Hagen/Essen. Weltsynode: Bringt sie die Reformen? Warum Essens Bischof Overbeck fordert, „unterschiedliche regional-kulturelle Lösungen zuzulassen“

Die Frauenfrage ist das wichtigste und strittigste Thema der Weltsynode der katholischen Kirche, die bis zum 27. Oktober in Rom tagt. An ihr lassen sich exemplarisch die Herausforderungen und Konflikte, aber auch die Hoffnungen und Intrigen beschreiben, welche die katholische Kirche weltweit erschüttern. Wenngleich Papst Franziskus, der die Weltsynode einberufen hat, nur indirekt auf das Thema Missbrauch einging, ist die sexuelle Gewalt, ausgeübt durch Kirchenmitarbeiter, und der Umgang der Kirche damit, doch der Grund, warum sich die katholische Kirche weltweit in der Krise befindet und die Gläubigen auf Reformen drängen.

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Vor dem Start der Synode hatte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, betont: „An erster Stelle jener Themen, die weltweit eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die Zukunft der gesamten Kirche haben, steht die Frage: Wie kann es gelingen, die Teilhabemöglichkeiten von Frauen in der Kirche so zu stärken, dass Frauen sich tatsächlich als vollwertige, ernst genommene und in gleicher Weise anerkannte Mitglieder der Kirche und Verkünderinnen des Evangeliums von Jesus Christus fühlen können? Wie können sie in dieser Kirche ihre geistliche Heimat finden und wie können sie diese Kirche als das gemeinsam pilgernde Volk Gottes erfahren? In dieser Frage muss die Kirche, auch im Rahmen der bevorstehenden Synodensitzung, konkrete Schritte finden. Dabei braucht die Einbeziehung von Frauen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens einschließlich der Leitung und der Einbeziehung in Beratungs- und Entscheidungsprozesse auch eine deutliche Absicherung durch das Kirchenrecht.“

Frauenthema abschieben

Allerdings sieht der Papst das wohl nicht so und auch nicht die organisierenden Vatikan-Oberhirten. Schon im Frühjahr hatte Papst Franziskus entschieden, genau diese Fragestellung aus der zentralen Synodal-Versammlung in eine Studiengruppe abzuschieben. Erstaunt vernahmen die Synodalen auch die Ankündigung von Kardinal Victor Fernandez, seines Zeichens oberster vatikanischer Glaubenshüter. Der sagte, es werde ein lehramtliches Schreiben zur Rolle der Frau geben und äußerte sich schon bei der Ankündigung skeptisch über die Chancen für ein Frauen-Diakonat.

Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck

„Wir müssen dafür sorgen, dass Einheit durch Verschiedenheit und in Verschiedenheit möglich wird.“

Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen

Dabei wäre das Frauen-Diakonat ohnehin nur der kleinste gemeinsame Nenner, denn die Frauen selbst fordern vollen Zugang zu allen kirchlichen Weiheämtern, und den männlichen Traditionswächtern gehen die Argumente aus, 50 Prozent der Weltbevölkerung zu diskriminieren, zumal die überschaubaren Zahlen von Priesteramtsinteressenten ohnehin Veränderungen nahelegen.

Eine Teilnehmerin aus Werl

Viele Synodalen waren zudem ärgerlich, weil die Frauenweihe und andere strittige Themen wie Gewaltenteilung und Gleichberechtigung queerer Katholiken in zehn Arbeitsgruppen besprochen werden und gar nicht in der öffentlichen Versammlung debattiert werden sollten. Um die Wogen zu glätten, schlug Synoden-Generalsekretär Kardinal Mario Grech einen außerplanmäßigen Austausch zwischen den Arbeitsgruppen und den Synodenmitgliedern vor. 265 Anwesende stimmten dafür, 74 dagegen.

