Oberhausen. Drei Tage lang hat sich Burg Vondern in einen mittelalterlichen Jahrmarkt verwandelt. Gegenseitiges Abschlachten als Unterhaltung.

Das kurze Gras der Wiese hinter Burg Vondern ist von der Sonne versengt. Zwei Männer in voller Ritterrüstung kreuzen darauf miteinander die Klingen, die Schwerter in der einen Hand, in der anderen ihre Schutzschilde. Plötzlich fällt dem einen Mann das Schwert aus der Hand. Jetzt könnte sein Gegner ihm den entscheidenden Hieb versetzen. Aber es ist ja nur ein Spiel. Nach vier Jahren findet an der Arminstraße wieder ein Burgspektakel statt.

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Dazu haben sich die Burg und ihr Umfeld drei Tage lang in einen mittelalterlichen Jahrmarkt verwandelt. Aus dem weiten Umland ist fahrendes Volk gekommen. Es hat seine Zelte hier aufgeschlagen und bietet entweder Waren, Speisen und Getränke an oder präsentiert dem Volk Gaukelei und Musik.

Besser arm dran als Arm ab

Dazu gehören auch Ritter in ihren Rüstungen. „Wir haben lange überlegt, ob wir so etwas zeigen sollen“, erklärt Burgherr Walter Paßgang vom Freundeskreis Burg Vondern am Samstagnachmittag mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Am Nachmittag hat eine Feldschlacht stattgefunden. Am Abend steht noch ein Lanzenstechen auf Reitpferden auf dem Programm. „Wir zeigen halt, wie es früher war“, fährt er fort. „Besser arm dran als Arm ab“, das seien doch Sprüche aus dieser Zeit.

Das Mittelalter, vor allem die Zeit zwischen 800 und 1400, es übt auf viele Menschen offenbar große Anziehungskraft aus. Rund die Hälfte der Frauen, Männer und Kinder, die an diesem Tag hier unterwegs sind, sind mittelalterlich gekleidet. Da sieht man Männer mit langen Haaren und Bärten, die teilweise kunstvoll geflochten sind. Von ihren Hüten ragt Federschmuck empor.

Im Sommer Leinen und im Winter Wolle

Ein solcher Mittelalter-Fan ist auch Jörg Fohr aus Bochum. Er gehört der Interessengemeinschaft Bochum 1388 (IG) an. Die Jahreszahl erinnert an eine Fehde zwischen den Bochumern und den Dortmundern. Fohr selbst trägt ein beigefarbenes Leinenhemd und darunter eine weite Shorts, ebenfalls aus Leinen. Sie sieht man nicht, wohl aber die sogenannten Beinlinge darüber, das sind einzelne Hosenbeine. An den Füßen trägt er Wollstrümpfe. Sie stecken in Holzschuhen.

„Im Sommer sind die Beinlinge aus Leinen, im Winter aus Wolle“, sagt der 55-Jährige. Seine Beinlinge sind rot. „Es gab alle Farben“, berichtet er. Gelb sei allerdings die Farbe der Habenichtse gewesen.

Fehde zwischen Bochum und Dortmund

Während die Mitglieder der IG das mittelalterliche Handwerk präsentieren, ist gegenüber das Lager der Bochumer Stadtwache aufgebaut. Das sind die Kämpfer. Einem Jungen aus dem Publikum wird gerade eine Ritterrüstung angelegt. Die Lanze kann er kaum halten. Seine Mutter hält es im Foto fest.

Jörg Fohr berichtet, wie er zu den Mittelalter-Fans gekommen ist. „Ich war schon immer an den Wikingern interessiert“, erzählt er. Die haben aber mindestens 300 Jahre vor der Fehde zwischen Bochum und Dortmund gelebt. „Die Eltern einer Freundin meiner Tochter waren bei der Stadtwache und haben mich zum Mitmachen angeregt.“

Großes Geschick beim Axtwerfen

Schon von weitem machen Trommelwirbel und Dudelsackmusik auf sich aufmerksam. Auf der großen Wiese hinter der Burg sitzt und steht das Publikum im Halbkreis um eine Musikgruppe. Ganz unverstärkt macht sie mächtig Dampf. Die Leute klatschen im Rhythmus mit.

In einem abgezäunten Bereich dahinter unterrichtet ein junger Mann zwei Jungen, wie man das Schwert beim Kampf richtig führt. Und vor einem hölzernen Bären, der eine Zielscheibe hält, ist Axtwerfen angesagt, diesmal fürs Publikum. Die Leute stehen davor Schlange. Zwei junge Männer zeigen beim Werfen großes Geschick. Eine Frau in der Schlange bejubelt sie.

Die Kartenlegerin hat Kundschaft

Kalle aus Remscheid-Lennep, „der Knochenbieger“, fläzt sich vor seinem Zelt. Er bietet eine Schmerzbehandlung für Leib und Seele an, natürlich gegen üppige Bezahlung. Unweit entfernt werden „Echtes Handlesen“ oder „Kartenlegen“ offeriert. Die Frau hat zu tun, ist aber auch preiswerter.

Großen Andrang gibt es vor dem Camp eines Falkners aus den Niederlanden. Ihm sitzt ein Weißkopfseeadler auf dem Arm. Der imposante Vogel streckt seine Flügel aus. Sie haben rund zwei Meter Spannweite. „Was wiegt der Adler“, will ein Mann wissen. „Sechs Kilo“, antwortet der Falkner. Dann bringt er ihn auf seine Sitzstange zurück.

Ein Becher mit Metbier

Auch vor der Burg herrscht buntes Treiben. Unter einem mächtigen Baum sitzt eine fünfköpfige Gruppe an Tischen. Arne Dohnalek aus Alstaden hat sich gerade mit einem Bekannten einen Becher mit Metbier (Bier mit Honigwein) gekauft und nimmt wieder Platz. Weil es hier Leckeres gebe, sei er gekommen, sagt er. „Außerdem ist das mittelalterliche Flair etwas Besonderes.“ Das gebe es in Oberhausen ja nur hier.

Das Mittelalter: Autoritäre Herrscher und ein abhängiges Bauernvolk

Burg Vondern taucht 1266 erstmals in einem Schriftstück auf. Damals war das ganze Land mit solchen Herrensitzen und Klöstern überzogen. Wem eine solche Burg überlassen war (wer damit belehnt war), der war im zugehörigen Landstrich der starke Mann. Die Bauernfamilien waren vollkommen von ihm abhängig.

Walter Paßgang und Antje Stammen vom Förderkreis Burg Vondern zogen schon am Samstagnachmittag eine positive Bilanz des dreitägigen Spektakels, das von Freitag bis Sonntag dauerte. „Wir sind nach vier Jahren Unterbrechung wegen Corona größer geworden“, berichtete er. Man könne dankbar und zufrieden sein. Die Organisation wurde erstmals einer Firma übertragen. „Es war noch nie so groß und ich habe dabei noch nie so viele fröhliche Gesichter gesehen“, sagte Stammen.

Der Freundeskreis Burg Vondern sucht noch ehrenamtliche Mitstreiterinnen und –streiter. Die Mitgliedschaft kostet nur 24 Euro im Jahr. Weitere Informationen auf www.burg-vondern.de.