Essen. John Grishams neues Buch „Die Entführung“ wird Justizthriller genannt und soll die Fortsetzung von „Die Firma“ sein. Stimmt aber nicht.
Er muss das ja nicht machen. Er muss nicht mehr schreiben. Es regnet ja nicht rein zu Hause nach fast 300 Millionen verkaufter Bücher weltweit in den letzten 23 Jahren. Aber John Grisham kann es offenbar nicht lassen. Deshalb gibt es jetzt „Die Entführung“, oder „Die Firma, Teil 2“, wie sie in der Werbekampagne gerne sagen. Aber da sprechen sie auch von „Justiz-Thriller“. Das eine stimmt so wenig wie das andere.
John Grishams neuer Roman „Die Entführung“ spielt im Jahr 2005
Hauptperson ist wieder Mitch McDeere, dieser forsche junge Anwalt, der in einem der ersten großen Erfolge Grishams, in „Die Firma“ eben, eine Mafia-Kanzlei auffliegen ließ und deshalb Hals über Kopf mit Ehefrau Abby aus Memphis flüchten musste. 33 Jahre später können wir erfahren, was aus den beiden geworden ist.
„Die Entführung“ setzt im Jahre 2005 ein. Mitch und Abby sind immer noch verheiratet und mittlerweile Eltern von Zwillingen. Trotz seiner schlechten Erfahrungen hat Mitch wieder in einer Großkanzlei angeheuert – dieses Mal in New York. Mittlerweile ist er Partner und auch sonst läuft alles gut. Bis ihn das Verbrechen wieder einholt. Allerdings sind es nun keine Mafiosi mehr, die ihm nach dem Leben trachten, sondern international agierende Terroristen aus Nordafrika.
John Grisham schickt den Helden in der „Entführung“ auf den ersten 40 Seiten zurück nach Memphis – das ist der einzige Bezug zum Bestseller „Die Firma“
Als Mitch im Auftrag seiner Kanzlei in Libyen die Millionenforderung eines türkischen Mandanten eintreiben soll, überfallen sie sein Team, töten mehrere Mitglieder und entführen eine – laut Grisham – überaus attraktive Kollegin namens Giovanna. Lösegeldforderung: 100 Millionen Dollar. Mitch soll sie retten und bringt dabei nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie in Gefahr.
Was das mit der „Firma“ zu tun hat? Nichts. Den einzigen Bezug zum 93er-Bestseller bilden die ersten knapp 40 Seiten des Buches, in denen Grisham seinen Helden zu noch einmal zurück nach Memphis schickt, wo er den völlig hoffnungslosen Fall eines zum Tode Verurteilten übernehmen soll. Irgendeine Bedeutung für die restlichen knapp 360 Seiten, die darauf folgen, hat das nicht. Weshalb es auch nicht nötig ist, die Ereignisse aus der „Firma“ zu kennen, um den neuen Roman zu verstehen.
Auch bei den verzweifelten Versuchen, die Geisel zu befreien, erinnert nur noch wenig an die großen Erfolge der 90er. Nicht zum ersten Mal zeigt sich, wie schwer sich Grisham und seine Figuren oft tun, sobald sie den Gerichtssaal verlassen. Und in diesem Buch kommt es kein einziges Mal vor, dass sie überhaupt einen betreten.
Grisham will ein größeres Rad drehen. Will zeigen, wie egal das Schicksal eines einzelnen Menschen den Regierungen der großen Länder dieser Welt ist. Und wie Anwälte in den USA mittlerweile von der Moral getrieben sind. Das ist ehrenhaft und auch mal interessant, wirklich aufregend aber ist es nicht. Zumal der Autor immer wieder abschweift und sich in Belanglosigkeiten verliert. Die genaue Speisenfolge eines Abendessens bringt die Geschichte ebenso wenig weiter wie die ganzseitige Beschreibung eines ereignislosen Fluges von New York nach Afrika. Das alles macht „Die Entführung“ mindestens 50 Seiten zu lang.
„Die Entführung“ von John Grisham wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen
Das Tempo ist nicht sehr hoch, die Spannungskurve schwankt irgendwo zwischen „nicht vorhanden“ bis flach. Und Grishams Stil wirkt mittlerweile ein wenig aus der Zeit gefallen. Jedenfalls möchte man am Ende gar nicht mehr wissen, wie es mit Mitch und Abby weitergeht. Das alles wird Grisham nicht davon abhalten, weiterzuschreiben. Denn bei der Menge an Fans wird es auch im Fall der „Entführung“ wieder für einen Besuch in den Bestsellerlisten reichen. Der dürfte allerdings kürzer ausfallen als früher.
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