Wuppertal. Abenteuerliche Kunst-Sehreise von Kandinsky bis Neo Rauch in Wuppertal: Abstrakte Kunst mit dem ironischen Titel „Nicht viel zu sehen“
„Nicht viel zu sehen“ ist durch und durch ein ironischer Ausstellungstitel. Im Wuppertaler Museum von der Heydt zeigt sich, wie wenig abstrakt, wie schwungvoll und phantasieschillernd die Wege der abstrakten Kunst in den letzten 100 Jahren waren. Über 80 Leinwände von Kandinsky bis Georg Baselitz, von Paul Klee bis Neo Rauch und Katharina Grosse brauchen nur eine gewisse Offenheit des Auges – und schon beginnt eine geradezu abenteuerliche Sehfahrt.
August-Macke-Preisträgerin Toulu Hassani im Museum von der Heydt
Über 2000 Gemälde besitzt das Wuppertaler Museum, zu sehen ist davon immer nur ein Bruchteil. Unter den über 80 ausgewählten Leinwänden aus eigenem Bestand sind nun etliche, die erstmals öffentlich ausgestellt werden. Manche sind frische Neuerwerbungen wie das atemberaubende Sternenhimmelbild von Toulu Hassani, die gerade mit demAugust-Macke-Preis ausgezeichnet wurde. Andere sind auch nach über einem Jahrhundert noch taufrisch wie Wassily Kandinskys Farblithografie „Fröhlicher Aufstieg“.
Kandinsky galt lange als Erfinder der Abstraktion in der Malerei, heute wissen wir, dass es ein internationales Phänomen war, das in den 20er-Jahren in ganz Europa vor dem Durchbruch stand, mit Hilma af Klint in Schweden, Theo Doesburg in den Niederlanden und Mikalojus Konstantinas Čiurlionis in Litauen. Für Jahrzehnte stellte das Abstrakte in der Malerei eine Revolution dar – mehr und mehr sollten die Farben und Formen nur noch für sich stehen, nichts mehr bedeuten und auch keinen Sinn preisgeben. Das war den Nazis suspekt, aber der Nachkriegszeit besonders in Deutschland hochwillkommen: Bloß keine Ideologien mehr! So sehen wir die große Namen der 50er und 60er: Ernst Wilhelm Nay, Fritz Winter, Willi Baumeister und Emil Schumacher. Ihnen gegenübergestellt sind aber junge Künstlerinnen wie Tatjana Valsang, die ungemein präzise und raumgreifend malt.
Georg Baselitz und andere „Neue Wilde“ in der Wuppertaler Ausstellung „Nicht viel zu sehen“
Und auch die Rebellion gegen das Abstrakte zeigen sie in Wuppertal: Der „Adler“ von Georg Baselitz steht für den Neo-Expressionismus, der die Nase voll hatte von der unverbindlichen Abstraktion. Aber: auch die „Neuen Wilden“ konnten hinter die abstrakte Malerei nicht mehr zurückfallen und bedienten sich ihrer Formensprache, wo sie reduzierte auf Umrisse und Flächen. Heute stehen Abstraktes und Figuratives gleichberechtigt nebeneinander. So wie auch in der grandiosen Tempera-Malerei des wiederzuentdeckenden Puristen Amédée Ozenfant, dessen „Weltall mit Himmelskörpern“ in surreale Traumgespinste entführt.
Dass in Wuppertal so viel aktuelle, hochkarätige Malerei aus der Sammlung zu sehen ist, liegt nicht zuletzt an der Renate und Eberhard Robke Stiftung. Der örtliche Unternehmer und langjährige SPD-Politiker Robke gründete die Stiftung vor gut 15 Jahren nicht zuletzt, um dem Museum seinen weggefallenen Anschaffungsetat zu ersetzen. So kamen auch Bilder von Ulrich Erben und Günter Förg in die Sammlung. Der Titel der Ausstellung stammt übrigens vom gleichnamigen Gemälde Jean Fautriers. Das verbreitet mit einem schwungvollen Aufstrich in ungezählten Violett-Variationen, der jede Menge Blicke wert ist, jene heitere Grundstimmung, mit der man diese Ausstellung verlässt.