Leipzig. Zum heutigen 200. Geburtstag des bedeutenden deutschen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy.
Robert Schumann nannte ihn den "Mozart des 19. Jahrhunderts", Goethe tätschelte den blond gelockten Knaben: hoch begabt, gebildet und begütert lebte Felix Mendelssohn Bartholdy auf der Überholspur künstlerischer Erfolge. Kaum länger als Mozart, aber nicht minder erfolgreich, wenn auch nicht ganz so schnörkellos. Daran war nicht erst Richard Wagner mit seiner Schmähschrift "Über das Judentum" schuld, der in Mendelssohn den Beweis sah, dass auch "ein Jude von reichster spezifischer Talentfülle sein, die feinste und mannigfaltigste Bildung, das gesteigertste, zartestempfindende Ehrgefühl besitzen kann, ohne durch die Hilfe aller dieser Vorzüge es je ermöglichen zu können, auch nur ein einziges Mal die tiefe, Herz und Seele ergreifende Wirkung auf uns hervorzubringen, welche wir von der Kunst erwarten."
Wagners Pamphlet
Haltlose Vorteile, die die Nazis dankbar aufgriffen und lange nachwirkten. Auch nach dem Krieg siedelte man Mendelssohn noch als "Ersten in der Zweiten Reihe" an und bescheinigte ihm eine glatte klassizistische Oberflächlichkeit. Mittlerweile steht dieser "Fall Mendelssohn" allerdings nicht mehr im Zentrum der Mendelssohn-Rezeption.
Interessanter ist die Frage, wieso es Mendelssohn bereits zu Lebzeiten, lange vor Wagners Pamphlet, nicht gelang, als Komponist die Wertschätzung er erzielen, die ihm als Pianist, Dirigent und Forscher Weltruhm einbrachte. Seine ihm vergönnten 38 Lebensjahre waren offenbar zu kurz, um zeitraubende Karrieren als Musikdirektor in Düsseldorf, Berlin, Birmingham und Leipzig mit seiner kompositorischen Arbeit zeitlich in Einklang zu bringen. Wichtiger ist noch sein geradezu zwanghaftes Bemühen, sich von seinen jüdischen Wurzeln zu lösen und sich als getaufter und bekennender Protestant zu beweisen. Der sensationelle Erfolg des 20-Jährigen mit der erstmaligen Wiederaufführung von Bachs "Matthäus-Passion", seine zahllosen geistlichen Kompositionen, die Verflechtung protestantischer Inhalte mit der Instrumentalmusik wie in seinen 2. und 5. Symphonien, dem "Lobgesang" und der "Reformations-Symphonie", sind beredter Ausdruck seines inneren Drucks. Dabei haben es gerade diese Werke niemals zu der Popularität gebracht wie seine Highlights, die "Sommernachtstraum"-Ouvertüre, die "Schottische" und die "Italienische" Symphonie, das Violinkonzert, das Oktett und der "Elias". Auch die Oratorien um den alttestamentarischen, noch grundjüdischen Propheten "Elias", den konvertierten" "Paulus" und letztlich den "Messias" persönlich im unvollendet gebliebenen "Christus", drücken dieses Dilemma aus. Angesichts der dramatischen Schlagkraft des beliebten "Elias" bleibt es ein Rätsel, warum Mendelssohn, der plastische Schauspielmusiken u.a. zum "Sommernachtstraum", zur "Antigone" und zum "Ödipus" geschrieben hat, als Opernkomponist der Erfolg versagt geblieben ist.
Und doch ein Denkmal in Leipzig
Seine sieben Opern sind weitgehend vergessen und wirken wenig inspiriert. Die Oper als sinnlich opulente Kunstform widerspricht deutlich Mendelssohns asketisch-protestantischem Empfinden, woraus sich auch seine Abneigung gegen Komponisten wie Hector Berlioz erklären lässt. Frieder Reininghaus ist zuzustimmen, wenn er den "Elias" als "beste Oper Mendelssohns" bezeichnet.
Es gibt noch eine Menge aufzuarbeiten an dem Berliner Bankierssohn. Mit der späten Wiedererrichtung des von den Nazis zerstörten Denkmals in Leipzig vor einem Jahr ist das Kapitel des jüdisch diskriminierten Mendelssohn weit gehend überwunden. Mendelssohns eigene zerrissene Haltung gegenüber dem Juden- und Christentum hält dagegen noch viele Fragen offen. (NRZ)