Berlin. Bei „Hart aber fair“ geht es um die Frage, wie weit die Solidarität mit Israel geht. Es wird lautstark und hitzig diskutiert.
Kein Satz wird wohl an diesem Montagabend bei „Hart aber fair” so oft gesagt wie folgender: „Darf ich kurz ausreden?”. Die Debatte um die Solidarität mit Israel und deren Grenzen ist auf allen Seiten eine hoch emotionale, die zeigt, welche Seiten es in Deutschland beim Umgang mit dem Krieg gibt. „Uns in Deutschland ist es nicht gelungen, mit dem Konflikt umzugehen”, sagt die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor. „Uns fehlt die Differenziertheit. Wir spielen immer entweder oder.”
„Hart aber fair“: Das waren die Gäste
- Lamya Kaddor, Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen)
- Julia Klöckner, Politikerin (CDU) und Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG)
- Philipp Peyman Engel, Chefredakteur „Jüdische Allgemeine“
- Jules El-Khatib, Soziologe
- Enissa Amani, Künstlerin und Aktivistin
- Daniel Gerlach, Chefredakteur „Zenith“
Für das „Entweder” stehen an diesem Abend die Vertreter, für die die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist. „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen”, sagt die CDU-Politikerin Julia Klöckner. „Israel nutzt Waffen, um seine Bevölkerung zu schützen, aber die Hamas nutzt Menschen als Schutzschilder, um sich zu beschützen.” Zudem sei Israel die einzige Demokratie in der Region, betont Klöckner. „Wir dürfen dem Narrativ von Terroristen nicht auf den Leim gehen.”
Doch auch das „oder“, von dem Lamya Kaddor spricht, ist bei „Hart aber fair“ eingeladen. Die lauteste Vertreterin ist an diesem Abend die Aktivistin Enissa Amani, die über Klöckners Ausführungen sagt: „Ich kann dem mit keinem Wort zustimmen.” Es sei wahnsinnig, den Tatsachen nicht ins Auge zu schauen und 40.000 Tote zu ignorieren. Philipp Peyman Engel ist Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“ und warnt Amani davor Hamas-Propaganda wiederzugeben – es kommt zu einem lautstarken Wortgefecht, in dem beide Seiten einander beschuldigen, sich nicht ausreden zu lassen.
Grünen-Politikerin bei „Hart aber fair“: „Die Hardliner auf beiden Seiten haben die Oberhand gewonnen”
Moderator Louis Klamroth will wissen, ob der Bundesregierung der Spagat zwischen Solidarität mit Israel zeigen und nicht blind sein für das Leid der Palästinenser gelinge. „Wir sehen es heute Abend: Wenn wir über das Thema sprechen, verfallen wir immer wieder in die gleichen Reflexe”, sagt Lamya Kaddor. „Die Hardliner auf beiden Seiten haben die Oberhand gewonnen. Wir müssen darüber reden, wie wir zu einer Lösung kommen.” Und weiter: „Das Existenzrecht Israels ist Staatsräson und gilt immer, aber es gilt nicht für die israelische Regierung.” Es sei völlig richtig, von Staatsräson zu sprechen, das bedeute aber nicht, „dass die israelische Armee die palästinensischen Rechte mit Füßen tritt”.
Philipp Peyman Engel findet, dass sich die Worte deutsche Staatsräson zwar gut anhören, aber nicht belastbar seien. „Wenn sie ernst gemeint sind, dann muss die Bundesregierung Israel als Staat, der an sieben Fronten kämpft, unterstützen. Aber es passiert nicht. Das ist wohlfeil und verlogen.”
Keine Waffenlieferungen mehr an Israel?
Jules El-Khatib ist Deutsch-Israeli mit palästinensischen Wurzeln und hat Familie in Gaza, in der Westbank und im Libanon. Er sagt: „Selbstverständlich ist es die Schlussfolgerung des Holocausts, dass Juden und Jüdinnen für immer und überall geschützt werden, aber nicht, dass man die Regierung Netanjahus unterstützt.” Er fordert von der Bundesregierung, keine Waffen und keine Waffenteile mehr zu liefern und sich nicht hinter Netanjahu zu stellen. Denn an ihm, so El-Khatib, würde ein Waffenstillstand scheitern.
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El-Khatib erzählt, dass er durch den Krieg rund 15 Familienmitglieder verloren habe. „Deutsche Politiker haben sich bisher kaum für uns Palästinenser interessiert”, sagt er. „Wir bekommen keine Solidarität.” Ob das am Antisemitismus auf vielen Demos liegen könnte, wirft Klamroth ein, doch von dem will El-Khatib nichts mitbekommen haben. Nicht auf den Demos, auf denen er gewesen sei.
Chefredakteur spricht von „antisemitischen Dammbruch von links”
„Seit dem 7. Oktober hat sich alles verändert”, sagt auch Philipp Peyman Engel. Er berichtet von einem „antisemitischen Dammbruch von links”, von pro-palästinensischen Demos, die er besucht und die antisemitisch sind. „Das ist ein großes Problem und das können wir nicht wegreden”, so der Chefredakteur der Zeitung „Jüdische Allgemeine“.
Nach all den hitzigen Wortgefechten bleibt für ein Gespräch darüber, was sich sowohl innen- als auch außenpolitisch tun müsste, um den Antisemitismus hierzulande zu bekämpfen und den Krieg in Nahost zu beenden, an diesem Abend dann keine Zeit mehr.