Weeze. Parookaville-Mitorganisator Dicks vermisst den von Minister Scholz versprochenen Rettungsschirm. Neuer Festival-Termin im September wird geprüft.
Selbst in den stressigsten Situationen während des Festivals Parookaville mit täglich 70.000 Besuchern lässt sich Mitorganisator Bernd Dicks nicht aus der Ruhe bringen. Wenn er in diesen Tagen allerdings über das Bundesfinanzministerium redet, wird der große Frust über den versprochenen, aber bisher nicht eingeführten Rettungsschirm für Festival-Veranstalter deutlich. Im Interview mit der Redaktion spricht Dicks über die Pläne für eine Verlegung des Festivals, Masken, Schnelltests und die treuen Bürger von Parookaville.
Warum ist es aus Eurer Sicht unwahrscheinlich, dass ein Festival wie Parookaville im Juli stattfinden kann?
Dicks: „Es gibt mehrere Probleme: Das Infektionsgeschehen ist tatsächlich unberechenbar und die Gesundheit aller Beteiligten steht weiterhin an erster Stelle. Wir brauchen zudem einen so großen Vorlauf, um konkret in die Umsetzung einzusteigen, dass es selbst bei bestem Willen wahrscheinlich nicht klappen wird.“
In anderen Ländern sind die Perspektiven für eine Rettung des Festival-Sommers etwas besser…
Dicks: „Wir sehen natürlich international, dass einige Länder anfangen aufzumachen, aber in Großbritannien sind zum Beispiel schon 30 Prozent der Menschen geimpft. Und die Niederlande haben ganz andere Voraussetzungen.“
Wo liegt der Unterschied zwischen unserem Nachbarland und Deutschland?
Dicks: "Die Veranstalter in den Niederlanden haben von der Politik einen finanziellen Rettungsschirm erhalten. Für Deutschland hatte Bundesfinanzminister Scholz am 6. Dezember auch eine Planungssicherheit mit einem Ausfallfonds versprochen. Doch wir sind sprachlos und fühlen uns im Stich gelassen, weil dieser Rettungsschirm bis heute nicht aktiv ist. Wir müssen Monate vor dem Festival Verträge in Millionenhöhe abschließen, auf denen wir am Ende bei einer Komplett-Absage sitzen bleiben. Das ist auch ein Grund, warum andere große Veranstalter gerade ihre Festivals abgesagt haben."
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Mehrere Unions-Wirtschaftspolitiker um den Gocher Bundestagabgeordneten Stefan Rouenhoff hatten vor einigen Wochen in einem Brief Finanzminister Scholz aufgefordert, dass dieser bei der Unterstützung für die Event-Branche Taten folgen lasse. Gab es daraufhin eine Reaktion aus dem Ministerium?
Dicks: "Absolut gar keine! Es ist wirklich traurig, dass wir Veranstalter da so hängengelassen werden. Es scheint keinen Willen mehr zu geben, diesen Rettungsschirm umzusetzen."
Bei dem Ausfall von Parookaville im letzten Jahr hat noch eine spezielle Versicherung gegriffen – ist sie diesmal auch eine Option?
Dicks: "Leider nicht. Umso wichtiger war ja die Aussage von Olaf Scholz, weil ein Rettungsschirm allen Festivalveranstaltern für das zweite Halbjahr Planungssicherheit gegeben hätte. Wenn man zudem das Impfen zügiger vorangetrieben hätte, wäre die Situation eine ganz andere."
Warum habt Ihr Euch dann noch nicht zu einer Komplett-Absage von Parookaville in 2021 entschlossen?
Dicks: "Weil die Lage weiterhin sehr dynamisch ist. Der große Vorteil bei uns als Elektro-Festival ist, dass nicht Rockbands samt Trucks und Crew anreisen sondern DJs. Die fliegen mal eben von A nach B, haben lediglich einen USB-Stick dabei und spielen auf der von uns vorprogrammierten Bühne ihre Show. Deshalb haben wir jetzt noch ein bisschen zeitlichen Spielraum, die Entwicklung zu beobachten."
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Auf welcher Basis könntet Ihr Euch ein Festival in diesem Jahr überhaupt vorstellen?
