Essen. Immer mehr Theater geben Schauspielern Mikros. Muss das? Claudia Hartmann antwortet. Sie bildet Schauspieler an der Folkwang-Uni aus.
Können Sie als Ausbilderin bestätigen, dass auf der Bühne öfter Mikros vorkommen als früher?
Claudia Hartmann: Das Verstärken hat sich etabliert. Früher gab’s das fast nur im Musical, manchmal im Kindertheater, bei Freilichtaufführungen. Heute ist es im Theater oft anzutreffen.
Wie finden Sie das als Profi?
Für bestimmte Regie- und Bühnenkonzepte sind Mikroports sehr sinnvoll. Aber die menschliche Stimme lebt eben von Resonanz, nicht nur im eigenen Körper – auch hin zum Publikum. Diese Interaktion geht bei technischer Verstärkung oft verloren. Aber sie sollte ein zentrales Mittel von Theater bleiben. Unsere Ausbildung zielt darauf, die Stimme zu schulen und dieses Niveau zu halten: Sie soll leistungsfähig, ausdrucksstark sein und beglaubigen, was ein Mensch zu sagen hat.
Der Tanzpädagoge Royston Maldoom („Rhythm is it“) hat mal gesagt, er sei erschüttert, wie wenig Menschen heute in ihrem Körper zu Hause sind. Bringen Studierende viele Eigenschaften nicht mehr so selbstverständlich mit?
Kindheit und Jugend ist heute eine andere. Wenn schon Dreijährige vor einem Computer sitzen, ist das nicht ohne Folgen. Immer mehr Kinder weisen etwa Sprachverzögerung auf oder Stimmprobleme. Früher sind sie zum Spielen rausgegangen, im Freien muss man natürlich die Stimme anders mobilisieren. Wenn ein Jugendlicher mit Headphone chattet, muss seine Stimme eben auch keine Distanz überwinden.
Sind da Fähigkeiten verloren?
Sagen wir: verborgen. Alles ist auf jeden Fall angelegt in uns. Wenn Kinder auf die Welt kommen, bringen sie das Potenzial von zwei bis vier Oktaven Umfang mit. Wenn wir älter werden beschränkt sich das durch unterschiedlichste Anforderungen unserer Gesellschaft mitunter auf eine Oktave
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Wen sie bei Folkwang ausbilden, der muss auch einen Riesensaal wie das Burgtheater füllen.
Wir versuchen, sie für diese großen Häuser so zu rüsten, dass sie mittels eigener Stimme alle erreichen. Das ist mehr als Technik, auch wenn wir selbstverständlich handwerkliche Dinge schulen wie etwa einen Vokal präzise zu bilden. Aber Sprache mit der Bandbreite des Ausdrucks zu senden, ist eben eine Kunstform. Stimmkraft ist auch emotionale Kraft.