KONZERT. Bruce Springsteen in Düsseldorf: Der Sound war schlecht, das Stadion nicht ausverkauft, der Strom weg und zu sehen gab's den Boss vor allem auf Video. Kurz: Es war großartig, wie immer.
DÜSSELDORF. 23.30 Uhr, in der S-Bahn klingelt mein Handy. "Sabine hier, wie war Springsteen? Was hat er gespielt?" Alte Sachen, zu zwei Dritteln. Wie es war? 38 000 Leute, nicht ausverkauft, der leider häufige Soundmatsch großer Stadien, oft jedenfalls. Anfangs zwei kurze Stromausfälle auf der Bühne - Springsteen assoziiert Erektionsstörungen. Klar - in dem Alter.
Meist sieht man den 58-Jährigen auf der Videoleinwand. Ansonsten muss man ihn mit der Handykamera suchen im verzweifelten Versuch, magische Momente festzuhalten wie bei "The Rising". Da kann sich der US-Großmeister noch so oft auf Stegen ins beifallrauschende Menschenmeer begeben - damit macht er Dutzende glücklich: Bruce zum Anfassen. Für den Rest ist's weitgehend ein Videoereignis. Aber ein Ereignis.
Warum? Weil Sabines zweite Frage lautete: "Weißt du noch? Mit einer Springsteen-Kassette fing alles an." Gestern vor 23 Jahren, "Born in the USA". Aber warum soll ich die Geschichte erzählen von meinem missionarischen Eifer bei ihr, dem Wham-Fan? Wo er den Song nicht gespielt hat?
Seine Geschichten sind auch unsere Geschichten
Weil es nicht nur die Sabine-Geschichte gibt. Sondern die vom 20-Mark-Schein und der Lebensentscheidung im "Musikmarkt": Bruce Springsteens Nebraska oder Chris Reas "Shamrock Diaries". Weil "Blinded by the Light" bei Hilde mein Handy-Klingelton ist. Weil man "Because the Night" in einem Ford-Fiesta mit Stones-Zunge auf der Motorhaube noch besser mitgröhlen kann als in der LTU-Arena.
Weil Springsteen die Stimme einen Hauch tiefer rutscht im Song "Darlington County", als er die Geschichte zweier New Yorker Jungs intoniert, die am Unabhängigkeitstag einen drauf machen und prahlen: "Jedem unserer Väter gehört ein Turm des World Trade Centers." Weil da spürbar wird, wie seine Geschichten in die Geschichte seines Landes und unseres Lebens eingewoben sind.
Weil drei Viertel der 38 000 jedes Wort von "The River" auswendig können und wissen, dass man seine Sorgen immer zum Fluss trägt. Weil die Mutter aus Nordbögge die Augen verdreht, als ihr Sohn sagt: "Schlecht war er nicht, aber Lotto King Karl ist cooler."
Jeder muss entscheiden, wen er für den Soundtrack seines Lebens verpflichtet. 38 000 hatten 28-mal die Chance, Szenen ihres Lebens zwischen "Jackson Cage" und "American Land" nachzuspüren. Besonders viele waren es bei "Trapped", dem Lied, das Gänsehäute hörbar macht. Das ist auch eine Sabine-Geschichte - gestern passiert vor 20 Jahren. Aber die wollen wir beide nicht in der Zeitung lesen. (NRZ) Mehr Bilder: www.derwesten.de/nrz. Der Soundtrack: www.brucespringsteen.net.