Essen. Ist das die Kino-Antwort auf die von Trump angezettelte Revolte? „Civil War“ startet im Kino. Kirsten Dunst als Journalistin im Krieg.

War da ein Datum? Irgendwann in naher Zukunft, oder wie das gemeinhin etikettiert wird? Gibt es Hintergründe zu vermitteln, wie es dazu kommen konnte? Nein, dieser Film steigt einfach ein in sein titelgebendes Szenario. In den USA tobt der Bürgerkrieg. Western Forces, eine Allianz aus diversen Bundesstaaten, rücken mit starker Feuerkraft auf Washington vor. Hier hat sich der Präsident im Weißen Haus verschanzt und klammert sich an seine nicht gesetzeskonforme dritte Amtszeit und verkündet über Fernsehen und Radio sinnentleerte Siegesparolen.

Neu im Kino „Civil War“ mit Kirsten Dunst und Wagner Moura

Einige hundert Meilen entfernt in New York wittern Reporter ihre Chance. Die renommierte Fotografin Lee (Kirsten Dunst) und ihr schreibender Kollege Joel (Wagner Moura) wollen am nächsten Morgen mit dem Wagen aufbrechen, um den Präsidenten vor seinem Fall vor Mikrophon und Kamera zu bekommen. Ein altgedienter Reporter der New York Times (Stephen McKinley Henderson) schließt sich ebenso an wie die Nachwuchsfotografin Jessie (Cailee Spaeny). Die Reise führt durch ein Amerika am Abgrund der Zivilisation.

Wer sich die Bilder vom 6. Januar 2021 vor Augen führt, als der abgewählte Präsident mit markigen Reden und haltlosen Behauptungen einen Mob zum Marsch auf das Capitol aufwiegelte, muss sich wundern, dass die erste Trump-Administration im amerikanischen Filmschaffen bislang keinerlei signifikanten Niederschlag fand. Wenn nun der Engländer Alex Garland ein modernes Bürgerkriegsszenario beschwört, lässt das auf einen kritisch, satirisch oder analytisch distanzierten Blick auf die US-Gesellschaft hoffen. Das clever gestaltete Plakatmotiv mit MG-Nestern am höchsten Punkt der Freiheitsstatue beweist zudem, dass auch das moderne Kino den Draht für kraftvolle Bildmotive nicht verloren hat.

 Von wegen Blauhelm: Cailee Spaeny und Wagner Moura geraten als Journalisten mitten ins Gefecht um die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika.
 Von wegen Blauhelm: Cailee Spaeny und Wagner Moura geraten als Journalisten mitten ins Gefecht um die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika. © DCM | A24

Nach wenigen Filmminuten zeigt sich allerdings auch, dass Alex Garlands Synthese aus Reporterdrama, Endzeitspektakel und militärischer Materialschlacht unterhalb seiner schillernd inszenierten Oberfläche nur aus altbewährten Versatzstücken besteht.

Zur Person

Alex Garland, 1970 in London geboren, stieg 1996 aus dem Nichts mit „Der Strand“ zum Bestsellerautor auf. Danny Boyle, der das Buch verfilmte, holte sich Garland in der Folge auch als Autor für den Zombiereißer „28 Days Later“ und den klaustrophobischen Weltraumthriller „Sunshine“. 2015 debütierte Garland mit „Ex Machina“ um einen weiblichen Cyborg als Regisseur. Mit dem Technothriller-Mehrteiler „Devs“ landete er zudem einen Streaming-Erfolg.

Die abgeklärten Journalisten, die schon alles gesehen und deshalb ihre moralischen Skrupel verloren haben, sind unmittelbar aus dem Reporterkino der 80er Jahre („El Salvador“, „Under Fire“, „The Killing Fields“) abgepaust. Das Land im Bürgerkrieg gestaltet sich als Endzeitszenario, wo rassistische Freischärler alle fremden Ethnien kaltblütig ermorden, während in vorgeblich neutralen Gegenden das Idyll eines keimfrei sauberen, Mickey-Maus-weißen Amerikas beschworen wird. In diesen wenigen Momenten einer auf realen gesellschaftlichen Phänomenen basierenden Zuspitzung findet der Film zu beunruhigend intensiven Szenen. Der Rest gefällt sich in plakativen Posen (immer mit der Kamera vor dem Auge ins Sperrfeuer laufen) und Merksätzen („Wir wollen nur unsere Story“), in denen Tiefgang reine Behauptung bleibt.

Starke Kamera, aber die Story von „Civil War“ bleibt den Tiefgang schuldig

Alex Garlands Regie stützt sich auf das charismatisch desillusionierte Gesicht von Kirsten Dunst, die Gier nach Anerkennung in Cailee Spaenys Augen und die Strahlkraft entfesselter Waffengewalt. Der Sturm aufs Weiße Haus gestaltet sich als Alamo-Abbild unter neuen Vorzeichen; diesmal ist es die etablierte Staatsmacht der USA, die standrechtlich niedergemäht wird. Alex Garland betreibt dafür enormen Aufwand, findet immer wieder verführerische Kameraeinstellungen vom Töten und Sterben, wie sie im modernen Zombiefilm etabliert wurden. Was nicht dazugehört oder die Ordnung stört, das muss weg. Worum es eigentlich gehen müsste, wie es zum Bürgerkrieg kam und wer aus welchen Gründen gegen wen kämpft und mit welcher Zielsetzung, darüber verschwendet Garland keine Minute. Mit Recht! Sein Zielpublikum hätte für derlei Störmomente keinerlei Geduld übrig.