Gelsenkirchen. Jubel am Musiktheater im Revier. Ein Musical im Kleinformat zeigt große Gefühle. Benjamin Lee und Sebastian Schiller begeistern.
Ein kleines, hierzulande so gut wie unbekanntes Kammerspiel-Musical kommt am Musiktheater im Revier ganz groß heraus: „The Story of My Life“ von Neil Bartam und Brian Hill. Vongani Bevula hat das Zwei-Personen-Stück im Foyer des Großen Hauses eingerichtet.
„The Story of My Life“ - spannender Ort: Im Foyer des Musiktheaters Gelsenkirchen
Die im besten Sinne herzerwärmende Geschichte erzählt in 18 Songs von der Freundschaft zwischen Alvin (Benjamin Lee) und Thomas (Sebastian Schiller). Geistiger Vater des Musicals voller Poesie war Frank Capras auf einer Kurzgeschichte von Philip Van Doren Stern beruhender legendärer Weihnachtsfilm „Ist das Leben nicht schön?“, indem der verzweifelte George Bailey (James Stewart) von einem Engel daran gehindert wird, von einer Brücke in den Tod zu springen. Im Musical hat kein Engel Alvin vor dem Selbstmord bewahrt.
Sein Freund seit Grundschultagen, der für seine Kurzgeschichten preisgekrönte Autor Thomas, hat einst versprochen, die Grabrede zu halten. Doch ihm fällt einfach nichts ein; er versteht nicht, welche Umstände zum Freitod geführt haben, sucht nach Erklärungen für die schleichende Entfremdung. Die innere Zwiesprache mit Alvin bringt ihn langsam voran. Der empfindsame, empathische Freund rät ihm, noch einmal entscheidende Etappen der gemeinsamen Vergangenheit zu durchleben. Die alte, von den Kindern verehrte Grundschullehrerin. Mark Twains Roman „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“, den Alvin ihm einst schenkte und der den Entschluss begründete, Schriftsteller zu werden. Toms Abschied aus der Kleinstadt, wo Alvin in der Buchhandlung des Vaters festhing. Die kurzfristige, mit Überlastung begründete Absage eines Wiedersehens nach langer Zeit. Die Unfähigkeit des Kopfmenschen, als Grabrede auf Alvins Vater statt eigener Gedanken nur eine lieblose Zitatensammlung vorzulegen.
Die Erinnerungsreise endet für Thomas mit dem Eingeständnis, das seine Schriftsteller-Karriere ohne die Inspiration des Freundes kaum möglich gewesen wäre („Ich habe Alvin nie gesehen“). Schließlich überwindet er seine Blockade und schreibt endlich eine ureigene Kurzgeschichte („Engel im Schnee“) als Grabrede auf den treuen Freund.
Kitsch-Potenzial wird im Musical klug umschifft
Die Geschichte, deren intimen Charakter ein neunköpfiges Kammerorchester der Neuen Philharmonie Westfalen unter Mateo Peñaloza Cecconi prächtig illustriert, ist nicht ohne Kitsch-Potenzial. Doch wie Regisseur und Ausstatter Bevula im kargen Bühnenbild (Schreibtisch, Hocker, ein paar Bücher voller leerer Seiten) jegliche Überzuckerung konsequent vermeidet, das ist bewundernswert. Ihm stehen aber auch mit Sebastian Schiller und Benjamin Lee zwei überragende Sänger-Schauspieler zur Verfügung, die jeden Moment des 105-minütigen, mit Standing Ovations bedachten Abends mit Leben und Emotion erfüllen.
Termine: 2., 9., 11., 18. u. 29 Mai, Tel. 0209-4097200. Mehr Info unter https://musiktheater-im-revier.de/