Weeze. Die Veranstalter von Parookaville erwarten 2022 einen Besucherrekord. Gründer Bernd Dicks über die Stimmung, Herausforderungen und Corona.

Es dauert nicht mehr lange, dann geht das dreitätige Musikfestival Parookaville in die sechste Runde – endlich nach zwei Jahren Corona-Zwangspause. Seine Anspannung kann Veranstalter Bernd Dicks nun nicht mehr verbergen. „Unsere Improvisationskünste werden gerade noch einmal extra herausgefordert“, sagt er. Doch auch wenn Personalknappheit und gestiegene Kosten zusätzliche Sorgen bereiten: Die Vorfreude scheint riesig. Denn so langsam verwandelt sich der ehemalige Militärflughafen in Weeze in eine riesige Stadt, wie auf Bildern und Videos zu sehen ist, die der 37-Jährige während des Gesprächs in die Kamera hält. Im Interview spricht Dicks über die Stimmung nach zwei Jahren Pause, Herausforderungen, seine persönlichenHighlights und er erklärt, warum Festivals in der Pandemie nicht das Problem, sondern die Lösung sind.

Herr Dicks, zwei Jahre lang mussten Sie die Füße stillhalten. Wie ist die Stimmung jetzt, wo Sie endlich wieder feiern dürfen?

Bernd Dicks: Wir haben so ultra Bock. Das ist Wahnsinn. Wir haben vergangenen Montag angefangen, unsere ganzen Lager leer zu räumen. Auf dem Gelände stehen jetzt hunderte Paletten mit Bühnen- und Dekoteilen. Man kann schon teilweise die Kirche erkennen. Es ist so geil, mit den ganzen Produktionsfahrzeugen wieder auf dem Gelände rumfahren zu dürfen. Man weiß, wir haben jetzt zwei Jahre lang eine richtig schwierige Zeit gehabt. Wir hatten das Glück, dass wir loyale Fans haben, die alle ihre Tickets behalten haben und damit auch die Jobs unseres gesamten Teams gesichert haben. Und jetzt dürfen wir endlich wieder feiern. Das fühlt sich richtig gut an.

Wie viele Besucherinnen und Besucher erwarten Sie am Festival-Wochenende?

Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr nach der Pandemie voraussichtlich auf einen Besucherrekord zusteuern werden. Die Veranstaltung würde dann einen Ticken größer. Statt 210.000 werden es voraussichtlich 225.000 Gäste sein, die über das ganze Wochenende zu Parookaville kommen.

Bernd Dicks gehört neben Norbert Bongers und Georg van Wickeren zu den
Bernd Dicks gehört neben Norbert Bongers und Georg van Wickeren zu den "Weezer Jungs", den Gründern von Parookaville. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Auf den Anblick, wenn alles steht. Es gibt aktuell jeden Tag neue Herausforderungen. Am Festival-Donnerstag kommen die Camping-Gäste an und parallel wird in der Nacht zu Freitag auf dem Festivalgelände noch alles sauber gemacht, die letzten Lampen werden ausgerichtet, es wird das Bühnen-Licht programmiert, und und und. Wenn dann am Freitag um 14 Uhr die Tore geöffnet werden und alles steht, dann fällt schon einmal der erste Stein vom Herzen. Denn wir hatten in den letzten Wochen tatsächlich noch extreme Herausforderungen. Man hört es überall: Personalknappheit war ein großes Thema, und dann hat zum Beispiel der Eiswürfellieferant vergangene Woche abgesagt und wir brauchen 32 Europaletten Eiswürfel, das sind knapp 20 Tonnen. Solche Überraschungen haben wir gerade regelmäßig. Wir haben auch schon alternative Lösungen, aber solche Sachen braucht man in dem aktuellen Planungsstress eigentlich nicht.

Und worauf freuen Sie sich abseits von gelungener Organisation und Planung?

Worauf ich mich ansonsten freue, ist natürlich, die ganzen großen elektronischen Künstler endlich mal wieder nach Deutschland zu holen wie Armin van Buuren, Steve Aoki oder Tiësto. Meine persönlichen Favoriten werden sicherlich am Sonntag auf der Bill’s Factory stehen, meiner Lieblingsbühne. Damals habe ich ja dieses Querbeat-vs.-257ers-Ding ins Leben gerufen und alle haben mich für verrückt erklärt. Am Ende war es mit die geilste Party auf dem Festival. Vielleicht schaffen wir das dieses Jahr wieder mit den verrückten Künstlern wie Alexander Marcus, Scooter oder Electric Callboy.

Auch interessant

Sie haben die vielen Herausforderungen in diesem Jahr bereits angesprochen. Wie viel größer war der Planungsaufwand im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Pandemie?

Das größte Problem ist, dass jetzt deutlich weniger Menschen in der Veranstaltungsbranche arbeiten. Ein Veranstaltungsmeister zum Beispiel ist selten irgendwo angestellt, der arbeitet in der Regel als Freelancer für verschiedene Veranstaltungen oder Veranstalter. Der musste sich natürlich in der Coronazeit einen festen Job suchen, weil er ein Haus abzubezahlen und Kinder zu versorgen hat. Und genau diese ganz, ganz wichtigen Schlüsselpositionen, davon sind uns viele leider weggebrochen. Wir sind froh, dass wir in unserem 34-köpfigen Team alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten konnten. Aber bei vielen Unternehmen sieht das eben anders aus. In der Hotel- und Gastrobranche müssen die Hoteliers Vier-Tage-Wochen anbieten, damit sich überhaupt jemand bewirbt. Am Flughafen stehen alle gerade Schlange, weil die Security-Unternehmen so heruntergewirtschaftet worden sind. Das sind alles Sachen, die in irgendeiner Art und Weise auch bei uns stattfinden. Denn ein Festival in diese Größenordnung ist eine eigene Stadt.

