Haldern. . Die NRZ stellt alle Bands des 35. Haldern Pop Festivals vor. Heute nehmen wir Curtis Harding, Fink, Hope, Chad Lawson und weitere ins Visier.

Die NRZ präsentiert auch 2018 das Haldern Pop Festival vom 9. bis zum 11. August. Wir stellen die Bands vor und heute geht’s los. die Angaben zu Tag und Bühne sind unter Vorbehalt zu sehen, da ist noch reichlich Bewegung im Zeitplan möglich.

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Zur Erklärung: Für jede Band haben wir ein Erlebnispotenzial bewertet. Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb versuchen wir gar nicht erst die Qualität der Musik zu bewerten. Das soll jeder Zuhörer für sich selbst tun. Wir versuchen mit dieser Wertung einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Konzert für Sie zum Erlebnis werden kann.

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Ist die Musik leicht zugänglich? Gibt’s Ohrwürmer? Ist es eher eine Nischenband? Inwieweit kann die Band am jeweiligen Spielort gut funktionieren? Wir haben es uns nicht leicht gemacht und trotzdem werden wir sicher nicht immer recht haben. Es ist eine bescheidene Entscheidungshilfe.

Chad Lawson (Do, Kirche): Der vielfach preisgekrönte Pianist und Komponist ist ein großer Name in der Klassik und im Jazz. Womöglich unbewusst haben viele schon seine sanften Stücke gehört, da doch die Werbung und etliche TV-Produktionen sich seiner Variationen gerne bedienen.

Etliche seiner Veröffentlichungen waren sehr erfolgreich. Zweifelsohne ist Chad Lawson nicht der Künstler, den man offensichtlich beim Haldern Pop vermuten würde. Aber womöglich haben das Festival und der US-Musiker sich über die Jahre angenähert. Das in 2018 erschienene Album „Re: Piano“ präsentiert das Piano in einer sehr modernen Auffassung. Die verträumten Melodien muten elektronisch an. Effekte und Loops tragen die Musik in universellere Sphären. Musik für: jene, die sich der Ruhe beim Festival verschreiben können. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Nocturne in a Minor“ (Live), „Heart in Hand“

Curtis Harding: Steht er vor dem großen Durchbruch? Foto: Matthew Correia Curtis Harding (Fr, Hauptbühne): 2015 sollte der US-Musiker schon mal zum Haldern Pop kommen, musste aber kurzfristig absagen. Heute ist Harding eine andere Hausnummer. Nach dem Debütalbum „Soul Power“ folgte 2017 das Album „Face Your Fear“. Dem ehemaligen Background-Sänger von Cee-Lo Green kann man den großen Durchbruch zutrauen. Im Netz wird er schon millionenfach geklickt.

Wurde sein Soul auf der Debütplatte noch mit reichlich Garage-Rock, Blues, Psychedelia und Postpunkt gewürzt, so kommt sein Retro-Sound jetzt noch tanzbarer und radiotauglicher daher. „Need Your Love“ ist so ein Ohrwurm. Die Stimme ist – typisch Haldern – mindestens genial. Musik für: die tanzende Masse. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Hörprobe: „On and On“

Fink kehrt nach 2014 zum Haldern Pop zurück. Foto: Clemens Fink (Do, Hauptbühne): Als Haldern Pop 2014 Fink zum Festival einlud, befanden die Macher, dass der Engländer Fin Greenall bzw. das Trio, das hinter dem Namen steht, mehr Aufmerksamkeit verdienten. Tatsächlich hat der einstige DJ, der den Wandel zum Singer-Songwriter meisterte, seither Erfolge gefeiert. Seine Alben marschierten in die Charts.

Zuletzt beeindruckte der heute in Berlin ansässige Künstler mit dem Album „Resurgam“, auf dem erneut seine Kompagnons Tim Thornton (Schlagzeug) und Guy Whittaker (Bass) mit von der Partie sind. „Durch die charakteristisch variierende Rhythmik schimmert der Blues klar hindurch und vermengt sich mit Greenalls dunklem Gesang zu einer von Intensität geprägten Präsenz“, umschreibt es Haldern Pop treffend.

Seine gefühlvolle Stimme lässt sich aus vielen raushören. „Word to the Wise“ darf etwa als Gänsehaut-Garant empfohlen werden. Auffällig ist auch die Tiefe und die Klangperfektion der Stücke. Es sind Kleinigkeiten, die den Liedern Besonderheiten verleihen. Minimalistisch das Maximale heraus geholt. Es wird spannend sein, ob Fink live diese Tiefe rüber bringen kann. Musik für: perfektionistische Genießer. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörprobe: „Cracks Appear“

Hope (Fr, Spiegelzelt): Nach Kaltern Pop und Rock im Saal schaffen es die Berliner nun zum Haldern Pop. Die Musik wirkt wie ein düsteres Gesamtkunstwerk. Während Sängerin Christine Börsch-Supan – starke Bühnenpräsenz – mit kristallklarer Stimme emotionale Abgründe in Worte fasst, vernebelt die Musik den Geist.

