Wuppertal. Keine gute Fee küsst „Cinderella“ (Rodgers/Hammerstein) in Wuppertal. Dem Musical fehlt eine mitreißende Regie, manches wirkt wie auf der Probe.

Es war einmal eine junge Frau, Cinderella, die lebte mit ihrer bösen Stiefmutter (Madame) und ihren Stiefschwestern (Gabrielle, Charlotte) in einer normalen, geräumigen Wohnung. Nur ihre Tante Marie (die Gute Fee) war immer freundlich zu ihr. In ihrer Einsamkeit und Verzweiflung, wenn sie wieder einmal von Madame tyrannisiert worden war, flüchtete sie sich in ihr Hochbett und träumte vor sich hin.

In diesen schönen Träumen, in denen auch ihre großen Plüschtiere zum Leben erwachten, verdrängte eine heile Märchenwelt für kurze Zeit die bittere Realität. Und es war einmal ein Prinz, Christopher, der nach dem Tod seiner Eltern den Thron übernehmen sollte. Ein sympathischer junger Mann, der zwar schon Drachen und Riesen erledigt hatte, aber („Wer bin ich?“) voller Selbstzweifel und ohne Visionen für seine Regentschaft war. Wir wissen, wie diese Geschichte ausgeht, ob nun in der Grimm‘schen Version oder in der älteren Erzählung von Charles Perrault. Die Musical-Fassung „Cinderella“ („Aschenputtel“) von Richard Rodgers (Musik) und Oscar Hammerstein II. (Buch), die Christian Thausing an der Wuppertaler Oper eingerichtet hat, hält trotzdem eine Überraschung bereit.

„Cinderella“, das neue Musical in Wuppertal. Das Premienpublikum jubelt, der Abend hat Schwächen

Ermutigt von Cinderella (Susann Ketley), und von Jean-Michel (Nils Karsten), einem jungen Mann mit sozialistischen Neigungen, über die Missstände in seinem Reich informiert, ordnet der Prinz (Jonas Hein) die Wahl eines Premierministers an und ruft eine demokratische Monarchie aus. Diese „moderne“ Fassung, für die Douglas Carter Bean 2003 das Buch änderte und für die u.a. auch Songs gestrichen und durch andere Lieder von Rodgers/Hammerstein ersetzt wurden, führt neben Jean-Michel noch eine weitere neue Figur ein: Sebastian(Mark Bowman-Hester), den bisherigen Verwalter des Reiches, der die Macht um nichts in der Welt aus der Hand geben mag.

Ehrgeiz, der an Grenzen stößt: Bei den großen Szenen bezieht die  Oper Wuppertal für „Cinderella“ auch Opernchor und Jugendclub mit ein. Aber nicht wenigen Szenen haftet der Makel an, sich noch im Stadium der Probe zu befinden.
Ehrgeiz, der an Grenzen stößt: Bei den großen Szenen bezieht die Oper Wuppertal für „Cinderella“ auch Opernchor und Jugendclub mit ein. Aber nicht wenigen Szenen haftet der Makel an, sich noch im Stadium der Probe zu befinden. © Björn Hickmann/ stage picturE

Und dass Stiefschwester Gabrielle, die sich in den Revoluzzer verliebt, hier zu Cinderellas Komplizin wird, verstärkt noch die märchenhafte „Love Story“ zwischen Prinz und Cinderella. Hana Ramujkic hat ein großartiges, immer wieder neue Spielorte eröffnendes Bühnenbild entworfen. In diesem prächtigen Ambiente entwickelt sich die märchenhafte Geschichte, die vom Sinfonieorchester Wuppertal unter Leitung von Johannes Witt souverän, aber ohne große dramatische Akzente illustriert wird, zumal im ersten Teil ausgesprochen brav. Regisseur Thausing stellt das Ensemble, das nicht durchweg die gleichen Musical-Qualitäten aufweist, gern an die Rampe, die Personenführung wirkt uninspiriert. Bei den Massenszenen, an denen neben Tänzerinnen und Tänzern auch Opernchor und Jugendclub des Hauses mitwirken, wiederum scheint die Choreografie im Probenstadium stecken geblieben zu sein. Man wundert sich, wie viele Menschen auf eine Bühne passen, ohne dass wirklich Packendes passiert. Begeisternd immerhin, wie Cinderella dann mit dem Heißluftballon in den Prinzenpalast einschwebt.

Das ändert sich nach der Pause (dann ist auch die Musik deutlich dynamischer), wenn die Regie mehr auf intensive Zweier-Tableaus setzt und auch die Chorus-Szenen (etwa das nicht länger geknechtete Volk als Neu-Wähler) überzeugend gestaltet und ausspielt. Zum Schluss tosender Applaus für ein Musical, das vielleicht nicht ohne Grund seit seiner Europa-Premiere in München 2018 erst zum zweiten Mal auf einer deutschsprachigen Bühne präsentiert wird.