Köln. Als Kind wurde sie ausgelacht, heute ist Beth Ditto Punksängerin, Liebling der Klatschpresse und "Lagerfelds dickste Freundin". Mit ihrer Band "Gossip" gab sie in Köln ihr bislang größtes Konzert - und brachte dabei spielend die Bühne zum Beben.
Wie nähert man sich einem Phänomen? Von dem man nicht genau weiß, ob es sich auf ein Verfallsdatum zubewegt oder etabliert hat - als Stilikone, Liebling der Klatschpresse oder „Lagerfelds dickste Freundin”? Alles das sagt man von Beth Ditto (28), Punkrocksängerin der Band „Gossip”, was soviel heißt wie Tratsch. Man rückt ihr am besten, soweit es in der überfüllten Kölner Musikhalle „Palladium” möglich ist, auf die dicke Pelle - bei einem Konzert. Beth Ditto muss momentan für vieles herhalten. Am besten kann sie singen.
Eifersucht auf Freunde der Freundinnen
Sie geht immer noch erstaunlich lässig mit der Popularität um, die ihr gerade widerfährt, der „fetten Lesbe aus Arksansas”, wie sie sich selbst bezeichnet. Beth Ditto war ein dickes, gehänseltes Mädchen, aufgewachsen im frommen „Bibelgürtel” der USA, das schon früh feststellt, das es auf die Freunde ihrer Freundinnen eifersüchtig ist, weil es gerne an deren Stelle wäre.
Ein Teenager, den die Mutter bittet, beim Schwimmen doch lieber ein T-Shirt anzulassen, der Trost sucht im rotzigen Punk, wird nun plötzlich nackt und fleischig für Hochglanztitelseiten in Szene gesetzt und zum Liebling der regenbogenbunten Schlagzeilen, die mit ihren wahlweise 90 bis 110 Kilo Lebendgewicht spielen: „Dick im Geschäft” oder „Pfundiger Superstar”. Sie sitzt bei den Modeschauen in Paris ganz vorne, Magermodel Kate Moss dicht an sich geschmiegt, als hätte die schon immer eine Schwäche für schwellendes Fleisch gehabt.
Ob die ganze Aufmerksamkeit eher Fluch ist oder ein Segen, wird sich zeigen. Ohne sie würden Gossip immer noch in kleinen Clubs spielen vor ein paar Dutzend Zuschauern, Ditto würde sich, einfach weil es Punk ist, beim zweiten Lied bis auf die Unterwäche ausziehen, den Schweiß von den Oberarmen schütteln und mit der ersten Reihe flirten.
Dampfender Punkpop-Rock
Jetzt, im Palladium, spielt sie vor vielen tausend Menschen: „Das ist der größte Gig, den Gossip je hatte, danke Köln”, ruft sie ins begeisterte Publikum, das die meisten ihrer Lieder der neuen CD „Music for Men” kennt, solider, dampfender Punkpop-Rock, gespielt von zwei Männern an Gitarre und Bass und einer extrem harten, präzisen und guten Schlagzeugerin, Hannah Blilie, die mit Teddy-Tolle und flächendeckender Tätowierung auf dem hageren Körper ein Gegenentwurf zur kugelrunden Frontsängerin mit dem momentanen Karottenschopf ist. Beth Dittos Stimme - die ist engelsgleich hell und höllisch laut zugleich, vor allem beim Hit „Heavy Cross”, aber auch bei Coverversionen von „Lady Marmalade” oder „What's love got to do with it” von Tina Turner. Diesmal zieht sie sich nicht aus, das giftgrün-schwarz getigerte Ballon-Korsagenkleid ist viel zu eng dazu, ab und zu nestelt sie am Ausschnitt oder greift sich unter den Rock, um den Schlüpfer zu richten.
Ansonsten läuft und stampft und hüpft die kleine Sängerin mit bemerkenswerter Kondition, lässt die große Bühne beben, die Augen kohlschwarz von verlaufenem Make-Up, die Haare nass.
Punk eben.
Vor ein paar Wochen schaffte sie es tatsächlich, TV-Moderator Stefan Raab zu irritieren, als sie vergeblich versuchte, ihre dicken Beine auf dem Sofa übereinander zu schlagen. Sie kicherte dabei.
Sie denkt nicht ans Abnehmen
Die letzte bunte Schlagzeile über Ditto stammt aus der vergangenen Woche. Sie habe Depressionen wegen ihres Aussehens, hieß es. Sie wolle abspecken. Die Nachricht machte wie ein Lauffeuer die Runde. Beth Ditto, spitznasig bei Wasser und gedünstetem Gemüse? Hat die Schicki-Szene ihr dickes „It-Girl” bereits satt? Nein, ließ sie in Köln ausrichten. Sie habe sich nie schöner gefühlt und denke garnicht daran, abzunehmen. Phänomenal eben.