Essen. Die drei neuen Folgen der ARD-Krimiserie sind erstklassige Unterhaltung. Inhaltlich als auch optisch wird viel Abwechslung geboten
Alle Jahre wieder geht es kurz nach den Feiertagen in der ARD Richtung „Nord bei Nordwest“. Ins fiktive Schwanitz, wo das Verbrechen tobt, wie sonst nirgendwo an der Küste im deutschen Fernsehen. Und wie in den Vorjahren muss Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) an diesem und den kommenden Donnerstagen (20.15 Uhr, ARD) gleich drei neue Fälle lösen.
In „Kobold Nr. 4“, dem ersten davon, könnte mancher Zuschauer zu Beginn erst einmal prüfen, ob er auch im richtigen Film ist. Keine zehn Minuten dauert es, bis nach einer wilden Schießerei vier Menschen tot sind. Was nur die örtlichen Bestatter freut. „Vielen Dank für die vielen Neuzugänge.“ Lesen Sie hier: Promi-Darts-WM auf Prosieben - Diese Stars sind dabei
Für die zwölfjährige Paula dagegen ist die Schießerei, die sie – versteckt hinter einem Vorhang – mit ansehen muss, der Beginn eines Alptraumes. Denn als die Killer, die sich als Polizisten ausgeben, von ihrer Existenz erfahren, beginnt eine rücksichtslose Jagd auf die junge Zeugin, in der nach und nach nicht nur Jacobs und seine Kollegen Hannah Wagner (Jana Klinge) hineingezogen werden, sondern halb Schwanitz. Immer mysteriöser wird der Fall, zumal niemand weiß, was es mit dem Zettel aus der Tasche eines Opfers auf sich hat, auf dem nur „Kobold Nr. 4“ steht.
Fall zwei mischt gekonnt Krimi und Agenten-Thriller
Fall zwei mit dem Titel „Der doppelte Lothar“ mischt gekonnt Krimi und Agenten-Thriller. Lothar Müller, von seinen Freunden auch gerne „Lottchen“ genannt, ist Handelsvertreter und viel unterwegs. Als er tot an der Küste gefunden wird, müssen seine Frau Susanne und ihre Tochter feststellen, dass sie nicht die einzige Familie des Toten waren. Der Mann führte ein klassisches Doppelleben. Für die örtliche Polizei wird der Fall bald zu groß. Deshalb gibt es ein Wiedersehen mit dem Ex-Agenten Reimar Vogt (Peter Prager), dem Vater von der im Dienst erschossenen Lona Vogt. Gemeinsam lösen sie nach einigen überraschenden Wendungen das Rätsel um den ermordeten Handelsvertreter.
„Die letzte Fähre“ heißt die dritte und letzte Episode des Jahres. Und nie zuvor gab es einen schrägeren Küstenkrimi im deutschen Fernsehen. Es ist eine Geschichte, auf die man sich als Zuschauer einlassen muss und die am besten funktioniert, wenn man in der Serie zu Hause ist. Als Jacobs nach einem Schusswechsel mit einem geflüchteten Raubmörder wieder erwacht, ist seine Welt eine andere, steht Schwanitz Kopf. Zwar sind alle, die er kennt und mag, in diesem Parallel-Universum noch da, aber jeder führt ein komplett anderes Leben. Das gibt dem Drehbuch Gelegenheit, völlig neue Konstellationen durchzuspielen und Antworten auf diverse „Was wäre, wenn“-Fragen zu geben, ohne am Grundkonzept der Reihe zu rütteln. Jedenfalls bis Hauke merkt, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, um aus diesem Alptraum wiederzuerwachen, der manchmal ein wenig an den legendären Münster Tatort Limbus erinnert.
„Nord bei Nordwest“ spielt in eigener TV-Liga
Unterschiedlicher als in diesem Jahr waren die „Nord bei Nordwest“-Episoden selten. Alle drei zeigen einmal mehr, dass die Reihe im deutschen Fernsehen in einer eigenen Liga spielt. Bei aller Härte und allen düsteren Augenblicken kommt aber die Unterhaltung nicht zu kurz. Die Reihe versucht gar nicht erst, realistisch zu sein, schafft es aber trotz des oft lakonischen Tonfalls in jeder Folge eine Spannung aufzubauen, die der Konkurrenz oft abgeht. Manchmal ist die Inszenierung gewagt, wird optisch aber sehr abwechslungsreich und stets passend in Szene gesetzt. Und dreimal mehr ist es den Autoren gelungen, Hinnerk Schönermann die Rolle des Hauke Jacobs auf den Leib zu schreiben. Gern mehr davon.
Fünf von fünf Sternen