Düsseldorf. Leerer Raum, leeres Versprechen. Die Düsseldorfer Inszenierung der Tschaikowsky-Oper lässt die Sänger ziemlich allein. Unsere Kritik.
Den Zauber des leeren Raums haben viele große Theatermacher beschworen. Aber natürlich hat es gewisse Vorteile, wenn man ihn zu füllen weiß. An der Rheinoper misslingt Michael Thalheimers Versuch, Aufstieg und Fall von Tschaikowskys „Eugen Onegin“ komplett auf die Enge eines möbellosen, hölzernen Rechtecks zu reduzieren.
Living in a box?! Henrik Ahr hat diesen Rahmen gebaut, leicht flexibel immerhin, mal stülpt die Opern-Kiste 16 Stufen aus, mal rückt ihre Hinterwand bedeutungsvoll nach hinten. Ach, die Bedeutung!: Was wir aus diesem nicht ver-, sondern bloß geschachtelten Abend ableiten, liegt leider sehr auf der Hand. Menschen in der Enge ihrer Veranlagungen. Ui, da wird es oft ganz schön eng, und wenn es ganz schlimm kommt, na dann wird es richtig eng. Und wenn ein russisches Mädchen vom Lande aufbegehrt, dann drückt sie richtig feste gegen die hölzerne Festung. Manchmal passiert dann was, oft auch nichts.
Michael Thalheimer inszeniert „Eugen Onegin“, vorwiegend langweilig
Thalheimer, der sich (nicht zuletzt mit einem packenden Otello) mehr als einmal als Operndeuter von Rang erwiesen hat, hat sich (nett zur Handlung passend) in etwas verliebt, was hier auf lange Strecke einfach nicht funktioniert: aus der Leere heraus die überbordenden Nöte der Personen zu illustrieren. Und das (bis auf zwei Duell-Pistolen) auch noch komplett frei von Requisiten. Woran selbst Schauspieler hart arbeiten müssen, wie sollen das Sänger schaffen?
Onegin, wir erinnern uns, ist ein hochmütiger Junggeselle, die Liebe der schwärmerisch veranlagten Tatjana schlägt er recht kaltschnäuzig aus. Viel später will er sie doch: Diesmal ist es sie es, die ablehnt. Auf dem langen Weg dorthin, gibt es einen Toten: Lenski, den Onegin im Duell erlegt, Fast-Schwager Tatjanas. Sein Herz gehörte ihrer Schwester Olga.
Abseits der Musik, die der künftige Generalmusikdirektor Vitali Alekseenok mit Düsseldorfs Symphonikern in großer Wärme und mehr sängerfreundlich als extrem charismatisch aufblühen lässt, also eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, die wachgeküsst werden will. Aber welcher Zuschauer unter 50 soll sich für diese Inszenierung interessieren? Und für ihr Personal, das Michaela Barths Kostüme eher unverbindlich um eine Nachkriegs-Kolchose drapiert, die Oberschicht mit adretterem Schick, versteht sich.
Termine und Karten
Eugen Onegin, Deutsche Oper am Rhein. Drei Stunden, eine Pause.
Nächste Termine in Düsseldorf: 1., 3, 9., 21., 24 März. Aufführungen in dieser Spielzeit bis Mai.
Die Inszenierung wird später auch im Theater Duisburg zu sehen sein.
Zu selten belebt Düsseldorfs Opernkiste szenische Spannung. Ein bisschen Aufbegehren der kleinen Leute zu Beginn, ansonsten lässt sich Thalheimer mit rätselhaftem Vorsatz, Chancen entgehen, den Darstellern zu helfen. Die Viertelstunde der berühmten „Briefszene“, in der Tatjana Onegin ihre Liebe erklärt, fordert er Ekaterina Sannikova ohne Feder und Papier ab, ohne Stuhl und Sekretär. Da müht sich dann ein sehr talentierter, wenn auch in den dramatischen Ausbrüchen zu gleichförmiger Sopran unentwegt um Ausdruck. Das Ergebnis lässt (auch bei ihren Ensemble-Gefährten) leider mehr an die frühen Tage des Stummfilms denken. Das Ergebnis ist deprimierend. Es geht bei Tschaikowsky zweieinhalb Stunden lang um Liebe - und kaum jemand kann das hier glaubwürdig zeigen. Die szenischen Mittel: allenfalls gediegene Konfektionsware: beidseitige Scheinwerfer machen aus einer Rolle: zwei Schatten. Es gab schon subtilere Bilder zerrissener Seelen im deutschen Regietheater.
Premiere Rheinoper: „Eugen Onegin“, Schlussapplaus mit Buh-Rufen
Um es klar zu schreiben. Diese Inszenierung ist weder ein ganz großes Ärgernis noch der Reinfall der Saison. Sie ist vielmehr ein Beispiel, wie Regie sich in die Ästhetik einer Idee verguckt, die das Werk schlichtweg nicht trägt. Sie ist eines der Theatererlebnisse, von denen man nach ein paar Tagen fast nichts mehr weiß.
Das recht gute Ensemble hätte mehr verdient. Der Chor der Rheinoper war in mächtig guter Form. Überragend (wenn auch in der dankbarsten Partie) Bogdan Talos als Tatjanas fürstlicher Gatte, keineswegs bassgeschwärzt, sondern mit humaner Noblesse. Dass Bogdan Bacius herrlich viriler Bariton mitunter leicht grobkörnig klingt, ist kein Nachteil: Onegin ist ein Rüpel, das darf man durchaus hören. Ramona Zaharias Olga hat Charisma, doch geht den beachtlichen Tiefen ihres Mezzosoprans bisweilen das Sangliche ab. Teils etwas eng, aber mit bewährten Tenor-Stärken: Ovidiu Purcels Lenski, auch wenn wohl kein Schauspieler mehr aus ihm wird. Sie alle ernteten am Ende viel Applaus. Ein paar Buh-Rufe trafen die Regie.