Köln. Punk trifft auf Polka und Pulp Fiction – das Bandprojekt der Radioheader Thom Yorke und Jonny Greenwood elektrisieren im Palladium.
„Kiffermusik“, sagt meine Freundin. Und damit ist das Thema für sie abgehakt. Dass fast 4000 Fans im nicht ganz ausverkauften Palladium komplett bekifft sind, lässt sich allerdings ausschließen. Weil der Konsum von Cannabis gemeinhin weder schrille Schreie der Begeisterung auslöst noch schier endlosen Applaus zur Folge hat. Sediert sein geht anders. Als an diesem Sonntagabend beim Kölner Konzert von The Smile.
Wobei der Name schon mal vorneweg dazu angetan ist, Verwirrung auszulösen. Ohne den vorangestellten Artikel könnte man das musikalische Projekt, das die beiden Radiohead-Musiker Thom Yorke und Jonny Greenwood im Lockdown davon abhielt, die Wände hochzugehen, mit der Band verwechseln, aus der 1970 Queen hervorgingen. Oder, etwas näher am Puls der Zeit, mit einer Post-Punk-Combo aus dem Köln/Bonner Raum, die bei der diesjährigen c/o pop ganz groß rauskam und von der man noch einiges hören wird.
The Smile mischt in Köln die Alben „A Light for Attracting Attention“ und „Wall of Eyes“
Und es war auch kein liebes, nettes oder freundliches Lächeln, dass Yorke und Greenwood im Sinn hatten. Als sie sich mit Tom Skinner zusammentaten, einem der beiden Ex-Drummer der Jazzformation Sons of Kemet, um 2022 mit „A Light for Attracting Attention“ eine Signalrakete abzuschießen. Pate für The Smile stand ein eher düsteres Gedicht des eher düsteren britischen Poeten Ted Hughes. In dem von Blut und Knochen und Gift die Rede ist.
Auch das zweite Album „Wall of Eyes“, das Ende Januar erschien, beschwört keine helleren Horizonte. In Köln präsentieren Yorke, Greenwood und Skinner, unterstützt von Saxofonist Robert Stillman, einen charismatisch-clusterhaften Cocktail aus beiden Alben. Versuche, das einem bestimmten Genre zuzuordnen, sind zum Scheitern verurteilt. Weil hier ein Querschnitt aus allem auf die Bühne kommt, was die Musikgeschichte in den letzten 30 Jahren zu bieten hatte.
Thom Yorke, Jonny Greenwood, Tom Skinner hatten allen Grund zum breiten Lächeln
Das hochdosierte, hyperkomplexe Destillat wird getragen von Yorkes Stimme, der mit ihrem elbischen Falsett eine geisterhafte Jenseitigkeit anhaftet. Hier und da wird sie roh und rau aufgebrochen. Was in lässiger Slowmotion beginnt, ballt sich zu kolossalen, bedrohlichen Klanggewittern zusammen. „Bending Hectic“ ist dafür ein Paradebeispiel. Beschrieben wird eine Autofahrt entlang der Küste in Italien, die Haarnadelkurven, das Schalten, das Bremsen, das Schlittern und Schlingern, das Ausbrechen, der Moment, in dem die Zeit einfriert und in der nichts mehr geht. Außer abwärts. Über die Klippe. Fallen. Fallen, und dann der Crash.
The Smile ist Musik gewordener Fluxus, eine Prise Spieldosenirrsinn trifft auf Pulp Fiction, am Meeresgrund britzelt’s elektrisch. Rote Lichtstreifen ziehen so schnell vorüber als sei Rushhour. Geigenbogen streicht Bass, Besen streichelt Becken, Coldplays Uhren schlägt die Stunde, der Punk tanzt Polka im TV und Can haben nie aufgehört zu existieren.
Mona Lisa tut es. Die Sphinx tut es. Und Babys tun es. Rund 400 Mal pro Tag. Auch Thom Yorke, Jonny Greenwood, Tom Skinner und hätten allen Grund dazu.