Oberhausen. Mit grandiosem Wortwitz begeistert der Oberhausener Kleinkünstler. Und statt im Schlosshof wurde im Trausaal gelacht wie wohl nie zuvor.
Eigentlich ist ein fieses Wort, weil sich eigentlich immer mit dem Konjunktiv, also „hätte“ und dergleichen, verbindet. Bei der jüngst „Schlossnacht“ hieß die Möglichkeitsform für den Oberhausener Musikkabarettisten Matthias Reuter mit seinem aktuellen Programm „Unfugskarton – ein Best-of-Mix“ eigentlich fidele Open-Air-Bespaßung im weiten Rund zwischen dem kleinen und großen Schloss Oberhausen.
Daraus wurde aber nichts, weil Petrus allzu heftig an besagtem Karton rappelte. Oder um aus „Asterix im Morgenland“ zu zitieren: Man sah „einen sintflutartigen Regen niedergehen, den das Orakel von Meteosat wie üblich nicht vorhergesagt hat.“ Kurzum, der Himmel weinte Rotz und Wasser – und dies nicht vor lauter Lachen. Dass der Spaß dennoch nicht unterging, lag an einem bewundernswerten Kraftakt des Veranstalterteams der „Schwimmhilfe“ um Ex-Oberbademeister Hajo Sommers, das kurzerhand mit Mann und Maus samt Gestühl und Instrumentarium in den prompt rappelvollen Trausaal des Schlosses eher flüchtete als übersiedelte.
Die naheliegende Frage „Wollt ihr Matthias Reuter als euren Musikkabarettisten in guten wie in schlechten Zeiten?“ konnte das ebenso ent- wie gespannte Publikum nur bejahen, kredenzte der gebürtige Sterkrader doch ein fabelhaftes „Best of“. Mit feinem Blick auf das wirkliche Leben plauderte Matthias Reuter etwa über die Begegnung mit einem Gitarristen im RE 5, der bis zum Abwinken feine Jazz-Standards spielte. Derweil einige Reihen entfernt ein weiterer Musiker tatenlos vor zwei Gitarrenkoffern saß. Plötzlich drückt ihm eine alte Dame zehn Euro in die Hand. Sagt der: „Ich habe doch überhaupt nichts gespielt.“ – „Ja, aber das hat mir besser gefallen!“ Und die Moral von der Geschicht’: Zuviel des Guten kann kontraproduktiv sein.
„Revolution in der Pflege-WG“
Weshalb der sprach-, stimm- und tastengewaltige Musikkabarettist denn auch nur wohldosiert höchst amüsante Songs in sein abwechslungsreiches Programm einstreute. Etwa über russische Hacker auf Kaperfahrt mit der wunderbaren Pointe, dass Pjotr an der Telefonica-Hotline sein subversives Spiel treibt. Kollektiver Jubel seiner offensichtlich mit Telefon-Beratungselend wohlvertrauten Zuhörer, die später die von altgewordenen Kommunarden angezettelte „Revolution in der Pflege-WG“ samt Che-Guevara-Poster überm Klo (und nicht etwa dem legendären Sitzungsbild von Frank Zappa) lautstark unterstützten. Dergleichen ist natürlich ein Evergreen mit Zukunftspotenzial.
Doch auch alte Kamellen wie Reuters’ hinreißend komische Nummer „Korso“ über das Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft 2012 zeigten sich im Trausaal als grandios schillerndes Vergnügen der Extraklasse zwischen morbidem Charme und „so ist der Ruhri halt“. Denn die steile These „Wenn Deutschland spielt, dann stirbt keiner“ der Bestatterin Ingrid Sasselfeld, die folglich ihr eigenes Grillfest mit TV-Begleitung organisiert hat, erweist sich als formidabler Irrtum. Was Opa Schuster damit zu hat, kann man auf matthiasreuter.de oder bei einem seiner nächsten Auftritte leicht selbst herausfinden – und wird sich in der Folge gar köstlich beömmeln.
Im Trausaal hatte man Spaß wie Bolle
Im Trausaal hatte man jedenfalls live Spaß wie Bolle – oder um eine seiner famosen Sprachspielereien aufzunehmen: Es war nicht „nussig“, sondern lecker. Der tosende Applaus hielt sich folglich auch nicht an das tollste Wortungetüm des an intelligenten Schenkelklopfern reichen Abends: Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung.
Unermüdlich unterwegs: Matthias Reuter „on Tour“
Wer die „Schlossnacht“ – womöglich aus Angst vor allzu heftigen Güssen – versäumt hat, muss sich nicht grämen. Denn Matthias Reuter tourt unermüdlich. Die nächsten Termine in der Nähe folgen am Donnerstag, 27. Juli, auf der Freilichtbühne in Mülheim an der Ruhr mit „Nachgewürzt on tour in der Nachbarstadt“. Am Freitag, 11. August, bereichert Reuter den Sterkrader Lesesommer und am Freitag, 1. September, in Hünxe den Rathaussaal mit seinem „Unfugskarton“-Solo.Nach dem Start der zweiten Mädlerschen Theaterspielzeit gibt’s am 24. Oktober auch wieder einen Reuterschen „Bier- und Leseabend“ in der Theater-Bar. Und im benachbarten Ebertbad lässt der dann 47-Jährige am 30. November die Premiere seines neuen Programms steigen.