.

Der „RAUSCHgenerator“ am Ufer des Raffelbergteiches zieht die Blicke auf sich. Die Skulpturen aus Reagenzgläsern, Glaskolben, Lupen, Kabeln, Trichtern und Schläuchen haben etwas Besonderes, und sie sind irgendwie auch lustig. Später, bei der Premiere von Euripides’ „Die Bakchen“ auf der Open-Air-Bühne, geht es dagegen roh und blutrünstig – kurz gesagt: äußerst dramatisch – zu. Tag 1 des Festivals „Rausch 1“, bei dem fast vier Wochen lang der Raffelbergpark und der Theatersaal im Theater an der Ruhr (TaR) bespielt werden, bietet Theater, Musik, einen Videoparcours und zwei spannende Installationen.

Erklärtes Ziel des Festivals mit seinen zahlreichen Veranstaltungen (darunter vier Premieren) ist es, Bewusstseinszustände jenseits des „Normalen“ und der Ratio zu erforschen. „Es geht um Rausch, Trance und Ekstase. Unsere Projekte zeigen, wie komplex der Begriff und die Idee des Rausches sind“, erklärt Sven Schlötcke vom Leitungsteam des TaR bei der Eröffnung. Das Konzert der Sufi Dub Brothers bietet völlig ungewohnte Musik, eine Kombination aus Melodien, die auf der Sitar (indische Langhalslaute) gespielt werden und elektronischen Klängen und Rhythmen, die im Hip-Hop, Acid oder Dub zu verorten sind.

Illuminiert ist bei der Eröffnungsveranstaltung zum „Rausch 1“-Festival das Gebäude des Theaters an der Ruhr im Raffelbergpark in Mülheim.
Illuminiert ist bei der Eröffnungsveranstaltung zum „Rausch 1“-Festival das Gebäude des Theaters an der Ruhr im Raffelbergpark in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ungewöhnliches Duo mit ungewohnter Musik zu Gast in Mülheim

Die energiegeladenen Sounds des pakistanischen Sitar-Virtuosen Ashraf Sharif Khan und des Hamburger Musikers Viktor Marek, die feine hohe Töne und wummernde Bässe kombinieren, bringen die Zuhörer, die sich im Musik-Zelt zwischen Solbad und Teich eingefunden haben, sogleich in Bewegung. Gut vorstellen kann man sich, dass man sich mit diesen elektrisierenden Songs in eine Art Trance tanzen kann. „Rausch“ signalisiert ein neongrüner, leuchtender Schriftzug, der die Zeltwand schmückt.

Wer dann durch den Park schlendert, entdeckt unter Bäumen oder sogar im Gebüsch Monitore, auf denen Kunst-Videos zu sehen sind. „How can I forget myself?“ heißt die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Videonale-Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen entstanden ist. Sechs Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedenen Ländern sind zu sehen. Kuratorin Tasja Langenbach hat Kunstwerke ausgewählt, die mitnehmen „auf eine Reise in einige von vielen möglichen Welten von Rausch und Ekstase“.

Unter einem Zeltdach tanzen bei der Eröffnungsveranstaltung zum „Rausch 1“-Festival in Mülheim die Besucher. Die Musik der Sufi Dub Brothers ist energiegeladen.
Unter einem Zeltdach tanzen bei der Eröffnungsveranstaltung zum „Rausch 1“-Festival in Mülheim die Besucher. Die Musik der Sufi Dub Brothers ist energiegeladen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Rauschgenerator und Videoparcours in Mülheimer Park

Es lohnt sich, genau hinzuschauen. Dafür braucht man allerdings viel Zeit oder muss mehrfach herkommen. Mal eben vor der Theateraufführung Videos gucken – nicht machbar! Acht bis 40 Minuten dauern die künstlerischen Filme (oftmals mit englischen Texten). Die Ausstellung wird immer eine Stunde vor Programmbeginn eröffnet – selbst dann schafft man es nicht, alle Video-Arbeiten anzugucken.

Der Rundgang zu den Kunstparcours-Stationen endet beim „RAUSCHgenerator“, einer „kinetischen Audio-Destillationsanlage“, die von den RaumZeitPiraten geschaffen wurde. Man fühlt sich in ein Chemielabor versetzt, sieht rätselhafte Gerätschaften mit faszinierender Wirkung. Aber hier geht es auch ums Hören. Die Flüssigkeiten in den Glaskolben blubbern und zischen – und erzeugen eine Klangcollage, die sich immer wieder selbst überschreibt.

Rund 150 Besucher verfolgen die antike Tragödie „Die Bakchen
Rund 150 Besucher verfolgen die antike Tragödie „Die Bakchen" nach Euripides (Regie: Philipp Preuss) im Raffelbergpark in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Sinnliches Theater in Mülheim: „Die Bakchen“ von Euripides

Im Theatergebäude gilt es den „Zabriskie Point“ zu erleben. Der gleichnamige Aussichtspunkt im Death Valley (USA) wurde durch einen Film von Antonioni „zu einer Ikone der Gegenkultur“. Dort sei es möglich, sich selbst und die Umwelt neu zu erfahren, man fühle sich der Normalität entrückt. In einer Vitrine ist das Flimmern des Lichts in der Wüste zu sehen. Video-Aufnahmen an den Wänden bilden den Sternenhimmel ab. Man selbst sieht sich auf einer Projektion als konturloses buntes Wesen, das aus vielen Punkten zusammengesetzt ist und sich – bewegt es sich – immer wieder verändert.

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Pünktlich um 21 Uhr beginnt auf der Open-Air-Bühne die Premiere von „Die Bakchen“ in der Inszenierung von Philipp Preuss, einem der künstlerischen Leiter des TaR. Der Dichter Euripides beschrieb mit seiner Tragödie über den Gott Dionysos und seinen Gegenspieler Pentheus (Herrscher in Theben) schon den Konflikt zwischen Kontrolle und Rausch. Die Produktion ist ein sinnliches Spektakel mit ausdrucksstarken Bildern und treibender Musik, die zuweilen an einen rasenden Herzschlag erinnert. Das Stück wird mehrfach während des Festivals wiederholt. Termine: theater-an-der-ruhr.de

Eine ausführliche Rezension zu „Die Bakchen“ finden Sie unter waz.de/kultur. Fotos zum Abend finden Sie hier: https://www.waz.de/staedte/muelheim/festivalstart-in-muelheim-die-schoensten-bilder-von-rausch1-id239228665.htm