Rund 370 Frauen und Männer, darunter etwa 270 Bischöfe, sind zur finalen Synodalversammlung eingeladen; die Beratungen gehen bis zum 27. Oktober. Papst Franziskus hatte die Weltsynode 2021 einberufen, um unter dem Stichwort „Harmonie in der Vielfalt“ über die Zukunft der Kirche und neue Formen der Mitbestimmung zu beraten.

Mit dem Synodalen Weg, dem von Rom so kritisch beäugten Reformprozess der deutschen Katholiken, hat die Synode explizit nichts zu tun. Deutsch ist neuerdings noch nicht einmal mehr offizielle Sprache in der römischen Synodenaula.

Erstmals haben Frauen ein Stimmrecht auf einer Bischofssynode. 56 der Teilnehmenden sind weiblich, vier davon kommen aus dem deutschen Sprachraum, darunter ist auch eine Werlerin.  Die Pastoraltheologin Klara Csiszar ist Universitätsprofessorin im österreichischen Linz; die niederländische Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens ist Universitätsprofessorin in Erfurt. Sr. Anna Mirijam Kaschner aus Werl ist Missionsschwester vom Kostbaren Blut und seit 2005 in Dänemark stationiert. Seit 2009 ist sie Generalsekretärin und Pressesprecherin der Nordischen Bischofskonferenz. Helena Jeppesen-Spuhler vom Katholischen Hilfswerk Fastenaktion kommt aus der Schweiz. Sie verweist in mehreren Interviews darauf, dass das Frauenthema in vielen Ländern dränge, in der Schweiz sei es das dringlichste Reformthema, was die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche betreffe.

Wie sehr die Meinungen auseinandergehen, zeigte sich auch bei der Rede von Papst Franziskus vor Studierenden und Lehrenden der Katholischen Universität Louvain Ende September. „Was für die Frau charakteristisch ist, was weiblich ist, wird nicht durch Konsens oder Ideologien festgelegt“, dozierte der Papst. „Frau ist fruchtbares Empfangen, Sorge, lebendige Hingabe - deshalb ist die Frau wichtiger als der Mann.“ Die Hochschule distanzierte sich umgehend von den Äußerungen des Papstes: „Die Katholische Universität Louvain ist einer inklusive Hochschule und dem Kampf gegen sexistische und sexuelle Gewalt verpflichtet. Sie unterstreicht ihren Wunsch, dass jeder Mensch in ihr und in der Gesellschaft sich entwickeln und Erfolg haben kann, unabhängig von Herkunft, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung. Sie ruft die Kirche auf, demselben Weg zu folgen, ohne jegliche Form der Diskriminierung.“

Dennoch gibt es sowohl unter den Bischöfen als auch unter den Laien Delegierte, die an traditionellen Rollenbildern von Frauen festhalten. Bisher wird in Europa bei Stichworten wie Frauenweihe oder Segnungen von Homo-Ehen häufig damit argumentiert, dass die Bischöfe in Afrika und Asien dies nicht mittragen würden – obwohl die Faktenlage dort auf ähnlich dringende Reformbedürftigkeit verweist. Immer wieder erschüttern regionale Berichte über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Heimen, durch Ordenseinrichtungen oder Gruppen wie die Legionäre Christi die Länder in Südamerika, Afrika und Indien. In Indien und Afrika wollen Ordensschwestern zudem die alltäglichen Vergewaltigungen durch Priester und Bischöfe nicht mehr hinnehmen.  

Diese Polarisierungen zu überwinden, scheint fast unmöglich zu sein. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck fordert daher mehr Vielstimmigkeit in der Weltkirche. „Wir sehen mit Blick auf die verschiedenen Ortskirchen weltweit jedoch eine große Ungleichzeitigkeit, auf die wir hierbei angemessen reagieren müssen. Ich halte es für angeraten, ein großes Spektrum zu eröffnen und unterschiedliche regional-kulturelle Lösungen zuzulassen. Wir müssen dafür sorgen, dass Einheit durch Verschiedenheit und in Verschiedenheit möglich wird“, sagte Overbeck. (mit kna)