Dortmund. In der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle macht Comedian Torsten Sträter aus der Premiere seines neuen Programms großherzige Unterhaltung.
Nein, diese Kulisse nutzt sich nicht ab. Torsten Sträter ist schon im vergangenen Jahr erstmals in der Dortmunder Westfalenhalle aufgetreten, doch als er nun gegen 20.15 Uhr die Bühne betritt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht; ganz kurz schüttelt er ungläubig den Kopf. Diese legendäre Halle, ausverkauft – das gelingt Pop- und Schlagerstars, Tier-, Tanz- und Motorshows oder britischen Heavy-Metal-Legenden. Und nun eben auch dem Dortmunder Jung, der sich in den vergangenen 15 Jahren von den kleinen Poetry-Slam-Bühnen des Landes in die erste Riege deutschsprachiger Comedy hochgearbeitet hat.
„Einfach so tun, als wäre es das Cabaret Queue“ will Sträter beim Heimspiel vor der Riesenkulisse, zu der der Titel seines neuen Programms so wunderbar passt. Eigentlich geht „Mach mal das große Licht an“ aber auf einen Ausspruch von Sträters verstorbener Mutter zurück. Wobei – Sträter erweist sich direkt wieder als Meister des kunstvollen Abschweifens – der bessere Titel ja ihr vorwurfsvolles „Hömma, riechst du dat nich?“ gewesen wäre, das immer dann fiel, wenn sie in seinem muffigen Jugendzimmer das Fenster aufgerissen habe.
Torsten Sträter als „Butterkunstschnitzer“
Mit der Beziehung zu seiner Mutter setzt Sträter den Rahmen des Abends, und diese erste von ihm vorgelesene Geschichte enthält direkt alles, wofür man den Mann mit der Mütze schätzt: Warmherzige westdeutsche Kindheitserinnerungen zwischen Nici-Pullover, Salamander-Sandalen und die nur nach ihrem Wohnort benannte „Omma Eving“ treffen auf ungeschönte Ruhrpott-Schnauze, launige Sprachkritik und literarischen Aberwitz mit wahrem Kern. Seine Mutter habe ihn mal gescholten, weil er die Butter nicht sauber abgeschnitten habe, und aus der Banalität spinnt Sträter eine skurrile Traumreise über seine Aufnahme im Kloster der „Butterkunstschnitzer von São Paulo“, bei der er zwischendurch selbst lachend einbricht: „In meinem Schreibzimmer kam mir das ganz normal vor“, keckert er, und mit ihm das begeisterte Publikum.
Danach erzählt Sträter freier, von einem unglücklichen Telefonjoker-Moment bei „Wer wird Millionär?“, von den Vorzügen von Slippern und Crocs, berichtet von einem peinlichen Besuch beim Kardiologen und liest eine von Stoizismus und Medikamenten beeinflusste Kartoffel-Wut-Fantasie. Selbst, als er eine minutenlange geschliffene Erzählung zu seinen Vorfahren mit einer redlich albernen Pointe auf dem Boden zerschellen lässt, funktioniert das beim Super-Sympathen Sträter noch.
Schlagfertig und präzise
Beeindruckend bleibt dabei nicht nur das präzise Timing, mit dem der Komiker wie sein eigener Ordnungsrufer gern mal einem Kalauer schmunzelnd ein „unnötig“ hinterherschiebt, sondern auch seine Schlagfertigkeit: Als eine Frau quiekend auflacht, fragt er sofort, wer denn „das Meerschwein hereingelassen“ habe. Einem anderen Zwischenrufer antwortet er: „Du willst ein Kind von mir? Kannste haben. Aber der will schon wieder ein neues Auto. Kann sich kein Mensch mehr leisten.“
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Das Publikum geht all das fröhlich mit, spätestens kurz vor der Pause wird bei vielen aus Lachen hysterisches Gewieher: Sträter spricht über ein Tiktok-Video eines Fitness-Influencers, der ein „Exempel statuieren“ will – doch die automatisch erzeugten Untertitel schieben ihm ein „sechs Seppel statuieren“ unter. Sträter malt sich die Sechs aus, bis ins Biblische hinein – und im Saal kriegen die ersten keine Luft mehr vor Lachen.
„Mach mal das große Licht an“: Nicht nur lustig, auch bewegend
Dabei sind es die emotionalen, oft auch melancholischen Momente des Abends, die besonders prägend ausfallen: Gegen Ende nimmt Sträter die Mütze ab, ohne das Markenzeichen wirkt er jetzt wie einer, der den Schutzschild sinken lässt, nackt und angreifbar dasteht. Und dann spricht der Mann mit dem ungeraden Lebensweg, den Depressionen und dem späten Erfolg aus, wie dankbar er für das ausverkaufte Haus sei und dass er das alles noch gar nicht an sich ranlassen könne, weil er sonst die Show nicht schaffe. Und sagt die schönsten Sätze des Abends: „Ich bin in Eving geboren worden. Das sind nur acht Stadtbahn-Stationen von hier. Aber es kam mir länger vor.“
Danach kann im Prinzip nichts mehr kommen, doch Sträter erzählt vom Tod seiner Mutter, und zwar urkomisch und sehr berührend zugleich. Wie der Humorist da nochmal alle Gedankenfäden des Abends zusammenführt, entlarvt er sich nicht nur als gewandter Autor und Erzähler, sondern auch als das, was er immer war: ein bodenständiger Menschenfreund mit großem Herzen.