Einflüsse aus Industrial, Indie, Ambient und Post-Rock, ausgedrückt durch hypnotisierende Synthie-Sounds, satte Bässe, treibende Gitarren, sind zu hören. Es krächzt, kratzt und klammert sich an die Seele. Die Stücke „Kingdom“ und „Drop Your Knives“ erzielen live die nachhaltigste Wirkung. Ihr Album „Hope“ ist 2017 bei Haldern Pop Recordings erschienen. Musik für: die düstere Offenbarung. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Lisa Hannigan tritt diesmal gemeinsam mit Stargaze auf. Foto: Haldern Pop Lisa Hannigan & Stargaze (Do, Kirche): Auch die Irin hat bleibende Eindrücke in Haldern schon hinterlassen. Diesmal setzt Haldern Pop noch einen drauf, indem die einstige Begleitsängerin von Damien Rice mit dem Ensemble Stargaze zusammen auftritt.

Wie Passend: Im April ist ein Tonträger von Hannigan mit The Colorist Orchestra erschienen, auf dem fünf ihrer Stücke in orchestraler Form zu hören sind. Ihre sonst sehr intime, sanfte Musik bekommt eine monumentalere Dimension. Das könnte live spannend werden. Allerdings wird etwas geheimnisvoll „Beethoven“ für das Konzert angekündigt. Musik für: emotionale Perfektionisten. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörprobe: „Undertow“, „We, the Drowned“ (mit The Colorist Orchestra)

Seun Kuti & Egypt 80 (Fr, Hauptbühne): Der Nigerianer führt das Erbe seines gesellschaftskritischen Vaters Fela Kuti, der Afrobeat-Pionier, fort. Seit seinem 14. Lebensjahr verleiht Seun Egypt 80, der Band seines Vaters, seine Stimme. Sowohl neue Stücke als auch Lieder seines Vaters sind bei Konzerten zu hören.

Die polyrhythmische Musik wird die Zuhörer zum Tanz nötigen. Funk, Jazz, auch ein bisschen Soul prägen den Stil, der seine Heimat nicht leugnen kann. Den Bläser-Fanfaren wird viel Raum geschenkt. Musik für: die willkommene Afrikanisierung des Haldern Pops. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörprobe: „Black Woman“, „Rise“

HipHop für Puristen – das bietet Sampa the Great Foto: Aria Shahrokhshahi Sampa the Great (Fr, Spiegelzelt): Die afrikanische Rapperin, die in Sambia geboren wurde und in Botswana aufwuchs, präsentiert sanfte HipHop-Klänge, mit R’n’B-Einflüssen und mit pfiffigen Percussions, die sich an etablierten US-Vorbildern orientieren. Gewichtige poetische Worte, viel Flow und eher weniger Ohrwurm-Melodien dürfen erwartet werden. Musik für: HipHop-Puristen. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Black Girl Magik“ (mit Nicole Gumbe), „Dutch Spring“

Ariel Pink (Sa, Spiegelzelt): Satte 22 Tonträger hat der Musiker aus Los Angeles, USA, seit dem Jahr 2002 veröffentlicht. Was ist der gemeinsame Nenner? Alles ist Lo-Fi produziert. Also ganz bewusst nicht in hoher Qualität. Zum Teil ist es derart Lo-Fi, dass man sich kaum vorstellen kann, wie das live klingen mag.

Der etwas bizarr anmutende Exzentriker, der im Spiegelzelt das Festival in der Nacht zu Sonntag abschließen wird, sorgt für einen poppigen Retro-Sound. Psychedelisch, etwas Glam, etwas Surf-Rock – man wähnt sich in einem 70er-Jahre-Motto-Kino. Bei den Texten sollte der Zuhörer bitte keinen Tiefgang erwarten. Musik aus: einem wunderlichen Paralleluniversum. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Another Weekend“, „Feels Like Heaven“

Eine junge Britin mit einer kraftvollen Stimme: Jade Bird. Foto: Haldern Pop Jade Bird (Fr, Kirche): Die junge Britin hat eine kraftvolle Stimme mit sattem Vibrato, der man live zutrauen darf, den Zuhörer zu packen. Aber sie kann’s auch ganz zerbrechlich und zurück genommen, was ihr in der St. Georg-Kirche womöglich zugute kommen wird. Blues und flotter Americana färben ihren Stil. Das Musikmagazin „Rolling Stone“ sieht sie gar als New Country-Artistin.

