Düsseldorf. Heiter besinnlich kommt das Stück „Kardinalfehler“ im Theater an der Kö in Düsseldorf daher. Das Publikum ist begeistert.

Bischof Klöckner, der als junger Priester mal eine junge Frau schwängerte, die gemeinsame Tochter Emma aber in Jahrzehnten nicht zu Gesicht bekam, genauer: bekommen wollte. Und es sich als Würdenträger mit Soutane und lilafarbenem Birett gemütlich gemacht hat. Daneben: Der heuchlerische, ehrgeizige Generalvikar Koch, der seit Jahren einen Papstbesuch vorbereitet und sich davon persönliche Lorbeeren verspricht. Kein Wunder, dass er deshalb alles, was nach Skandal riecht, mit aller Macht und einigem Kirchen-Geld unter den Teppich kehrt – Bestechung inklusive.

Allzu menschliche Fehler

Haushälterin Wibke, die beherzt nicht nur in der erzbischöflichen Küche und im Haushalt die Hosen anhat. Und: Der junge, hübsche Matteo aus dem Priesterseminar, der, man ahnt es schon, nur heimlich seine Homosexualität ausleben kann. Auch wenn er sonst gerne die Wahrheit sagt. An menschlichen, ja allzu menschlichen „Kardinalfehler“(n) hagelt es nur so – im gleichnamigen Stück, das im Theater an der Kö nun eine vom Publikum stürmisch bejubelte Premiere feierte.

In „Kardinalfehler“ gibt es kabarettistisch, temporeiche Wortgefechte mit satirisch zugespitzter Feder.
In „Kardinalfehler“ gibt es kabarettistisch, temporeiche Wortgefechte mit satirisch zugespitzter Feder. © Dennis Haentzschel | Dennis Haentzschel

Denn dem Autoren-Duo Alistair Beaton und dem preisgekrönten Comedy-Kult-Autor Dietmar Jacobs (Kom(m)ödchen-Autor) gelang ein Spagat: Über ernste Themen - wie Machtmissbrauch, das Verdecken von Straftaten in der Kirche, Lügen und Vertuschungen, die Millionen Gläubige dazu beweg(t)en, aus der Kirche auszutreten – schrieben sie eine süffige Komödie. Scharfzüngig, komisch, manchmal zynisch. Mit einem Spannungsbogen, der auch wegen der exzellenten Mimen zwei Stunden anhält. Eine Seltenheit im Boulevardtheater.

Zudem mit satirisch zugespitzter Feder und kabarettistischen, temporeichen Wortgefechten. Zumindest kommt das so rüber in der Inszenierung von René Heinersdorff, der mit sicherer Hand die geeigneten Darsteller auswählte: Sie formulieren die allgegenwärtige Kirchenkritik scharf (manchmal mit ernstem Unterton) und lassen das fein getaktete Feuerwerk an Pointen nicht zum klamaukigen Kirchen-Bashing verkommen. Hinter jedem Witz über urkomische Verstrickungen von Kardinal-, Bischofs- oder Vikar-Fehlern lauert Stille. Wenn der Seminarist kurz vor dem Papstbesuch seinem Bischof versichert „ich weiß, was ich zu sagen habe“, mutiert die Komödie auf den letzten Metern noch zur Tragödie. Möglicherweise zumindest für einen der Beteiligten….

Das Ende bleibt offen. Nachdenklich verlässt man das Theater, dies auch wegen der Mimen. Das Duo Bischof-Vikar wird von ehemaligen Rentnercops (der gleichnamigen TV-Serie) gespielt: Bill Mockridge als selbstverliebter, zufriedener und betulicher Bischof Glöckner und Hartmut Volle als agiler, jung gebliebener Macher, der als Vikar seinem Bischof weniger dient als ihn zum willfährigen Werkzeug seiner ehrgeizig emsigen Organisation des Papstbesuchs zu machen.

Das Ensemble kann im Theater an der Kö in Düsseldorf durchweg überzeugen.
Das Ensemble kann im Theater an der Kö in Düsseldorf durchweg überzeugen. © Dennis Haentzschel | Dennis Haentzschel

Koch und Glöckner, der gerne über seine Jugendsünde den Mantel des Schweigens hüllen würde, geraten in Panik, als plötzlich seine Tochter Emma (Rosana Cleve) leibhaftig vor dem Bischof-Papa steht. Schlitzohr Koch (Michael Volle) geriert sich als Schmierlappen und versucht Emma, mit 50.000 Euro Schweigegeld zu bestechen. Karikiert und parodiert werden solche Mechanismen, die man aus Zeugenaussagen kennt.

Glaubwürdig, arrogant und von pontifikaler Strenge wirkt Armin Riahi als Martin Miller – der Reisemarschall des Papstes, der auf der Suche nach alten Akten Bischof und Vikar ganz schön ins Schwitzen bringt. Hemdsärmelig und frei Schnauze indes Margie Kinsky als Wibke - die ehrliche Haut und gute Seele im Bischofshaus, die in rheinisch kölschem Slang den Herrschaften die Leviten liest. Das ist Volkstheater im besten Sinne.

Der junge brave Priester

Die schauspielerische Entdeckung des Abends ist Victor Mari Diderich als Priester-Lehrling Matteo. Schnörkellos und direkt, einfach und klar gibt er den naiven, braven Seminaristen, der eine Rede für den Papst vorbereitet hat – aber am Ende beinah über eine Erpressung des Vikars stolpert. Fazit: eine brillant komponierte Kirchenkomödie mit heiter zeitgeistigem Schlagabtausch und Tiefgang. Prognose: Kassenschlager möglich.

„Kardinalfehler“ läuft bis zum 17. November im Theater an der Kö. Tickets und Termine: 0211 322 333 oder hier.