Spektakuläre Aktion: Experten warten Mülheims Camera Obscura
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Mülheim. In luftiger Höhe haben Experten das Kamera-Rohr der Camera Obscura in Mülheim demontiert. Dabei stießen sie auf einen kostspieligen Mangel.
Eigentlich ist Rainer Robotta ja ein alter Hase. Etwas mulmig wird es dem Ingenieur aber schon, als er mit dem Hubsteiger zur Spitze der Camera Obscura befördert wird. In 25,5 Metern Höhe wollen er und seine Kollegen – Feinmechaniker Jürgen Haese und Ingenieur Dr. Stefan Frank – das optische System und den Umlenkspiegel aus dem Kopf des ehemaligen Wasserturmes ausbauen – um sie zu säubern und zu warten. Nach der Reinigung müssen alle Teile dann wieder fachgerecht eingebaut werden. Die drei Mitarbeiter der Firma Carl Zeiss Jena werden also erneut in schwindelerregende Höhen hinaufchauffiert.
Reinigung und Wartung der Camera Obscura-Optik
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Rainer Robotta und Jürgen Haese sind genauer gesagt gar nicht mehr im Dienst. Sie genießen ihre Rente, aber weil sie sich so gut auskennen mit der Mülheimer Camera Obscura, reisen sie einmal jährlich zur Säuberung von Linsen, Getriebescheiben, Floatglasscheibe und Umlenkspiegel an. Im vergangenen Jahr fiel die Aktion wegen der Pandemie aus. Deshalb ist zu erwarten, dass die Bauteile schmutziger sind als sonst. „Feinstaub setzt sich mit der Zeit überall ab. Die Folge ist, dass die Bilder, die von der Lochkamera auf den Projektionstisch übertragen werden, nicht mehr so hell und scharf sind“, erläutern die Experten.
Mülheimer Filmemacher Werner Nekes brachte die Idee auf
Schon an der Entwicklung der Camera Obscura, die einzigartig ist in Deutschland, hat Rainer Robotta mitgewirkt. Das war kurz nach der Wende. Die Firma Carl Zeiss Jena, damals hauptsächlich im Ostblock aktiv, hatte den Auftrag übernommen. 1991 wurde die Lochkamera in Betrieb genommen, 1992 offiziell eröffnet – pünktlich zur damaligen Mülheimer Landesgartenschau (Müga). „Viele Städte hatten damals vor, ähnliche optische Geräte konstruieren zu lassen, aber ihre Pläne wurden nie realisiert. In Mülheim brachte Filmemacher Werner Nekes die Idee zu einer Camera Obscura auf. Carl Zeiss Jena hat dann speziell etwas entwickelt für unseren einstigen Wasserturm“, berichtet Dr. Jörg Schmitz, Leiter der Camera Obscura und des Museums zu Vorgeschichte des Films.
Federführend dabei war damals Ingenieur Rainer Robotta – deshalb kennt er die Mülheimer Lochkamera, die einen faszinierenden Panoramablick über Stadt und Region bietet, wie kein Zweiter. „Das ist wie ein Kind, das man in die Welt gesetzt hat. Ich komme gerne her, um die Anlage zu warten und zu reinigen“, sagt er. In früheren Zeiten reisten die Spezialsten oft im Frühjahr an – damals beförderte sie noch die Feuerwehr im kleinen Korb in luftige Höhen (einmal sogar bei einem Schneesturm). Jetzt gibt es den Hubsteiger, gottlob. Und diesmal „passt alles“. Das Wetter ist gut, der Wind gering. Ausbau und Einbau des Kamera-Rohres und die Reinigung der Einzelteile können innerhalb eines Tages realisiert werden.
Rabe versucht zwischen Metallstacheln ein Nest zu bauen
Sehr sorgsam gehen die Jenaer mit den auseinandergebauten Einzelteilen um. In der Cafeteria der Camera Obscura haben sie einen Arbeitstisch aufgebaut. Stefan Frank säubert das Floatglas unter fließendem Wasser, das ist die einfachste Aufgabe. Jürgen Haese beschäftigt sich mit den drei Linsen, versucht, sie mit einem Tuch und einer speziellen Reinigungsflüssigkeit frei von Staub und anderem Schmutz (etwa Fliegen) zu machen. Dabei fällt etwas auf, dass Jörg Schmitz beunruhigt: Die Linsen brauchen bald eine Spezialbehandlung, weil deren Oberfläche nicht mehr hundertprozentig glatt ist. „In nicht allzu langer Zeit müsste man die Linsen mal abätzen und neu vergüten“, erklärt Rainer Robotta. Das würde bedeuten, dass die Camera Obscura vorübergehend geschlossen werden müsste und Zusatzkosten auf die Stadt Mülheim zukämen.
Die Reinigung des Umleitspiegels aus Glaskeramik ist am diffizilsten. Dieser ist laut Jörg Schmitz aus den Resten eines russischen Weltraumteleskopspiegels entstanden – und darf noch nicht einmal direkt mit einem Luftgebläse behandelt werden. Auf dem Gehäuse, in dem der Spiegel steckt, sind vor Jahren spitze Metallstacheln aufgebracht worden, um die Vögel abzuhalten. Aber, die Experten schütteln ungläubig den Kopf: „Ein Rabe hat doch tatsächlich versucht, zwischen den Stacheln ein Nest zu bauen.“
Mülheimer Camera war seit dem Einbau 1991 noch nie defekt
Wenn alle Bauteile gesäubert sind, werden die drei Männer das ganze System wieder einbauen. Danach muss es getestet werden. „Es wird neu eingestellt, der Horizont beispielsweise muss an der richtigen Stelle stehen“, erklärt Jörg Schmitz. Die Feinmechanik-Experten sind stolz auf ihr Konstrukt, seit dem Einbau im Jahre 1991 hat es eigentlich keine technischen Probleme gegeben. Für die Menschen im Ruhrgebiet ist die Camera Obscura nicht nur ein interessantes touristisches Ziel. „Wir sind auch eine wissensvermittelnde und forschende Einrichtung, begrüßen immer wieder Fachpublikum.“
Die Camera Obscura ist Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt für Camera/Museum kostet 4,50 Euro für Erwachsene (erm. 3,50 Euro). Kinder bis 6 haben freien Eintritt, Familien (2 Erwachsene, 2 Kinder): 11 Euro.
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