Berlin. Es gibt einen neuen Ansatz für eine Therapie gegen Alzheimer-Demenz. Eine Studie zeigt, dass eine Kombinationstherapie helfen könnte.
Antikörper gegen Eiweißablagerungen im Gehirn galten viele Jahre als das Mittel schlechthin im Kampf gegen Alzheimer-Demenz. Die Hoffnungen waren groß. Doch trotz zuletzt zaghafter Erfolge hat sich der Wind etwas gedreht. Viele Medizinerinnen und Mediziner gehen mittlerweile davon aus, dass es mehr brauchen wird, um diese tückische neurodegenerative Erkrankung zu besiegen. Neueste Erkenntnisse aus einer pharmakologischen Studie bestärken sie darin.
Alzheimer-Demenz: Wie entsteht diese Krankheit?
Die Krankheit beginnt bis zu 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome mit Veränderungen im Gehirn. Zu den Krankheitsmechanismen, die über Jahrzehnte hinweg ineinandergreifen, zählen Eiweißablagerungen, die als Amyloid-Plaque und Tau-Fibrillen bezeichnet werden, aber auch Entzündungsprozesse, Stoffwechselstörungen, Umwelteinflüsse, das Altern oder eine genetische Veranlagung. Wie genau diese Mechanismen ineinandergreifen ist nicht abschließend geklärt.
Bisher gibt es keine wirksame Therapie gegen Alzheimer. Die Anhäufung und Verklumpung von Eiweißen aber, von Amyloid und Tau, gelten als Schlüssel bei der Entstehung von Schädigungen des Gehirns. In der Folge sterben Nervenzellen ab, die kognitiven Leistungen, Gedächtnis oder Orientierung, nehmen ab. Etwa 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind an Alzheimer erkrankt, 160.000 Neudiagnosen gibt es pro Jahr. 2020 starben daran laut Statistischem Bundesamt 9450 Menschen.
Wie sollen die Eiweiß-Ablagerungen bekämpft werden?
Nach vielen Rückschlägen machten im Herbst zwei Antikörper von sich reden, die die Amyloid-Last der behandelten Patienten reduzierte. Die Medikamente können die Erkrankung zwar nicht heilen, deren Fortschritt aber verlangsamen. Für Donanemab und Lecanemab – verabreicht jeweils als Infusion – waren entsprechende Studien vorgelegt worden.
Ein Hoffnungsschimmer, der das Therapieprinzip stärkt, aber kein Durchbruch. So bilanzierten unter anderem die Experten des Vereins Alzheimer Forschung Initiative (AFI) und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) die Studien. Die Fortschritte seien messbar, aber nicht vollumfänglich überzeugend.
„Zu beachten ist auch, dass angesichts der klinisch bisher geringen Effektstärken die Nebenwirkungen von Donanemab ebenso wie die von Lecanemab insbesondere bezüglich Hirnschwellungen und Hirnblutungen sehr hoch zu gewichten sind“, sagte Prof. Stefan Teipel, Leiter der Klinischen Demenzforschung am DZNE-Standort Greifswald/Rostock dem Science Media Center.
Welchen Therapie-Ansatz verfolgt die Forschung noch?
Die Anhänger der sogenannten Kombinationshypothese gehen davon aus, dass es nicht reicht, nur die Amyloid-Ablagerungen im Hirn zu bekämpfen. Auch die Tau-Ablagerungen müssten Ziel einer Therapie sein. Unter anderem AFI und DZNE gehen davon aus, dass eine kombinierte Behandlung vielversprechend sein könnte. „Ohne Amyloid ist Tau wahrscheinlich kein größeres Problem und umgekehrt ist Tau ohne Amyloid vermutlich nicht problematisch“, sagt Stefan Teipel.
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„Aus meiner Sicht ist Tau ein bisher vernachlässigtes, aber vielversprechendes Ziel“, erklärt auch Demenz-Expertin Anja Schneider im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Leiterin der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen der Uni Bonn hat jene Studie begleitet, die vor wenigen Wochen im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlicht worden ist. „Möglicherweise ist die Zukunft, dass man eine Kombinationstherapie macht gegen Tau und gegen Amyloid“, so Schneider.
Wie könnte Tau bekämpft werden?
Mit synthetischen, kurzkettigen Nukleinsäuren, die über einen Katheter ins Nervenwasser gegeben werden. Diese sogenannten Antisense-Oligoukleotiden (ASO) sind jetzt erstmals am Menschen getestet worden. Die Phase 1-Studie umfasste 46 Teilnehmende, die ASO in verschiedenen Dosen oder ein Placebo bekamen.
Über 13 Wochen erhielten die Patientinnen und Patienten der Gruppe eins monatlich 10 Milligramm (mg), die der Gruppe zwei 30 mg. Gruppe drei bekam monatlich 60 mg und Gruppe vier vierteljährlich 115 mg ASO. Es folgte eine Nachbeobachtungszeit von 23 Wochen. Zum Wirkungsnachweis wurde regelmäßig das Gesamt-Tau in Nervenwasserproben untersucht.
Die Tau-Konzentration sank laut den Studienautoren dosisabhängig ab – in den Gruppen mit vier Mal 60 Milligramm und zwei Mal 115 mg ASO mit einer durchschnittlichen Größe von bis zu 50 Prozent gegenüber dem Ausgangswert. Es wurde also deutlich weniger des Eiweißes gebildet. Dabei kam es nur zu leichten bis mittleren Nebenwirkungen.
Was ist das Vielversprechende an den Ergebnissen?
„Tau-Ablagerungen korrelieren direkt mit Kognition, während Amyloid-Ablagerungen davon eher losgelöst sind“, sagt Anja Scheider. Das bedeutet: Durch das Hemmen der Tau-Ablagerungen ließe sich der geistige Verfall womöglich besser aufhalten als durch den Abbau von Amyloid-Plaques.
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„Die Ergebnisse dieser Studie sind deshalb so aufregend, weil wir sehen konnten, dass man vielleicht auf dem richtigen Weg ist“, sagt Schneider. Und: „Tau ist ein Eiweiß, das man physiologisch in der Nervenzelle braucht. Wenn man weniger davon herstellen lässt, war die Befürchtung, dass dies zu Defiziten führen könnte“, so Schneider weiter. Dafür habe es aber keinen Hinweis gegeben.
Wie geht es jetzt weiter?
Phase-1-Studien haben nur wenige Teilnehmer. Eine zweite größere Studie in den USA ist Anja Scheider zufolge angelaufen, in Europa sei diese vorbereitet worden. Bei entsprechend positiven Ergebnissen würde die Gabe von Nukleinsäure gegen Tau dann in noch größeren Studien untersucht. Einige Jahre könnten bis dahin noch vergehen.
„Ob ASO gegen Tau wirklich zu einem verlangsamten kognitiven Abbau führen, weiß man noch nicht. Das ist das, was man jetzt in weiteren Studien herausfinden muss“, so Schneider. Darüber hinaus werde weiter auch an Antikörpern gegen Tau geforscht. „Es gibt verschiedene Tau-Immunisierungsstudien, aber da gab es noch nicht so durchschlagende Ergebnisse, da ist man noch nicht so weit wie bei den Amyloid-Antikörpern.“