Berlin. Luna erzählt, warum sie Silvester seit zwei Jahren alleine feiert – und ein Experte gibt Antworten rund ums Thema Einsamkeit.
Zu Silvester lassen es die meisten Leute krachen, gern mit der Familie, aber auch im Freundeskreis. Wie Weihnachten ist es ein Fest, an dem keiner allein zu Hause hocken sollte.
Doch es gibt Menschen, die sich bewusst entscheiden, Silvester allein zu verbringen. Welche Gründe kann es dafür geben, was passiert, wenn die Einsamkeit sich doch einschleicht und warum es völlig okay sein kann, Silvester ganz anders zu gestalten, beantworten Menschen, die bereits allein gefeiert haben sowie ein Einsamkeitsforscher.
Luna gehört zu denen, die alleine feiern – und das seit zwei Jahren. Dieses Jahr ist es das dritte Mal. Mit der Zeit hatte sie sich zunehmend unwohler im Kreis der Menschen gefühlt, mit denen sie regelmäßig feierte.
Silvester: Warum feiern Menschen allein?
„Meine Wünsche und Bedürfnisse wurden immer mehr systematisch abgelehnt“, berichtet die Frau. Sie habe sich immer mehr unwillkommen gefühlt. „Seit ich allein feiere, habe ich keinen Stress und keinen Druck mehr, weder von außen noch von innen.“ Silvester verbringt Luna bereits länger allein.
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Genau wie Stephan: „In den letzten drei Jahren habe ich Silvester bewusst allein verbracht, um eine gewisse Ruhe zu haben und mir für mich Gedanken zu machen, wie ich das neue Jahr beginne.“ Der 40-Jährige kämpft mit einer Depression, seit eineinhalb Jahren mit einem Burnout. „Es gibt Tage, da versuche ich gesellschaftlich teilzunehmen, dann brauche ich aber länger wieder Zeit für mich“, erzählt er.
Alleinsein: Warum das nicht nur schlechte Gefühle auslösen muss
Luna empfindet es als entspannend, Silvester allein zu sein: „Ich kann entscheiden, was ich machen möchte, was ich im TV sehen, was ich essen oder welche Musik ich hören will.“ Sie genieße es, keinem Plan folgen zu müssen. Meist kocht sich die 32-Jährige dann etwas und schaut einen Film. „Ich bin lieber allein als in schlechter Gesellschaft“, sagt sie.
Stephan spricht ebenfalls davon, dass ihm das Alleinsein eine gewisse Entspannung gibt. Er hört in den Feiertagen Musik oder schaut Filme und Dokus.
Für Dirk Scheele, Professor für Social Neuroscience an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, ist es auch völlig legitim, für sich feiern zu wollen. Er erklärt: Ein Mensch mit einem großen sozialen Netzwerk könne sich trotzdem einsam fühlen – „und jemand, der allein feiert, muss sich nicht einsam fühlen.“
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Einsamkeit und Alleinsein: Das macht den Unterschied
Stephan allerdings bemerkt: „Es ist mir bewusst, dass es so nicht immer sein darf. Einsamkeit ist kein Gefühl, das auf Dauer glücklich macht.“ Wann wird Alleinsein, beziehungsweise soziale Isolation, zu Einsamkeit? Professor Scheele bekräftigt: „Wichtig ist: Einsamkeit ist keine Krankheit, sondern ein Gefühl.“
Einsamkeit sei die subjektive Empfindung eines Mangels oder einer geringen Qualität von sozialen Beziehungen. Bei der sozialen Isolation ließe sich hingegen objektiv messen, wie viele Kontakte ein Mensch hat. „Soziale Isolation und Einsamkeit hängen zusammen: Ein isolierter Mensch ist auch häufiger einsam“, so Scheele.
Chronische Einsamkeit: Warum bleiben Menschen einsam?
„Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass langanhaltende Einsamkeit mit negativen Erwartungshaltungen gegenüber Mitmenschen verbunden ist“, sagt Scheele. Er wirkte bei einer Studie von 2021 mit, die darauf hindeutet: Chronische Einsamkeit kann mit einem reduzierten interpersonellen Vertrauen einhergehen. „Wer Mitmenschen weniger vertrauen kann, sucht oft weniger Interaktion mit ihnen“, erklärt der Forscher.
Christian Fein erlebte 2016 das erste Mal das Weihnachtsfest allein. Seine Frau und er hatten sich kurz vorher getrennt. Zu dem Zeitpunkt war er auf Twitter sehr aktiv – und fand schnell Menschen, die ähnlich fühlten. Das half ihm.
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Professor Scheele sagt: „Es kommt darauf an, wie man die Sozialen Medien nutzt.“ Es könne durchaus eine Option sein, man müsse Weihnachten oder Silvester nicht zwingend mit Menschen in einem Raum sitzen, sondern könne über Online-Medien in Kontakt kommen.
Basierend auf dieser Erfahrung entwickelte Fein das Projekt: KeinerBleibtAllein. Die Idee: Menschen über digitale Vermittlung und Chats zusammenzubringen, sodass diese gemeinsam Silvester feiern können. Mittlerweile helfen mehrere Ehrenamtliche, Nachrichten auf Instagram und Facebook entgegenzunehmen und Menschen in den jeweiligen Orten miteinander zu vernetzen. Das Angebot ist kostenlos.
Experte: Was kann man gegen das Gefühl der Einsamkeit tun?
Wissenschaftler Dirk Scheele hat von der Initiative gehört: „Kontaktvermittlung ist auf jeden Fall ein Ansatz, um der Einsamkeit vorzubeugen.“ Die Idee setze aber an, bevor man zu Silvester allein ist.
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Was tun, wenn man bereits in der Situation ist und sich einsam fühlt? „Es ist erst einmal wichtig, zu betonen, dass das Gefühl jeder Mensch kennt“, erläutert Scheele. „Ich rate, sich zu vergegenwärtigen, dass das Gefühl nicht für den Rest des Lebens so bleiben wird.“ Wer Einsamkeit über Jahre hinweg erlebt habe, sollte versuchen, aus diesem Zustand auszubrechen, empfiehlt der Experte. Das könne bedeuten, sich früh Pläne für Silvester zu machen.
Was natürlich auch eine Möglichkeit sein kann: Silvester und Co. als einen Tag wie jeden anderen zu behandeln. Studentin Louisa blickt locker auf das Fest. „Ich verbringe einfach gerne Zeit mit Leuten – aber das auch an jedem anderen Tag“.
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