Düsseldorf. In der Kunstsammlung NRW öffnet am Freitag eine Fotoausstellung des Künstlers Lars Eidinger. Abends legt der Berliner mit DJ Hell zum Rave auf.
Lars Eidinger möchte nicht fotografiert werden. Das hat weniger mit Starallüren als mehr mit der eigenen Zurückhaltung zu tun. Fast schüchtern schweift sein Blick über die versammelte Kulturjournaille, die seine erste monografische Ausstellung in der Kunstsammlung NRW kritisch beäugt. Eidinger trägt schwarze Crocs und Kapuzenpulli zum leicht wirren Haar und es wirkt fast so, als wolle er um keinen Preis auffallen.
Es soll um seine Fotografien gehen, vor allem aber um diejenigen, die sie betrachten. „O Mensch“ heißt die Ausstellung in Anlehung an Nietzsches bekanntes Gedicht und ebenso wie dem berühmten Philosophen geht es auch Eidinger um Selbsterkenntnis und die Verbindung zum Unterbewussten. „Ich will nicht belehren oder missionieren oder die Welt erklären, sondern animieren zu fragen, wer man ist“, sagt Eidinger.
Die meisten der rund 100 Bilder hat Eidinger mit seinem „Telefon“ aufgenommen
Lars Eidinger zeigt „O Mensch“ im K21 in Düsseldorf
„O Mensch“ im K21 in Düsseldorf
Die Ausstellung von Lars Eidinger wird am Freitag, 30. August, um 19 Uhr eröffnet und ist danach bis zum 26. Januar zu sehen. Nach der Ausstellungseröffnung legen Eidinger und DJ Hell im K21 zu einem Rave auf. Der Eintritt ist jeweils frei.
Zu einer Sneak Preview sind bereits ab 16 Uhr Studierende, Schülerinnen und Schüler eingeladen, um mit dem Künstler ins Gespräch zu kommen. Eine Signierstunde mit Lars Eidinger läuft am Samstag, 31. August, von 14 bis 15 Uhr.
Lars Eidinger wurde 1976 in Berlin geboren und gilt als einer der bedeutendsten deutschen Schauspieler (Weißes Rauschen, Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm) sowohl im Kino als auch auf der Theaterbühne. Er ist Mitglied im Ensemble der Berliner Schaubühne und legt darüber hinaus auch regelmäßig als DJ auf.
Die meisten der rund 100 ausgestellten Bilder und Videos hat Eidinger mit seinem „Telefon“ aufgenommen. Er vermeidet den Begriff Smartphone, da es in seinen Augen genau so smart ist wie soziale Netzwerke sozial. Aus Protest dagegen hat er seinen Instagramkanal, wo seine Bilder zuerst zu sehen waren, mittlerweile gelöscht. Gleichwohl bietet das Handy einen riesigen Vorteil: Da er es meistens dabei hat, sucht Eidinger keine Motive, er findet sie.
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Ein entrückt wirkendes Mickey-Mouse-Maskottchen am Genfer See. Der Abdruck eines Feuerzeugs auf dem nackten Rücken eines schlafenden Menschen. Eine luftleere Gummipuppe, achtlos im Müll entsorgt wie die Orangeschalen, auf denen sie liegt. Ein Mann, der in dem Handy, auf das er blickt, beinahe verschwindet. Eidiniger zeigt die Welt und ihre Menschen wie sie sind. Meist überfordert, häufig widersprüchlich, selten schön.
Ergänzt werden die Bilder durch dreizeilige Verse in Form japanischer Haiku der in Berlin lebenden Dichterin Yoko Tawada. „In der Bar trank sie allein Vodka Orange“, schreibt sie etwa zum entsorgten Sexspielzeug. Zum Foto einer augenscheinlich geschlossenen Diskothek schreibt sie: „Verblasst sind ferne Jahre, da hast du getanzt ohne Zuschauer.“
Kunstsammlung NRW will Kunst mit kritischem Zeitbezug zeigen
Es liegt eine zärtliche Traurigkeit über Eidingers Bildern, die er zum Großteil zwischen 2018 und 2024 aufnahm. Ein Zeitraum, in dem viel passiert ist und gesellschaftliche Umbrüche immer deutlicher werden. „Eine finstere Zeit, in der Eidingers Bilder den dystopischen Zustand des täglichen Lebens vermitteln“, wie es Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung NRW, beschreibt. Die Beletage haben sie Lars Eidinger im K21 freigeräumt, hier wurde schon häufiger „Kunst mit kritischem Zeitbezug“ gezeigt, wie Gaensheimer es nennt. Sie attestiert Eidinger „große Empathie und einen sezierenden Realitätssinn“, dazu ein „aufrichtiges Bewusstsein für die eigene Brüchigkeit“.
Im K21 wird nicht dem Fotografen oder Schauspieler Lars Eidinger die Bühne bereitet, sondern dem Künstler. Ebenso wie bei den Fotos sei auch in der Ausstellungsvorbereitung vieles im Moment entstanden, sagt Kuratorin Doris Krystof. Die Fotos sind nicht professionell, wurden abgesehen von einigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen nicht nachbearbeitet oder im Bildausschnitt verändert. Es ist dieser pure Blick, der die Bilder Eidingers so sehenswert macht.