Berlin. Zwei junge Europäerinnen reisen naiv in den „Islamischen Staat“ – und werden von Opfern zu Mittäterinnen: „Rabia“ überzeugt nicht ganz.
Vor gut zehn Jahren, als Horror-Nachrichten über den „Islamischen Staat“ die Schlagzeilen dominierten, fragte man sich oft: Warum fahren junge Frauen aus Westeuropa freiwillig dort hin? Die deutsche Regisseurin Mareike Engelhardt gibt in ihrem Film „Rabia – Der verlorene Traum“ darauf eine denkbar einfache Antwort: Sie waren naiv.
Denn genau das sind ihre Protagonistinnen Jessica (Megan Northam) und Leila (Natacha Krief), zwei 19-jährige Französinnen, die den Demütigungen ihres Altenpflege-Jobs entkommen wollen. Warum sie glauben, ausgerechnet ein Dasein an der Seite eines IS-Kämpfers könnte die Erlösung sein, beantwortet der Film nicht. Über Politisches reden die Mädchen nicht.
Stattdessen schwärmen sie kichernd von dem Mann, den sie sich im Internet ausgesucht haben, als wäre es eine weitere Dating-App. Ihre Realitätsverkennung zeigt sich auch, weil sie denken, sie könnten die Situation selbst bestimmen: Kämpfer Ahmat hat sich bereit erklärt, beide Frauen zu heiraten, was die Freundinnen als Versprechen interpretieren, zusammenbleiben und sich Aufgaben wie das Kinderkriegen teilen zu können. Man weiß natürlich, dass alles anders kommt.
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Engelhardt präsentiert die Reise der Mädchen als den erwartbaren Trip in die Hölle: Die Lebensbedingungen in der „Madafa“, dem Frauenhaus, in dem Mädchen aus aller Welt auf die Ehe mit IS-Kämpfern vorbereitet werden, sind schlimm. Was als Abenteuer mit schlechtem Essen und Massenunterkunft beginnt, artet zum Terrorregime im Kleinen aus. Es etablieren sich Mobbing-Hierarchien – zwei „Amerikanerinnen“ filzen ihre Kolleginnen nach „Unerlaubtem“ wie Handys – und „Madame“ (Lubna Azabal), die das Haus führt, erweist sich als gnadenlose Geschäftsfrau.
Dass Jessica, die den Namen „Rabia“ bekommt, schließlich zur Helferin von Madame und damit vom Opfer zur Mittäterin wird, wirkt zunächst interessant. Aber auch hier bleibt Engelhardt ganz bei ihrem nachsichtigen Blick auf das Mädchen, das Megan Northam so sympathisch spielt, dass man reflexhaft mitgeht, dass sie es einfach nicht hatte besser wissen können.
Drama, Frankreich/Deutschland/Belgien 2024, 94 min., von Mareike Engelhardt, mit Megan Northam, Lubna Azabal, Natacha Krief, Lena Urzendowsky