Köln. Der „King of Cover“ Rod Stewart serviert Hit auf Hit. Und erntet Beifall für seine politische Haltung, für die er anderswo ausgebuht wurde.
Am Ende sind alle platt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn der Vorhang um kurz nach 22 Uhr nach der letzten Zugabe – „Sailing“ – noch einmal hochgeht, sieht man ihn und seine 13 Musikerinnen und Musiker bewegungslos auf dem Boden der Bühne liegen. Zu fragen, wer „er“ ist, erübrigt sich bei der Nennung dieses Titels. Auch wenn der Song über einen, der bei stürmischen Wetter über die See segelt und wie ein Vogel den Himmel durchquert (was rein sinnbildlich gemeint ist), gar nicht von ihm stammt, sondern von den Sutherland Brothers. Aber Rod Stewart machte „Sailing“ 1975 populär und zum Mega-Nummer-Eins-Hit.
„The First Cut ist he Deepest“, „I Don’t Want to Talk About it“, „Some Guys Have All the Luck” – Rod Stewart ist der „King of Cover“
Gleiches trifft auf das Gros der 25 Songs zu, die der 79-jährige Londoner, der im Herzen immer Schotte blieb, am Dienstagabend in der ausverkauften Kölner Arena auf seiner Setliste hat. Er ist der „King of Cover“. Weiß zwar kaum jemand, ist im Grunde aber auch egal. Man braucht „The First Cut ist he Deepest“, „I Don’t Want to Talk About it“ oder „Some Guys Have All the Luck” nur zu lesen, da hört man diese Stücke auch schon, gesungen mit dieser zärtlich-rauen Stimme, die den Sänger so unverwechselbar gemacht hat.
1999 hatte er Schilddrüsenkrebs, wurde operiert, musste das Singen erst wieder lernen. So ganz funktioniert hat das nicht. Manchmal denkt man, dass da einer versucht, so zu singen wie Rod Stewart. Nur dass das Rod Stewart ist. Aber in seinen besten Momenten, und von denen gibt es viele an diesem Abend, wächst er über sich hinaus. Macht uns den Blues und den Soul und den Funk, ist Party-Macher, Balladen-Fürst und Synthie-Popper. Schon bei den ersten Klängen von „Young Turks“ ist die Arena wie elektrisiert. Aufspringen, Loslegen, Abtanzen. So als hätte hier jemand einen Schalter umgelegt.
Rod Stewarts Tournee steht unter dem Motto „One Last Time“ – klingt, als könnte es die letzte sein
„Young hearts be free tonight, Time is on your side“ – diese Aufforderung, die zugleich ein Versprechen ist, steckt noch immer voller Magie. Die Herzen derer, die 1981 jung waren, sind es immer noch. Und dass die Zeit, die eigentlich längst begonnen hat, zur Neige zu gehen, weiterhin ein Verbündeter sein kann und kein Feind, hat etwas ungemein Tröstliches. Ebenso wie sich der Mann mit fast 80 hartnäckig weigert, sich auch so zu benehmen (auch wenn das Motto seiner Tour – „One Last Time“ – so klingt, als könne es die letzte sein).
Auch sein zweites Markenzeichen – die blonde Strubbelspitzen-Sturmfrisur – hat er beibehalten, dazu trägt er hautenge Röhrenjeans mit Rosen-Applikationen und Nietengürtel. Jacketts, deren opulente Muster sich als Bezüge auf barocken Möbeln gut machen würden oder so wirken, als hätte man aus einer Discokugel glitzerndes Gewebe generiert. Das Hemd weit geöffnet, so dass man viel Haut sieht, dazu Ketten und Armbänder und Uhr und Schuhe mit viel Bling-Bling.
Rod Stewart macht den Kasper und kuschelt mit dem Saxophonisten
Er kuschelt mit dem Saxofonisten, macht den Kasper, gibt Küsschen, wackelt mit den Hüften und dem Hintern, hüpft über die Bühne, als sei er unterwegs zum Abenteuerspielplatz, und hat auch kein Problem damit, sich am Bühnenrand niederzuknien, um einem Fan einen Pulli zu signieren. Ab und zu genehmigt er sich einen Schluck aus einem Glas mit brauner Flüssigkeit. Ein Zaubertrank? Den hätten wir, in seinem Alter, auch gerne.
Im Kreise seiner (bis auf die brünette Geigerin) allesamt blonden Musikerinnen und Sängerinnen fühlt er sich sichtlich wohl. Wobei an der Stoffmenge für die Outfits der Bandmitglieder nur bei den Frauen gespart wurde. Männer müssen keine ultrakurzen Röcke tragen oder Shorts als Pendants, und auch die Stilettos und die Glitzerstiefelchen und das Beinehochwerfen bleiben ihnen erspart. Kann man das einem ankreiden, der fragt „Da Ya Think I‘m Sexy?“ – und sich damit selbst zum Objekt fleischlicher Begierden macht?
Aus Rod Stewart ist 2016 ein Sir geworden. Und Politisch über jeden Tadel erhaben
Über jeden Tadel erhaben ist Sir Roderick (seit 2016 im Adelsstand) ganz klar dann, wenn er sich nach der furiosen Chaka Khan-Cover „I’m Every Woman“ der Backgroundsängerinnen mit gelbem Hemd und blauem Anzug präsentiert: „Blau und Gelb sind nicht nur die Farben der schwedischen Flagge, sondern auch die der Ukraine.“ Um dann dem ukrainischen Volk und Wolodymyr Selenskij den Sieg zu wünschen. Ihnen allen widmet er „Rhythm of My Heart“, wozu Bilder von ukrainischen Flaggen, von einem ukrainischen Soldatenfriedhof und einem winterlich gekleideten Kind gezeigt werden. Es trägt ein Schild mit der Aufschrift „No war“. Zum Schluss erscheint Selenskijs Bild. Und Rod Stewart wendet sich ihm zu und salutiert.
In Leipzig haben sie ihn für seine klare Stellungnahme ausgebuht. Und danach noch mal, in Budapest. Die Kölner applaudieren.