Essen. Mit dramatischen Waldbildern deckt die Arte-Doku „Wie Ikea den Planeten plündert“ auf, wie der schwedische Möbel-Konzern Holz erntet.

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet, tobt in den Wäldern Rumäniens eine brutale Schlacht: Waldschützer gegen organisierte Holzfäller, die nicht vor Gewalt oder gar Mord zurückschrecken. Naturschutz-Aktivist Gabriel Paun jedenfalls wurde schon mehrfach verprügelt, wie ein „Sack Kartoffeln“, nur weil er per Drohne Baumschäden dokumentierte. Und sechs seiner Kollegen starben unter ungeklärten Umständen – vermutlich, weil sie verhindern wollten, dass hundert Jahre alte Bäume illegal gefällt werden.

Der im großen Maßstab vollzogene Raubbau an Europas ältesten Wild- und Urwäldern offenbart inzwischen riesige kahlgeschlagene Flächen, die die Hänge destabilisieren. Aber auch tiefe Verletzungen im Waldinneren, wo bis zu drei Meter tiefe Schneisen für den Abtransport geschlagen wurden, die den Boden bleibend erodieren lassen. „Als wenn sie den Wald hassen würden“, kommentieren die Umweltschützer das Vorgehen, und machen die Profitgier eines schwedischen Möbelhauses dafür verantwortlich: An die 20 Prozent des rumänischen Waldes gehören Ikea.

Rund 90 Prozent der IKEA-Möbel werden außerhalb Schwedens produziert.
Rund 90 Prozent der IKEA-Möbel werden außerhalb Schwedens produziert. © Arte. | DISCLOSE Films

„Wie Ikea den Planeten plündert“: Eine Arte-Doku auf den Spuren des schwedischen Möbelhauskonzerns

Schon der Titel markiert, auf welcher Seite die Filmemacher Marianne Kerfriden und Xavier Deleu stehen, die mit ihrer Dokumentation für Arte France durch die halbe Welt reisten: Von den Wäldern im hohen Norden Schwedens bis in die Naturwälder Polens und Rumäniens, über weite Flächen in Neuseeland bis hin zu Plantagen in Brasilien folgten sie den Lieferketten des Möbelmultis mit über 44 Milliarden Euro (!) Jahresumsatz, um nachzuweisen „Wie IKEA den Planeten plündert“ (heute um 20.15 Uhr auf Arte sowie in der Mediathek). Dabei deckten sie weltweite Verbindungen zu einer unkontrollierten Holzproduktion auf. Und machen klar, wodurch der Planet den Preis zahlt für billige Billys, Kallax und Lack, die sich angeblich jeder leisten kann.

Höchste Zeit, kann nur sagen, wer den desillusionierenden Film gesehen hat, mit Fast Furniture Schluss zu machen. Oder brauchen wir tatsächlich jedes zweite Jahr eine neue Einrichtung im neuen Design, in einer neuen Farbe? Das Neuro-Marketing des Möbelmultis zielt genau darauf ab – nicht nur in Europa und den USA, auch in China, den Arabischen Staaten und selbst in Lateinamerika, wo bis 2030 sieben Einrichtungshäuser entstehen sollen, soll mit den flach verpackten Selbstbau-Billigmöbeln ein „glückliches Familienleben, nach Vorbild des schwedischen Wohlfahrtsstaates“, zur Norm werden.

Von Ikea abgeholzte Flächen in Rumänien.
Von Ikea abgeholzte Flächen in Rumänien. © Arte | DISCLOSE Films

Jedes Jahr 20 Millionen Kubikmeter Holz

Dabei verarbeitet Ikea als größter Möbelproduzent der Welt jetzt schon jedes Jahr 20 Millionen Kubikmeter Holz – einen Baum alle zwei Sekunden. Um diesen immensen Holzhunger zu befriedigen, kauft der Konzern überall eigene Flächen für den Kiefernanbau an, ungeachtet dessen, ob die Monokulturen in die Landschaft passen. Gleichzeitig wirbt der gefräßige Konzern mit Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit, was nur als Greenwashing bezeichnet werden kann: Die angeführte FSC-Zertifizierung ist ein reines Marketing-Label. Und der hauseigne „Iway-Standard“ schiebt als Verhaltenskodex alle Verantwortung auf die lokalen Zulieferer.

Vier von fünf Sternen.