Bochum. Der Ruhrpreis geht an Dietmar Bär, Joachim Król, Peter Lohmeyer und Armin Rohde. Ihr enges Band zum Schauspielhaus Bochum ist nie gerissen.
Ergriffen stehen die Vier auf der Bühne des Bochumer Schauspielhauses. Halten sich an den Händen, blinzeln gegen das Scheinwerferlicht in die oberen Ränge und wirken, als könnten sie es nicht ganz fassen: Minutenlang applaudiert das Publikum für Dietmar Bär, Joachim Król, Peter Lohmeyer und Armin Rohde. An jenem Ort, an dem für alle alles begann, zeichnet die Broststiftung sie mit dem Ruhrpreis aus. Weil die „Vier von hier“ ein Exportschlager des Ruhrgebiets seien, wie es in der Begründung heißt. Oder, wie es NRW-Kulturministerin Ina Brandes in ihrer Laudatio ausdrückt: „Sie haben Figuren geschaffen, die Teil unseres gemeinsamen Kulturbegriffs sind.“
Vieles verbindet die vier Männer: Sie sind allesamt im Ruhrgebiet aufgewachsen, stammen aus Arbeiter-, teils gar Bergbaufamilien, tragen ihr Herz auf der Zunge. Vor allem aber ist es das Schauspielhaus Bochum, das für alle der Startpunkt ihrer fulminanten Schauspielerkarrieren war. Für Joachim Król waren die Stücke, die er dort als Jugendlicher sah, Inspiration, überhaupt mit der Schauspielerei anzufangen. Sein Vorspiel dort war zunächst wenig erfolgreich, wie er in seiner Dankesrede verriet: „Immer nur hinfallen reicht nicht“, habe der damalige Intendant Frank-Patrick Steckel zu ihm gesagt, „man muss auch aufstehen.“ Aber, da ist sich Król bis heute sicher: „Das muss man uns hier im Ruhrgebiet ja niemand erzählen.“
Film begleitet die Vier auf den Tippelsberg und ins Ruhrmuseum
- Rohde, Bär, Król und Lohmeyer wiedervereint in Bochum
- Theaterpreis: Schauspielhaus Bochum zwei Mal ausgezeichnet
- Peter Lohmeyer wünscht sich mehr Ruhrgebiets-Filme
- Dietmar Bär: „Wir Ruhrgebietler haben die Nase vorn!“
Brost-Ruhr Preis Verleihung im Bochumer Schauspielhaus
Pragmatismus sei das, was ihnen ihre Heimat mit auf den Weg gegeben habe, findet Bär. Mit Plattitüden und Schönfärbereien zum Ruhrgebiet haben es die Vier nicht so, wie auch ein Einspielerfilm mit den Preisträgern zeigt. „Strukturwandel? Das ist doch nur ein beschönigendes Wort für Massenarbeitslosigkeit“, konstatiert einer da. „Ihr sollt es alle mal besser haben“, ruft, nein schreit Rohde da vom Bochumer Tippelsberg hinunter. Der Film von Christoph Rüter begleitet Król, Bär, Rode und Lohmeyer schließlich noch ins Ruhmuseum auf Zollverein, wo sie die Ausstellung „Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets“ besuchen und über ein Filmplakat von „Theo gegen den Rest der Welt“ feixen: „Der Westernhagen ist doch schon mit schlechter Laune zur Welt gekommen!“ Bissig aber nicht böse, kurzweilig aber niemals langweilig: Der Film gibt einen Vorgeschmack auf das, was an diesem Abend noch folgt.
Stationen am Schauspielhaus Bochum
Der 1961 in Dortmund geborene Dietmar Bär (bekannt vor allem für seine Rolle im Kölner Tatort) absolvierte seine Ausbildung als Schauspieler von 1982 bis 1985 an der Schauspielschule Bochum. Gemeinsam mit spielte er 1984 unter der Regie von Alfred Kirchner in „Die Räuber“ von Alfred Kirchner - und stand dort unter anderem mit Peter Lohmeyer und Armin Rohde auf der Bühne.
