Essen. Die zweifache Oscar-Preisträger hat ein üppiges Western-Epos auf die Leinwand gehievt. „Horizon“ ist fettes Kino, aber leider nur halb gelungen.

Weit ist das Land, das sich vor den Rocky Mountains erstreckt, scheinbar endlos wächst die Prärie dem Himmel entgegen, eine Welt aus struppig-gelben Gräsern, reißenden Flüssen, schroffen Felsen. Jede Menge Platz, könnte man meinen, und so verheißt das Flugblatt, das in den frühen 1860er-Jahren im Schatten des Bürgerkriegs durch so viele Hände geht, auch nichts Geringeres als ein neues Leben. Kommen Sie nach Horizon, das Wunder in der Wüste, steht da. „Schaffen Sie sich ein Eigenheim! Dies ist ihre Chance!“ Dumm nur, dass die Zukunft des weißen Mannes auf dem Gebiet der Apachen vorgesehen ist. Und die gehen im „Wilden Westen“ nicht grade zimperlich mit den Neuankömmlingen um.

So beginnt Kevin Costners neues Epos auch mit einem mörderisch spannenden Überfall, der die Marschroute vorgibt. Es geht um die Geschichte der ersten weißen Siedler im Westen Nordamerikas, die der doppelte Oscar-Preisträger in vier Monumentalfilmen ausbreiten will. Jetzt kommt der erste Teil, „Horizon. Eine amerikanische Saga“, in die deutschen Kinos. Im November soll das zweite Kapitel folgen.

„Horizon“ ist ein typischer Western von Kevin-Costner

Entstanden ist ein typischer Costner-Film. Extrem breit auserzählt, mit aufwendigster Ausstattung und einem dramatischen Klangteppich auf die Leinwand gehievt. Eins ist dieses Mammut-Werk unbestritten: ein packendes, fettes Kino-Erlebnis. Und ein Western der klassischen Art, in dem wenig gesprochen wird und Amerikas Ureinwohner mit Pfeil und Bogen gegen die weißen Eindringlinge mit den Feuerwaffen kämpfen. Hier sind Männer noch Männer und galoppieren auf treuen Pferden durch die Steppe, wobei sie mit gruseligen Kalibern melonengroße Löcher in die Körper ihrer Widersacher schießen. Kaum hat man sich an jemanden gewöhnt, ist er auch schon Geschichte.

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Einer dieser typischen Western-Machos ist der Minenarbeiter Hayes Ellison (Kevin Costner): ein großer Schweiger im Herbst seines Lebens, ein rauer Kerl, der nicht lang fackelt, aber das Herz am rechten Fleck trägt. Er schließt sich den Siedlern an, die aus allen Richtungen ins San Pedro Valley nach New Mexico strömen, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Ellison ist in diesem Film der Pol, um den sich alles dreht: Als er den Schurken Calep Sykes (Jamie Campbell Bower) erschießt, schafft er sich brutale Verfolger, die sich an seine Fersen heften.

„Horizon“ von Kevin Costner: viele Personen und viel zu viele Handlungsfäden

Horizon ist dabei die Stadt der Träume, die allerdings noch gar nicht existiert. Hier gibt es nur einen Platz an einem Fluss, an dem sich schon die Gräber derer befinden, die vorher versucht haben, sich hier niederzulassen. Im ersten Teil sind alle auf dem Weg dorthin. Ob und wie sie jemals zusammenkommen, wird sich in den kommenden Filmen zeigen.

Kinostart -
„Horizon“: Jamie Campbell Bower (links) als Caleb Sykes und Kevin Costner als Hayes Ellison. Der Western unter der Regie von Kevin Costner kommt jetzt in die deutschen Kinos. © DPA Images

Und genau das ist der Trick und gleichzeitig das Problem: Zu viele Fäden werden in der ersten Episode aufgenommen. Am Ende fühlt man sich wie am Anfang eines Hundert-Teilers eines Streaming-Portals. Gerade hat man hat in dem Gewimmel aus Personen (in den vier Filmen soll es rund 170 Sprechrollen geben), Schauplätzen, Motiven, Konflikten, Erzählsträngen und Randgeschichten die eigentlichen Protagonisten ausgemacht, läuft auch schon der Abspann. Oder, um es positiv zu formulieren: Der Beginn des Epos ist derart vollgestopft, dass man gar nicht dazu kommt, sich zu langweilen. Die drei Stunden fliegen förmlich vorbei. Nur dass man hinterher (noch) nicht viel klüger ist.

„Horizon“ im Kino: Sienna Miller, Ella Hunt und Luke Wilson spielen mit

Immerhin: Da ist nicht nur der raubeinige Ellison, der seine Reise durch das weite Land als Folge eines Anschlags anfangs mit der Prostituierten Marigold (Abbey Lee) und einem zweijährigen Kind zurücklegen muss. Von der Familie Kittredge sind nach einem Apachen-Überfall nur Mutter Frances (Sienna Miller) und Tochter Elisabeth (Georgia Macphail) übriggeblieben. Sie finden einen Unterschlupf bei der US-Kavallerie, deren Aufgabe es ist, die künftigen Siedler zu schützen. Unterdessen muss sich der Soldat Matthew Van Weyden (Luke Wilson) in seinem Tross mit einem verwöhnten Paar herumschlagen: die eitle Juliette (Ella Hunt) benutzt das das wertvolle Trinkwasser zum Waschen. Der Junge Russell (Etienne Kellici) verliert bei einem Überfall seine Familie und zieht mit finsteren Gesellen durchs Land. Und auch innerhalb der Apachen-Stämme gibt es Konflikte. Während die Alten auf Mäßigung drängen, wollen die jungen Krieger unbedingt kämpfen.

Dies ist Costners dritte Western-Regiearbeit nach „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) und „Open Range - Weites Land“ (2003). Ob er an deren Erfolge anknüpfen kann, muss sich zeigen. In den USA blieb der erste Teil hinter den Erwartungen zurück, der Start der Fortsetzung wurde daraufhin bis auf Weiteres verschoben.

Schade um das Herzblut und das viele Geld, das der Filmstar investierte. Seit Ende der Achtziger soll ihn die Idee zu „Horizon“ umgetrieben haben, nach mehreren gescheiterten Finanzierungsversuchen zahlte er die ersten beiden Episoden offenbar größtenteils aus eigener Tasche. Man möchte ihm Glück wünschen und seinem Publikum einen langen Atem. Die Dreharbeiten für das dritte Kapitel sollen inzwischen begonnen haben.