Dicks: "Beim Thema Immunitäts-Pass sind wir zum Beispiel ganz raus. Und für uns ist es wichtig, dass es keine Abstandsregeln und auch keine Maskenpflicht gibt. Das könnte keiner kontrollieren. Man muss Parookaville weitestgehend so feiern können, wie es die Besucher aus den letzten Jahren kennen - auch wenn es ein paar Einschränkungen geben könnte."
Welche meinst Du?
Dicks: "Ob wir es schaffen in der Kürze der Zeit alles in der Stadt Parookaville so rauszuputzen wie bisher, weiß ich nicht. Und es wird auch sicherlich ein anderes Line up geben, als wir es eigentlich im vergangen Jahr geplant hatten, weil die DJs im September andere Routen auf der Welt haben. Trotzdem wollen wir die letzte kleine Chance mit einer Absage noch nicht vergeben."
Wenn man auf die junge Besucherstruktur bei Parookaville schaut, sind viele Ticket-Besitzer möglicherweise auch im September noch nicht geimpft. Wären denn Schnelltests eine Option?
Dicks: "Wir haben viel über Konzepte wie Schnelltests diskutiert. Aber für Festivals, die mehrere Tage dauern, ist das entweder zu teuer oder zu unpraktikabel. Jeder Besucher müsste diesen Schnelltest an jedem Tag machen. Da hätten viele Leute am Ende keinen Bock drauf, wenn sie dann für jedes Mal auch noch zehn Euro zahlen müssten."
2020 haben 70 Prozent der Parookaville-Bürger ihre Tickets behalten. Was würde mit den Eintrittskarten bei einer erneuten Absage passieren?
Dicks: "Die Leute müssen sich keine Sorgen machen. Wir machen es fair und unkompliziert wie im letzten Jahr. Sie hätten erneut die Wahl, ihre Tickets für das Folgejahr zu behalten oder alternativ den Kaufpreis ersttatet zu bekommen. Aber wir hoffen natürlich, dass die Leute uns treu bleiben und die Tickets behalten. Das würde uns enorm helfen."
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Ihr habt zahlreiche Partner und arbeitet mit vielen Firmen auch aus der Region zusammen. Habt ihr bei denen schon vorgefühlt, ob ihr im September auf sie zählen könntet?
Dicks: "Klar, wir haben mit dem Flughafen, der Gemeinde und den Behörden schon gesprochen. Wir merken aber auch, dass die Veranstaltungsbranche arg gelitten hat und einzelne Dienstleister nicht mehr aus dem vollen Personal-Pool schöpfen können. Viele Mitarbeiter von Firmen, die sonst selbstverständlich etwa als Dekorateur dabei waren, haben sich umorientiert und arbeiten jetzt zum Beispiel auf dem Bau."
Wie steht es denn um die Parookaville GmbH mit rund 30 Festangestellten in Weeze? Arbeitet ihr noch in voller Teamstärke?
Dicks: "Bei uns sind derzeit bis auf die Geschäftsführer alle in Kurzarbeit. Wir haben es aber gerade damit geschafft, dass sie nicht abwandern müssen, sondern sofort loslegen und Gas geben könnten."
Bis wann müsst Ihr denn entscheiden, ob der September für Euch eine Option wird?
Dicks: "Das können wir noch einige Wochen offenlassen – länger aber nicht."
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Es gibt Spekulationen, dass das belgische Festival Tomorrowland ebenfalls eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte erwägt. Bisher war das Event stets am gleichen Wochenende wie Parookaville, was beim Buchen der Künstler durch die Nähe zu Boom (bei Antwerpen) stets von Vorteil war. Seid Ihr da im Gespräch?
Dicks: "Wie man schon in einigen belgischen Zeitungen lesen konnte, prüfen die Organisatoren von Tomorrowland, ob sie auf das letzte Wochenende im August und auf das erste Wochenende im September verschieben können. Diese zeitlichen Optionen kommen für uns aber kaum in Frage, da an diesen Wochenenden schon zahlreiche Events geplant sind und es dann mit dem Line up sehr schwierig werden würde."
Falls Parookaville 2021 doch komplett ausfallen müsste, käme ein Mini-Parookaville mit Livestream wie 2020 erneut in Frage?
Dicks: "Natürlich haben wir auch einen Plan für diesen Fall. Genaueres will ich an dieser Stelle aber noch nicht verraten. Wir sollten die nächsten Wochen noch mal alle die Daumen drücken und schauen, ob es einen Festival-Sommer geben kann oder nicht. Bald wissen wir mehr."