Oberhausen. Eine neue Konzert-Reihe um Filmmusik-Star Hans Zimmer hat im Oberhausener Metronom-Theater spektakulär Weltpremiere gefeiert. Die Tops und Flops.

Der Abend beginnt gespenstisch. Obwohl der „Geist der Weihnacht“ im Metronom-Theater neben dem Centro Oberhausen doch gerade ausgespukt hat, erscheint Star-Komponist Hans Zimmer im 1800 Fans fassenden Musical-Theater plötzlich locker plaudernd als Video-Projektion auf einem transparenten Vorhang. Direkt vor dem wartenden Orchester. Mit Special Effects geht es los, eben typisch Hollywood!

Die Traumfabrik mit der tiefen Trickkiste würde ohne den dauerbeschäftigten Star-Komponisten wohl etliche durch Musik erzeugte Emotionen verschenken. Am Donnerstagabend fehlt der in Frankfurt geborene, in London aufgewachsene und längst in Los Angeles heimische Klangtüftler zwar auf der Bühne, ist bei zweieinhalb Stunden Kopfkino-Konzert aber trotzdem allgegenwärtig.

Hologramm-Auftritte, denen immer eine etwas peinlich gekünstelte Note anhaftet, bleiben verträglich dosiert. Hans Zimmer spricht Englisch, in der Sprache fühlt er sich sicherer. Es gibt keine Untertitel. Dafür fordert der Maestro vom Publikum volksnah, wofür man im feinen Sinfoniekonzert wahrscheinlich mit dem Taktstock erschlagen würde: „Haltet euch nicht zurück. Seid ruhig laut!“ Humor hat er.

World of Hans Zimmer: Erste Konzert-Reihe im Metronom-Theater am Centro Oberhausen

Dies könnte man als Anspielung auf Regisseur John Badham verstehen, der im CD-Booklet zu Zimmers krachendem Fallschirmspringer-Soundtrack „Drop Zone“ vor 30 Jahren die geneigten Hörer dazu aufforderte, die Musik doch bitte so weit aufzudrehen, bis die Nachbarn die Polizei anfordern. Die erste Konzert-Produktion im Oberhausener Metronom-Theater geizt nicht an Zitaten.

Hans Zimmer

„Haltet euch nicht zurück. Seid ruhig laut!“

Star-Komponist Hans Zimmer
in einer Videobotschaft

Zu Ruhestörungsdelikten kommt es im ausverkauften Saal freilich nicht. Aber als kleine Gutenachtmusik taugt „World of Hans Zimmer - the Theatre Experience“ ebenso wenig. Es ist ein aufgeweckter Marathon mit treibendem Bombast bekannter Filmmelodien aus mehr als 40 Jahren, den man eben lieben oder verteufeln mag.

Wenn die moderne Superman-Verfilmung „Man of Steel“ den Reigen eröffnet, spielen ein kleines Orchester, eine Band und vorzügliche Solisten zusammen. Knapp 30 Musikerinnen und Musiker werden dezent elektronisch unterstützt. Man spürt, dass zur Weltpremiere viele Filmmusik-Laien im Saal tuscheln. Wenn die Klangkulisse es zulässt, durchbricht ein „Das hat er auch geschrieben?“ die stillen Momente. 

World of Hans Zimmer - the Theatre Experience: Das Spiel aus Licht und bekannten Kino-Melodien wie „Pearl Harbor“ und „Inception“ wird von knapp 30 Musikerinnen und Musikern getragen - aufgeteilt in Band, Orchester und Solisten.
World of Hans Zimmer - the Theatre Experience: Das Spiel aus Licht und bekannten Kino-Melodien wie „Pearl Harbor“ und „Inception“ wird von knapp 30 Musikerinnen und Musikern getragen - aufgeteilt in Band, Orchester und Solisten. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Zimmer gilt als experimentierfreudiger Genre-Mischer und ist für Traditionalisten eher ein rotes Tuch. Der Filmmusik-Star zählt zu den Pionieren modularer Synthesizer. Er produzierte 1980 „The Black Album“ der britischen Punkrock-Ikonen von The Damned und war ein Jahr später mit der New-Wave-Band „The Buggles“ und dem letztlich nicht prophetischen Hit „Video killed the Radio Star“ im ersten gesendeten Musikvideo von MTV zu sehen.