Joachim Król (u.a. „Der bewegte Mann“) gastierte mehrfach in Bochum: 1995 spielte er den Sosias im „Amphitryon” von Kleist. Krol wurde 1957 in Herne geboren und besuchte schon als Jugendlicher das Schauspielhaus.
Sein Bühnendebüt gab Peter Lohmeyer in „Was heißt hier Liebe“ in Bochum, wo er auch die Schauspielschule besuchte. Der glühende Schalke-Fan wurde 1962 im sauerländischen Marsberg geboren, wuchs aber im Ruhrgebiet auf.
Armin Rohde (u.a. „Der bewegte Mann“) kam 1955 in Gladbeck zur Welt und lernte sein Handwerk an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Am Schauspielhaus Bochum spielte er unter anderem in Richard III. und Cyrano de Bergerac.
„Bessere Leute als hier“, lobt Król in der einzigen echten Dankesrede des Abends, „findet man nicht“ und darin geben ihm seine Kollegen Recht. Vom Garderobier bis zur Intendanz kümmere man sich umeinander, sagt auch Lohmeyer. Rohde bescheinigt dem Bochumer Publikum „hochtrainiert“ zu sein. „Das ist wie mit einem Fußballpublikum, das jedes Abseits erkennt“, zieht ausgerechnet Rode einen Fußballvergleich. Als einziger in der Runde hat er mit Fußball nichts am Hut, begeistert sich für Judo und Taekwondo.
Der Ruhrpreis
Mit dem Ruhrpreis ehrt die Brost-Stiftung seit 2020 jährlich Personen, Gruppen oder Institutionen, „die sich auf visionäre Weise für das Ruhrgebiet einsetzen“, wie es seitens der Stiftung heißt.
Bisher erhielten die Auszeichnung NRW-Innenminister Herbert Reul (2020), der Journalist und ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen (2021), die drei Palliativmedizinerinnen Marianne Kloke, Ferya Banaz-Yasar und Nicole Selbach (2022) sowie die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (2023).
Im Jahr 2024 ist der Brostpreis mit einer Donation in Höhe von 100.000 Euro für soziale Projekte im Ruhrgebiet verknüpft, die zu gleichen Teilen an die vier Preisträger gehen. Dietmar Bär stiftet seine 25.000 Euro an den Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine in Dortmund e.V., Joachim Król an den Circus Schnick-Schnack e.V. in Herne, Peter Lohmeyer an Viva con Aqua und Schalke hilft, Armin Rohde an das Hospiz St. Hildegard in Bochum sowie das Deutsche Kinderhospiz in Bochum.
Nach 40 Jahren gemeinsam auf der Bühne zu stehen, das erfüllt alle vier an diesem Abend unübersehbar mit Stolz und Glück. „Es gibt uns noch und wir mischen alle noch vorn mit. Und das macht mich glücklick“, sagt Armin Rohde, der statt einer Dankesrede seinen Albtraum auf der Bühne inszeniert: Nur den Anfang und das Ende, nicht aber die Mitte zu kennen. Er findet sie an diesem Abend in Bochum. Ebenso wie Dietmar Bär, der statt einer Rede aus einem Buch des Kabarettisten Kai Magnus Sting liest: Dessen Einlassungen zur typischen Ruhrgebietsküche – von Panhas bis Möhren-Durcheinander – trägt der Schauspieler dabei mit so wuchtiger Ruhrgebietszunge und Bühnenpräsenz vor, dass man umgehend in die Zeit zurück an Omas Esstisch reisen möchte.
Peter Lohmeyer, der in Hamburg lebt, trägt einen Text über das nach Hause kommen vor – „und nach Hause, das ist das Schauspielhaus hier“. Ob und wie sich die Rückkehr der Vier wiederholen wird, bleibt abzuwarten. Aber die Bretter hier an der Königsalle haben sie nie losgelassen.