Düsseldorf. Die Kunstakademie lädt bis Sonntag zum Schauen, Staunen und Entdecken ein. 45.000 Besucher tummeln sich zwischen Skulptur und Malerei.
Nils-Simon Fischer ist im Garten der Akademie fündig geworden. Hier hat er den alten Grenzstein entdeckt, ein Kunstwerk an sich, aufgeladen mit Zeit, ideal für ein Werk, das er „Detention“ („Festnahme“) nennt. Doch im Innern bereitete der 600-Kilo-Koloss dann erst einmal Schwierigkeiten. Zunächst wurde er ins obere Stockwerk transportiert. Doch dort baute man um, so dass der Stein wieder weichen musste. Also zurück mit dem dicken Brocken ins bildhauertaugliche Erdgeschoss. Eine Riesenaktion war das, der Hubwagen ist soeben weg. Kunst mit Gewicht eben, die Fischer fürs erste so kommentiert: „Als Grenzstein sollte er Probleme regeln. Und dann wurde er zum Problem.“
Zu Gast im Raum der Akademie-Klasse Gregor Schneider
Ende gut, alles gut. Jetzt liegt der kompakte Zeitzeuge genau richtig. Moosbesetzt, angeschliffen und eindeutig ein Blickfang im Raum der Akademie-Klasse Gregor Schneider. Für Fischer enthält er komprimiertes Leben – vis-a-vis an der Wand hat er ein Werk aus den zwölf Seiten Anweisungen geschaffen, die er bei seinem Job als Museumsaufsicht erhielt. Eine filigrane Grafit-Zeichnung aus Buchstaben und Leerstellen, unfassbar akkurat zu Papier gebracht: sieht aus wie ein Notenblatt. „Beamtensprache, die einen musikalischen Touch bekommen hat“, sagt Fischer. Auch diese gebündelt, komprimiert. Fischer studiert in Düsseldorf Bildhauerei. Und er ist einer von rund 450 jungen Künstlern, die sich beim Akademie-Rundgang vorstellen.
Unterdessen ist in den Gängen des ehrwürdigen Gebäudes schon einiges los. Die ersten Gäste sind da, Kunstexperten, Professoren, Förderer, die eine Reihe interne und externe Preise ausloben. Aber der große Run, der startet heute. Wenn die Düsseldorfer Hochschule an fünf Tagen im Winter zur Leistungsschau lädt, ist es erfahrungsgemäß mehr als voll: Zwischen 30.000 und 45.000 Besucher und Besucherinnen werden erwartet, und da aus Sicherheitsgründen immer nur 1800 ins Haus dürfen, bilden sich vor dem Eingang regelmäßig Schlangen.
20 Klassen der Kunstakademie zeigen beim Rundgang ihre Arbeiten
20 Klassen zeigen ihre Arbeiten, das ergibt rund 60 Räume voller Kunst. Von Zeichnungen über Skulpturen, Plastiken, Video und Installationen bis zu Fotografie und Malerei reicht die Palette. Unter den Gästen sind neben Kunstliebhabern und Neugierigen auch Sammler, Museumsexperten und Galeristen. Viele Werke stehen zum Verkauf und beim Rundgang gilt traditionell: Hier ist die Ware Kunst noch frisch.
Nils Dunkel ist den Besuchern auf der Spur. Er hat in diesem Jahr das Glück, der einzige Absolvent der Klasse von Rita McBride zu sein und mit seiner Abschlussarbeit einen einzelnen Raum bespielen zu dürfen. Und diese Gelegenheit hat er ausgiebig genutzt. Während er im ersten Teil farbenfrohe Fotodrucke zeigt, die sämtliche Kapitel des Romans „Schnee im Frühling“ des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima in Szene setzen – 55 zarte, leichte, wunderschöne Arbeiten voller Blüten und Natur – gelangtman über eine Art Riesen-Stempelkissen auf dem Boden in den hinteren Teil des Raums.
Pulsierende Neonarbeiten und Fußabdrücke der Besucher der Kunstakademie Düsseldorf
Hier präsentiert Dunkel zwei pulsierende Neonarbeiten zum selben Thema, die in der Dunkelheit bis auf die Straße leuchten. Ein nächtlicher Herzschlag. Auf dem Boden Profaneres: Schuhabdrücke, die von einer ganzen Menge früher Gäste erzählen oder vielmehr von ihren Sohlen. „Niemand bleibt anonym“, sagt Dunkel. Eine Spurensammlung der besonderen Art. Und auch ein Statement zu Untersuchungen, die Wegen der Menschen durchs Museum nachspüren.
Dagegen ist es in den Räumen der Klasse Peter Piller wesentlich enger. An der Wand eine Riesenskulptur aus Teichfolie, in Streifen geschnitten, mit Draht verbunden. An den Wänden ziehen eine Reihe bunter Hundeköpfe die Blicke auf sich. Emmélie Lempert führt Aufsicht, sie studiert im elften Semester freie Kunst. Lempert hat sich ein Archiv aus Kostümen und Rüstungsteilen geschaffen, rund 30 handgefertigte Stücke, die sie für Performances nutzt – hier stellt sie hinter Plexiglas einen Anzug aus, an dem noch ein wenig Erde von einer Film-Session im Wald klebt.
Als ähnlich schwer verkäuflich dürfte sich das (Gips-)„Pferdchen“ erweisen, das Maja Günther im Raum der Malerei-Klasse Sabrina Fritsch präsentiert. Eine bedauernswerte Kreatur, riesengroß, auf dem Rücken liegend, die Besucher fest im Blick. Die Künstlerin interessieren domestizierte Tiere, erzählt sie, „und der Mensch, der sich nicht als Tier wahrnimmt.“ Sieht aus, als blicke die neue Generation Künstler und Künstlerinnen nicht vor allem auf einen kommerziellen Erfolg.
Rundgang vom 31. Januar bis 4. Februar, jeweils zehn bis 20 Uhr: Kunstakademie, Eiskellerstraße 1, 40213 Düsseldorf. Der Eintritt ist frei.