Danach folgten mehr als 200 Filmmusiken, zwei Oscars, gemeinsame Songs mit Weltstars wie Elton John, Billie Eilish und Bryan Adams. Viel zu viel Stoff für nur ein Konzert des Popstars unter den Filmmusik-Komponisten. 

World of Hans Zimmer: „James Bond“, „Fluch der Karibik“, „Batman“ bis „Der König der Löwen“

Für Oberhausen hat er die Soundtracks kuratiert: Weltraum-Brillanz von „Interstellar“, Zeichentrick-Kampfsport bei „Kung Fu Panda“, Geigen-Gewitter mit „James Bond: Keine Zeit zu sterben“ und Piraten-Ohrwürmer durch „Fluch der Karibik“. 

Es rattern die Propeller von Helikoptern über den Köpfen der Zuhörer, wenn sich die rockige, mit Streichern und E-Gitarren vermengte Alcatraz-Action aus „The Rock“ ankündigt - 1996 mit Sean Connery verfilmt. Es steigen animierte Feuerbälle auf und der Schlagzeuger reckt seine Drumsticks in die Höhe, genauso wie der mit zwei Leuchtfackeln niederkniende Nicholas Cage im rasanten Kino-Blockbuster. Es hat sich noch lange nicht auszitiert. 

Bei seiner großen Arena-Tour steht Hans Zimmer persönlich auf der Bühne, wie hier im Foto 2024 beim Gastspiel in Duluth (US-Bundesstaat Georgia). Für die Konzerte im Oberhausener Metronom-Theater hat der Meister seine Musik dagegen kuratiert und erscheint kurz als Video-Hologramm.
Bei seiner großen Arena-Tour steht Hans Zimmer persönlich auf der Bühne, wie hier im Foto 2024 beim Gastspiel in Duluth (US-Bundesstaat Georgia). Für die Konzerte im Oberhausener Metronom-Theater hat der Meister seine Musik dagegen kuratiert und erscheint kurz als Video-Hologramm. © Handout | Suzanne Teresa

Beim Concerto zu „The Da Vinci Code“, der Roman-Verfilmung von Dan Browns „Sakrileg“, befördern dreidimensionale Licht-Animationen die Konzert-Besucher optisch in eine Kathedrale. Die sakrale, mit Vocal-Solisten durchzogene Filmmusik ist ein Höhepunkt des Abends. Es sind Momente, in denen der Komponist etwas Platz für Nuancen lässt.

Im Gegensatz zu Zimmers großen Arena-Konzertreihen zielt „World of Hans Zimmer - the Theatre Experience“ auf kleinere Hallen. Auch wenn es den Partituren zum blutigen Schlachtenwalzer aus „Gladiator“ und dem Rennfahrer-Drama „Rush“ zwischendurch an orchestralem Volumen mangelt, ist das Konzert trotzdem keine Schmalkost.

World of Hans Zimmer: Konzert liefert Emotionen im Akkord - aber der Meister selbst fehlt

Zugegen. Man gerät in Versuchung zu schimpfen, dass frühe Werke weiterhin unerwähnt bleiben. Zimmers Musik aus Ridley Scotts Japan-Krimi „Black Rain“ gilt als bahnbrechend für den modernen Actionfilm. Auch das fehlende Feuerwehr-Drama „Backdraft“ ist eigentlich wie gemacht für die große Konzert-Bühne.

Dass stattdessen viele aktuelle Werke, wie das Wüsten-Epos „Dune“ dabei sind, ist kein Zufall. Hans Zimmer hat die einst eher nerdige Filmmusik für eine breite Zielgruppe geöffnet. Das sieht man auch im Metronom-Theater. Im Publikum sitzen auch jüngere Fans zwischen 20 und 30 Jahren.

Nach dem afrikanischen Pulsbeschleuniger aus Disneys „Der König der Löwen“ verteilt das Publikum minutenlang Ovationen. Es gibt lange anhaltenden Applaus. Das Konzert ist eine stimmige Achterbahnfahrt aus Emotionen im Akkord. Die dynamische Musikauswahl lässt die Zeit so schnell vergehen, wie ein gelungener Hollywood-Thriller.

Weitere Vorstellungen: „World of Hans Zimmer - the Theatre Experience“, 24. Januar bis 2. Februar 2025, Metronom-Theater, Musikweg 1, Oberhausen, Tickets: 70 bis 140 Euro.

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