Ihre Single „Lottery“ erregt in den USA Aufmerksamkeit, ein vollwertiges Album steht nach ihrer Debüt-EP „Something American“ noch aus, vielleicht bekommt das Haldern Pop-Publikum schon neue Lieder daraus zu hören. Musik für: die Power-Country-Momente. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Lottery“, „Something American“ (Live)

Die Musikkritiker loben Nilüfer Yanya. Foto: Haldern Pop Nilüfer Yanya (Do, Kirche): Die Musik-Kritiker haben die junge Londonerin mit irisch-türkischem Hintergrund für 2018 weit oben auf der Liste, obwohl sie noch gar nicht viele Lieder veröffentlicht hat. Ein vollwertiges Album steht noch aus. Im Februar ist die EP „Do You Like Pain?“ erschienen. Als Support trat Yanya, die auch Piano und Gitarre spielen kann, schon für bekanntere Gruppen wie Broken Social Scene und The XX auf.

Eine starke Stimme wird in ihren emotionalen Liedern gepaart mit modernem Pop-Rock, der auch Raum für R’n’B-Elemente lässt, auch ein bisschen Folk. Musik für: ewig suchende Pop-Fans. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Baby Luv“, „Thanks 4 Nothing“

Seamus Fogarty (Fr, Jugendheim): Der irische Liedermacher ist ein musikalischer Landstreicher. Seine Folk-Klänge verbreiten die von vielen gewünschte Lagerfeuer-Atmosphäre, die in diesem Fall auch mal im Suff enden kann. Neben den intimen Stücken, überraschen manche Lieder auf dem jüngsten Album „The Curious Hand“ durch kräftige Rhythmen, die auch größere Bühnen einnehmen würden.

Auch einige elektronische Spielereien durchbrechen die Idylle auf dem Nachfolger des Debütalbums „God Damn You Mountain“. Die Musik wandelt zwischen nachdenklich und verspielt. Musik für: Neo-Folk-Fans. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Van Gogh’s Ear“, „Carlow Town“

Marlon Williams (Sa, Spiegelzelt): Dieser Neuseeländer, der in seiner Heimat etliche Preise abgeräumt hat, erinnert stark an Roy Orbison. Der starke Gesang wird dabei von verträumten, melancholischen Melodien ummantelt. Ein bisschen Folk, Alternative Country und Blues sind zu hören – ein zeitloser Klang für entsprechende Stimmungen.

Auf dem aktuellen Album „Make Wake for Love“ verarbeitet Williams die Trennung von der Sängerin Aldous Harding, heißt es – tatsächlich gibt’s mit „Nobody Gets What They Want Anymore“ auch einen gemeinsamen Song. Ja, Schmerz hat schon oft zu großer Kreativität geführt. Musik wie: Roy Orbison 2.0. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „What’s Chasing You“

Aquilo spielen Dream Pop. Foto: Haldern Pop Aquilo (Do, Spiegelzelt): Das englische Duo aus Silverdale hat im Frühjahr das zweite Album unter dem Titel „ii“ veröffentlicht, nachdem es das Debüt „Silhouettes“ immerhin in die UK-Charts geschafft hatte. Ihr völlig entspannter Dream-Pop/Ambient vermittelt Emotionen auf eine subtile Art und Weise. Und zwar lebensbejahender Natur.

Die Klänge sind detailverliebt produziert und haben durchaus eine gewisse Wucht, die das Mark kitzelt. Das dürfte sich live entsprechend hymnisch entfalten. Tom Higham, der mit Ben Fletcher das Duo bildet, singt gerne im Falsett, kann es aber auch aus dem Bauch heraus. Musik für: den sommerlichen Groove. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Silent Movies“, „Thin“

Reverend Beat-Man & The New Wave (Do, Spiegelzelt): Der Schweizer Beat Zeller war gerne mal als Ein-Mann-Band unterwegs, nun hat er The New Wave im Gepäck. Jüngst hat der Musiker, der schon seit den 80er-Jahren als solcher unterwegs ist und unter anderem Mitglied der Gruppe The Monsters war, das Album „Blues Trash“ veröffentlicht – der Name ist Programm.

Verspielte Gitarren, Akkordeon-Akzente, ansprechende Percussions, ein rotziger Gesang und eine gewisse Spitzbübischkeit prägen diesen Tonträger. Sein 1992 gegründetes Label Voodoo Rhythm Records bezeichnet er als „Hafen für Außenseiter“. Musik als: willkommener Seelenschliff. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „I Have Enough“, „The White Wolf Is Back in Town“

Fabrizio Cammarata wird in der St. Georg-Kirche auftreten. Foto: Nicola Bernardi Fabrizio Cammarata (Fr, Kirche): Der Sizilianer bietet eine universelle Emotionalität, die weltweit verstanden werden kann. Sein Album „Of Shadows“ ist auf dem Label Haldern Pop Recordings erschienen. Es lässt allerdings keine sizilianischen Einflüsse erkennen. Sehr wohl aber ist Cammaratas Vorliebe für den mexikanischen Sänger Chavela Vargas prägend.

Die Stimme des Italieners reißt mit, auch das elegante Gitarrenspiel überzeugt vollends. Der Auftaktsong „Long Shadows“, ein schmachtender Ohrwurm, ist live besonders ergreifend. Musik für: die totale Intimität. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „In Your Hands“