Es gibt nicht nur grüne Damen: 5. Dezember ist Tag des Ehrenamtes. Hier sprechen vier aus dem Revier, warum sie Anderen Brücken zur Kultur bauen.
Marc Bühner: Leuchtende Kinderaugen sind der schönste Lohn für Römer im Ehrenamt
Mein Interesse an Römern, das Museum in meiner Heimatstadt: Zu meinem Ehrenamt musste mich niemand lange überreden. Was wir tun, nennt man „Reenactment“, also die Darstellung zeitgetreuen Lebens. Das Experiment vor rund fünf Jahren war: In Haltern eine stehende Römergruppe auszubilden, die Besuchern dieses Leben anschaulich vor Augen führt. Hat geklappt!
Das größte Geschenk? Immer wieder das Leuchten der Kinderaugen. Die Schüchternheit ist bald verflogen, viele sind richtige Kenner. Natürlich gibt es auch die, für die Römer vor allem die sind, die im „Asterix“ immer nur eins drauf bekommen. Vielleicht gibt uns das sogar einen Sympathie-Bonus.
Wir erzählen unseren Besuchern keine Märchen. Es gibt auch keine Plastik-Rüstung. Unsere Schuhe haben wir selbst gemacht, ich sogar mein Kettenhemd. Und natürlich braucht man in diesem Ehrenamt als Legionär einen Namen, meiner ist Marcus Rufinius Martialis.
Marc Bühner, 44, Informatiker, hilft im Römermuseum Haltern
Mit Kindern lesen: Ursula Lemser wollte im Ehrenamt etwas zurückgeben
Im Ehrenamt wollte ich etwas zurückgeben. Als Leselernhelferin bei „Mentor“ begleite ich nach dem 1:1-Prinzip ein Kind beim Lesen, jede Woche eine Stunde lang. Wir lesen nicht vor, wir lesen mit. Immer mehr Kindern fällt das schwer: Lesen ist wahnsinnig anstrengend für sie.
Manchmal kommen die Kinder ziemlich kaputt an. Dann fange ich mit einem Spiel an, da ist die Kinderseite der WAZ wirklich super. Als das Mädchen, das ich betreue, jetzt das Kreuzworträtsel toll gelöst hatte, habe ich gesagt: „Du bist echt pfiffig!“ Da hat sie gefragt: „Was ist ,pfiffig’?“ Es geht auch um Wortschatzerweiterung. Niemand empfindet das als Arbeit; die Kinder freuen sich darauf! Aber ich selbst habe auch viel gelernt im Ehrenamt. Dass alle Kinder im Grunde gleich sind, ganz egal, woher sie kommen.
Man baut schon eine Beziehung auf: Wenn „mein“ Mädchen die Grundschule verlässt, dann endet unser Weg. Das wird auch für mich sicher kein leichter Abschied.
Ursula Lemser, 72, arbeitete über 40 Jahre bei der Sparkasse Essen
Reinhard Doppelfeld vom „Kulturpott“: Es ist Platz für jeden, ob Schalke oder Oper
Für mich geht es vor allem um Würde und Respekt. Im „Kulturpott. Ruhr“ vermitteln wir ehrenamtlich Menschen den Eintritt zu Veranstaltungen, für die ihr Geld einfach nicht reicht. Das kann die alte Dame mit der zu kleinen Rente sein, aber auch ein junger Erwerbsloser.
Kulturanbieter ermöglichen das; wir sind die Vermittler. Die Bandbreite reicht vom Opernbesuch bis zum Platz „Auf Schalke“. Klar, dass Fußball im Ruhrgebiet auch Kultur ist! Um die 300 Leute haben wir in unserer Kartei für Gelsenkirchen. Es gibt Sprechstunden, in denen wir manchmal auch über ganz andere Dinge reden: Gesundheit, Familie...
Niemand fühlt sich bei uns als Bettler, niemand muss im Theater oder Konzert seinen Ausweis zeigen. Fast immer kriegen wir nachher ein dankbares Echo, auch mit der Bitte: „Wenn Ihr mal wieder sowas Schönes habt, denkt an mich!“
Reinhardt Doppelfeld, 76, aus Gelsenkirchen, war bis zur Pensionierung Maschinenbauingenieur
Michael Hager muss im Konzerthaus auf alles eine Antwort haben
Als Lehrer waren meine Fächer Mathe und Physik. Mir war klar: Wenn Ehrenamt, dann muss es irgendwas komplett anderes sein. Musik! Ich spiele Geige, seit ich 11 bin und war schon lange Fan des Konzerthauses. Besser konnte ein Ehrenamt gar nicht passen als hierher.
Ich mache Führungen. Dass das so viel Spaß macht, hätte ich nicht gedacht. Das Spektrum der Fragen ist die reine Wundertüte. Mit Musik haben die längst nicht immer zu tun. Ein 13-Jähriger fragt eben dann auch schon mal: „Was kostet denn so ein Klappstuhl hier?“
Was ich nicht weiß, das weiß ich bei der nächsten Führung, so hab’ ich viel gelernt – über die Architektur oder unsere wundervolle Orgel hier. Jetzt wollte ein Schüler wissen, aus welchem Holz unser Wappentier, das Nashorn, ist. Erst durch ihn weiß ich es jetzt für immer: Pappel!
Dr. Michael Hager, 65, im Ehrenamt am Konzerthaus Dortmund
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