Essen. Die dritte Staffel der Fantasy-Saga „The Witcher“ setzt zunächst stärker auf Ränkespiele als auf Action – und wird erst gegen Ende stark.

„The Witcher“ hatte von Anfang an große Schuhe zu füllen: Nach dem (enttäuschenden) Ende von „Game of Thrones“ im Mai 2019 stand die Tür bei vielen Fantasy-Fans weit offen für eine neue lebensbegleitende Erzählung. Zudem warteten Anhänger der „Witcher“-Kurzgeschichten und -Romane des polnischen Autors Andrzej Sapkowski schon lange auf eine angemessene Serien-Umsetzung des epischen Stoffes – ganz zu schweigen von all jenen Fans, die durch die drei von 2007 bis 2015 erschienenen „Witcher“-Videospiele noch hinzugekommen waren, die sich zusammen gut 50 Millionen Mal verkauft hatten.

Den turmhohen Erwartungen konnte die Serie dann auch nicht gerecht werden: Staffel 1 wirkte Ende 2019 noch ein wenig wie Anlauf, die Details bei Kostümen und Szenerie saßen nicht immer, manche Darsteller wirkten hölzern. Die Zeitsprünge der Story waren eine zusätzliche Herausforderung für jene, die nicht schon vertraut waren mit der Geschichte des titelgebenden Monsterjägers Geralt von Riva, seiner Magierinnen-Liebschaft Yennefer von Vengerberg und der mit schicksalshaften Kräften versehenen Prinzessin Cirilla „Ciri“ von Cintra. Staffel 2 machte einiges besser – aber zum Ärger mancher Fans den Fehler, sich zu sehr von den Buchvorlagen zu entfernen.

„The Witcher“: Ein Kontinent auf der Jagd nach einer Prinzessin

Staffel 3 (ab sofort im Stream bei Netflix verfügbar) tritt nun an, die Serie endlich zur ersehnten Form zu führen. Ansatzlos platzt man als Zuschauer wieder in die Handlung: Geralt und Yennefer sind mit Ciri auf der Flucht. Denn nahezu die gesamte „Witcher“-Welt hat es mittlerweile auf das aschblonde Mädchen mit den explosiven magischen Kräften abgesehen: Elfen-Rebellen-Führerin Francesca Findabair sieht in Ciris elfischem Elderblut den Schlüssel zur Zukunft ihres Volkes. Ciris Vater, der Kaiser des Reiches Nilfgaard, will seine Tochter zurück, um ungestört die nördlichen Reiche erobern zu können. Und auch andere Herrscher und Magier wittern in Ciri eine Chance auf Macht und Einfluss. Zudem sitzen dem von Visionen geplagten Mädchen noch die geisterhaften Reiter der „Wilden Jagd“ im Nacken.

Die dritte „Witcher“-Staffel startet energiegeladen, die Schwertkämpfe gegen fiese Menschen und Monster sind gewohnt packend choreographiert, rücken aber schnell in den Hintergrund. Stattdessen setzt die Serie verstärkt auf Charakterentwicklung der Hauptfiguren und ein immer enger verwobenes Intrigen-Netz, das „Game of Thrones“ Ehre macht. Leider sind nicht alle Dialoge so gut geschrieben und gespielt, dass man richtig hineingezogen wird. Zudem hätte der Geschichte nach den ersten zwei Folgen mehr Tempo gutgetan. Und weil nach den vielen Reisepanoramen zu Beginn bald vieles hinter königlichen und magischen Mauern passiert, düstert die Stimmung bei weitem nicht so sehr, wie es dem von slawischen Märchen inspirierten Stoff von Andrzej Sapkowski anstünde.

Gegen Ende am besten

Richtig gut wird die neue Staffel erst mit Folge fünf: Bei einem Schlüsselereignis führen die Serienautoren etliche Hauptfiguren zusammen, hier verfolgt jede und jeder eigene Ziele, das Lied der aufspielenden Barden trifft es: „Nichts ist, wie es scheint“ – ein Höhepunkt mit mehr als nur einem doppelten Boden.

Als abschließendes Urteil taugt das alles noch nicht: Entgegen der üblichen Komplettveröffentlichung zeigt Netflix die drei letzten Folgen der Staffel erst ab 27. Juli. Mutmaßlich wollte der Streamingdienst das Maximum aus seinem Serien-Hit herausholen, bevor diesem ein Umbruch bevorsteht: Geralt-Darsteller Henry Cavill („Superman“) steigt aus, Liam Hemsworth („Die Tribute von Panem“) übernimmt die Rolle.

Drei von fünf Sternen.