San Hemjo: Lesen Sie hier alle Informationen zum neuen Festival in Weeze

Welche finanziellen Auswirkungen hat das auf Sie?

Keine guten. Wer seine Tickets aus dem Jahr 2020 oder 2021 behalten hat, musste keine Preiserhöhung bezahlen. Das war das Goodie für alle Leute, die ihre Tickets Jahr für Jahr in neue Tickets umgetauscht haben. Mit Blick auf die heutige Zeit, die Preissteigerung, die Inflation, ist das ein mega Gewinn für diese Leute und wird uns am Ende finanziell wehtun. Andererseits: Ohne diese Leute und deren Loyalität wäre es sicher auch nicht einfach gewesen. Von daher ist das fein. Für die Tickets, die dann noch in den freien Verkauf gegangen sind, haben wir eine Preissteigerung von etwa zehn Prozent aufgeschlagen. Und ich kann sagen, dass die Preiserhöhung auf gar keinen Fall die gestiegenen Kosten ersetzen wird.

Zuletzt fand das Musikfestival Parookaville im Jahr 2019 (Bild) statt.
Zuletzt fand das Musikfestival Parookaville im Jahr 2019 (Bild) statt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Sommerwelle ist da, die Infektionszahlen steigen und damit auch das Risiko, dass sich Menschen auf dem Festival anstecken. Haben Sie Sorge, dass Parookaville zu einem Superspreader-Event werden könnte?

Nein. Ich glaube, wir reden hier über teilweise sehr lokale, hohe Inzidenzen. Mit den ganzen Schützenfesten in Neuss und Kaarst zum Beispiel ist die Inzidenz auf über 1000 geschnellt. Aber die haben drinnen gefeiert in Zelten. Festivals sind im Sommer, was Freizeitangelegenheiten angeht, nicht das Problem, sondern die Lösung. Denn auf einer Open-Air-Veranstaltung ist die Ansteckungsquote laut der Aerosol-Forscher bei 0,1 Prozent. Wenn man mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt fährt, dann liegt sie vermutlich bei rund zehn Prozent.

Jeder Tagesbesucher muss allerdings mit einem Shuttlebus vom Parkplatz zum Eingang fahren …

Natürlich schadet es nicht, wenn die Gäste, die mit einem Shuttlebus fahren, eine FFP2-Maske aufsetzen, auch wenn die Busse so gut es geht gelüftet werden.

Eine Maskenpflicht auch in Innenräumen gibt es also nicht?

Das soll jeder für sich selbst entscheiden. Wenn im Wacky Shack Bunker gerade 400 Leute sind, und man fühlt sich damit nicht wohl, kann man ja auch draußen weiterfeiern. Wir haben genug Bühnen, fast alle auch überdachten Bühnen haben so große Tore, sodass es genug Luftzirkulation gibt. Ich glaube jedenfalls, dass Parookaville mit ganz großer Wahrscheinlich kein Superspreader-Event sein wird und alle anderen Freiluft-Veranstaltungen auch nicht.

Parookaville-App

Seit einigen Tagen steht die aktualisierte Version der Parookaville-App zum Download bereit. Neben einem detaillierten Timetable, einer interaktiven GPS-Festivalkarte und einer Erinnerungsfunktion für ausgewählte Lieblingskünstler erhalten Besucherinnen und Besucher dort auch alle wichtigen Informationen per Push-Benachrichtigung. Die App gibt es kostenlos im App Store und im Google Play Store.

Für viele gerade junge Besucherinnen und Besucher ist es der erste Festivalbesuch in ihrem Leben, viele waren zwei Jahre lang auf keiner größeren Veranstaltung. Haben Sie zusätzlich Maßnahmen getroffen, um Ihre Gäste vorzubereiten?

Uns ist das auch aufgefallen, dass viele Leute noch einmal ins Gedächtnis gerufen bekommen müssen, „how to festival again“. Daher werden wir den Leuten in Form von Videos noch einmal einiges erklären. Zum Beispiel: Das sind die zehn Dinge, die du bei einem Festival dabeihaben solltest. Oder: Das sind die fünf Dinge, die du nicht dabeihaben solltest, Haarspray in großen Flaschen, Parfüm in großen Flacons sind einfach No-Gos, Waffen, Drogen sowieso. Man darf es den Leuten ruhig noch einmal mehr sagen, weil sie es einfach vergessen haben.

Nichtsdestotrotz glauben wir schon, dass die Leute auch eine gewissen Eigenverantwortung haben. Wir weisen mit unseren vielen Tafeln zwar darauf hin: „Bitte denkt dran, genug zu trinken, wenn es heiß ist“, „Bitte checkt regelmäßig die Wetter-App“ oder „Überlegt euch, wie lange braucht ihr zum Auto, wenn ein Gewitter aufkommt?“. Aber das Dümmste, was passieren kann, ist, wenn jemand mit einem Glas Bier in der Hand vor der Mainstage weitertanzt, während gerade die Blitze um ihn herum einschlagen. Da wird dich auch kein Veranstalter retten. Insofern: Eigenverantwortung ist das große Ding. Es tut keinem weh, volle Bereiche zu meiden, nicht zu drängeln und auf sich und seine Freunde zu achten.

Weitere Infos zum Thema Sicherheit bei Parookaville finden Sie hier.